Das ist aber lecker: Große Stollenprüfung mit zehn lokalen Konditoren vor allem aus dem Havelland!
So ein schöner leckerer Butterstollen ist in der Vorweihnachtszeit schnell gekauft, aufgeschnitten und bis auf den letzten Krümel verputzt. Die wenigsten Stollenfreunde ahnen aber, wie viel Handwerk, Liebe und Tradition in dem Gebäck stecken. Die Kreishandwerkerschaft Havelland schaut ganz genau auf die in der Region hergestellten Stollen – und führt einmal im Jahr eine gewissenhafte Stollenprüfung durch. Dieses Mal fand sie am 19. November in Falkensee statt. Zehn Bäcker und Konditoren hatten 26 Stollen zur Prüfung eingereicht.
Ein Glöckchen bimmelt, der Zeremonienmeister Lars Wenzel bittet eindringlich um Ruhe und schon schreitet die weiß eingekleidete Jury um den großen Tisch herum, um zehn frisch aufgeschnittene Butterstollen mit Rosinen in Augenschein zu nehmen – und zu verkosten.
Bei der vierten offiziellen Stollenprüfung der Kreishandwerkerschaft Havelland (www.handwerkhavelland.de) wurde einmal mehr eine große Ernsthaftigkeit an den Tag gelegt. Alle Beteiligten waren vom Fach, sie wussten genau, wie der perfekte Stollen auszusehen hat. Zur Jury gehörten neben Lars Wenzel von der Konditorei Wenzel in der Falkenseer Bahnhofstraße auch der Innungsmeister und Ideengeber der Stollenverkostung Olaf Kreuschner aus Falkensee, der Falkenseer Altmeister Helmut Benke (83 Jahre alt!) und der Fachberater Sven Mula von der “Bäko Hansa”.
Olaf Kreuschner: “Wir bewerten die Form des Stollens, das Aussehen und die Puderzuckerbestäubung, die Oberflächen- und Krusteneigenschaften, die Lockerung und das Krumenbild, die Struktur und Elastizität, den Geruch, den Geschmack und die Verteilung der Früchte. Maximal können wir auf diese Weise 100 Punkte vergeben. Die Stollenprüfung ist kein Wettbewerb, sondern eine freiwillige Leistungskontrolle, eine Qualitätszertifizierung. Wir bewerten streng, freuen uns aber, wenn alle Kollegen ein sehr gutes Ergebnis erhalten. Am Ende gibt es ein Zertifikat, das sich die Bäcker und Konditoren in ihre Backstube hängen können.”
Die Experten in Sachen Backen, Kalorien und Stollen blieben streng in der Sache. Hier war ein Stollen eingefallen (“abgebacken”), dort klebten zu viele Rosinen in einer Ecke. Bei einem Stollen gefiel die Verteiligung des Puderzuckers nicht, bei einem anderen war der Teig nicht ausgebacken. Der eine oder andere Punktabzug wurde deswegen ausgesprochen. Trotz aller Kritik musste es aber bei der Fairness bleiben. Olaf Kreuschner: “Natürlich bewerte ich meinen eigenen Stollen nicht. Und auch Lars Wenzel ließ beim Testen seinen eigenen Stollen aus.”
Im letzten Jahr hatten sich neun Backstuben aus dem Havelland zur Stollenprüfung angemeldet, in diesem Jahr waren es bereits zehn. Zur Bäckerei und Konditorei Ziehm, der Bäckerei Maschitzki und der Bäckerei und Konditorei Giede aus Falkensee, Meister Möhring aus Rathenow, der Bäckerei Schulze aus Falkenrehde, der Bäckerei Krakau aus Stechow und der Bäckerei Plagemann aus Neuruppin kam in diesem Jahr auch noch Markus der Bäcker aus Caputh hinzu.
Die Stollenprüfung wurde in diesem Jahr nicht mehr länger in der Backstube eines Kollegen durchgeführt, sondern im Mietlokal “Alte Metzgerei” der Fleischerei Gädecke (www.partyfalkensee.de) in Falkensee. Michael Ziesecke von der Kreishandwerkerschaft: “Die Bäcker und Konditoren haben zusammen mit den Fleischern die neue Innung ‘Lebensmittel’ gegründet. So ist die Fleischerei Gädecke ein Innungsmitglied geworden.”
Olaf Kreuschner: “In der ‘Alten Metzgerei’ hatten wir genug Platz, um alles vorzubereiten. Außerdem wurden wir von vielen Menschen gesehen, die auf dem Weg zur Fleischerei waren. Wir überlegen, die Stollenprüfung im nächsten Jahr öffentlich zu machen, sodass nach unserer Verkostung auch noch interessierte Bürger den Stollen probieren können. Es ist ja genug da.”
Nach den Rosinenstollen (mit Rum-Rosinen, Orangeat, Zitronat und optional auch mit Marzipan) wurden in diesem Jahr noch die Mohnstollen, Mandelstollen und Spezialstollen verkostet. Bei den Spezialstollen gab es sogar – neben einem Whisky- und einem Orange-Quark-Cranberry-Stollen – eine große Überraschung. Ingo Möhring aus Rathenow hatte einen Pistazien-Knusper-Stollen mit zwei Pistazienschichten, einer Schokoladenhülle und aufgeklebtem Blattgold eingereicht. Die Rathenower Antwort auf den aktuellen Hype “Dubai Schokolade” kam bestens an: Der modizifierte Stollen schmeckte ausgesprochen gut.
Sven Mula, der als Fachberater der “Bäko Hansa” über hundert Bäckereien betreut: “Tatsächlich werde ich immer wieder angesprochen, ob wir denn keinen Stollen mit Pistazie und Engelshaar haben wie in der Dubai-Schokolade.”
Für Lars Wenzel war die Stollenprüfung einmal mehr eine tolle Möglichkeit, das eigene Handwerk auf den Prüfstand zu heben: “Mitunter schleichen sich in der eigenen Arbeit Fehler ein, die irgendwann nicht mehr zu entdecken und zu beheben sind, weil man sich einredet, das ja schon immer so gemacht zu haben. Der Vergleich mit den Kollegen zeigt da ganz klar, wo man steht.”
Olaf Kreuschner: “Am Ende der Verkostung stand fest: 26 Stollen wurden zur Prüfung eingereicht. 21 von ihnen erhielten die Note ‘sehr gut’, sechs davon schafften es sogar, die vollen einhundert Punkte einzusammeln. Fünf Stollen bekamen das Prädikat ‘gut’.”
Am Ende der Verkostung kamen fast alle zehn Bäcker- und Konditormeister nach Falkensee angereist, um bei der Verkündung des diesjährigen Ergebnis mit dabei zu sein.
Lars Wenzel: “Es ist wirklich erstaunlich, wie unterschiedlich die Stollen schmecken, obwohl das zugrunde liegende Rezept doch stets fast das gleiche ist. Wichtig ist aber auch: Der Schnaps gehört nicht nur in den Konditormeister, sondern auch in den Stollen.”
Und der Falkenseer Konditormeister hat am Ende noch einen Tipp für die Konsumenten: “Die Kunden wollen immer den ganz frischen Stollen. Das ist aber nicht der beste. Ich lege mir immer einen Stollen vom ersten Schuss Anfang Oktober zurück, der schmeckt später zu Weihnachten am besten. Die Aromen brauchen einfach Zeit, um sich perfekt zu verteilen. So ein Stollen wird nicht schlecht, höchstens ein bisschen trockener.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 225 (12/2024).
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