Kita- & Schulspeisung in der Kritik: In Schönwalde-Glien werden die Kinder frisch bekocht!

In Schönwalde-Glien werden sieben Kitas und zwei Grundschulen nicht von einem externen Caterer mit einem warmen Mittagessen versorgt, sondern von einer eigenen Gemeindeküche. Regionaler und frischer kann das Schönwalder Kinderessen also eigentlich gar nicht sein. Trotzdem kam zuletzt Kritik auf, das Kita- und Schulessen sei zu teuer und würde den Kindern nicht schmecken. Das Küchenteam fühlt sich in seiner kulinarischen Ehre verletzt. Die Redaktion von “Unser Havelland” probierte für ein externes Urteil selbst einen Teller Suppe.
Die Gemeinde Schönwalde-Glien leistet sich einen besonderen Luxus. Sieben Kitas und zwei Grundschulen in der Nachbarschaft werden von einem eigenen Küchenteam bekocht, deren Gehälter die Gemeinde bezahlt. So muss kein externer Caterer beauftragt werden und die Wege der Mahlzeiten auf die Teller der Kinder sind kurz.
Das Küchenteam ist an zwei Standorten tätig. Eine Küche gibt es in der Kita Sonnenschein, eine in der Grundschule Menschenskinder. Eintausend Essen werden pro Tag zubereitet, in den Ferien sind es natürlich weniger. Das Angebot gibt es seit 1985/86 für die Kitas, im Jahr 2007 kam auch das Schulessen dazu.
Evelyn Wolgast (65) arbeitet seit 33 Jahren in der Kitaverwaltung der Gemeinde: “In der Kita wurde schon immer selbst gekocht. Schon vor der Wende. Bis 2007 haben die Schulen in Schönwalde-Glien noch einen externen Caterer für das Schulessen gehabt. Dann haben wir auch das umgestellt.”
Zuletzt kam das Küchenteam der Gemeinde ganz plötzlich in die Kritik. Das Essen sei zu teuer und würde den Kindern nicht schmecken, hieß es. Das verärgerte die Profis am Herd nicht, sondern machte sie eher sehr traurig. Denn gekocht wird vor Ort und das mit sehr viel Leidenschaft und Herzblut.
Bürgermeister Bodo Oehme: “Die ganze Diskussion entfachte sich an einer Erhöhung der Kosten für das Kita- und Schulessen. Zum letzten Mal wurden die Kosten im Jahr 2004 angepasst. Das ist lange her. Inzwischen sorgt die Inflation für eine deutliche Anhebung der Lebensmittelpreise. Die Gemeinde bezahlt bereits die Gehälter der Küchenmannschaft und bezuschusst einen großen Anteil der Kosten für die Lebensmittel. Eine externe Beratungsfirma hat eine Neuberechnung der Kosten durchgeführt. Seit dem 1. August 2024 ist beschlossen, dass das Kitaessen statt 1,50 Euro pro Tag nun 1,70 Euro kosten wird. Und das Schulessen kostet statt 1,70 Euro am Tag 3 Euro. Beachten muss man, dass die Kitaträger zwar verpflichtet sind, ein Essen anzubieten. Die Grundschulen sind es aber nicht.”
Hans-Joachim Mund (58), Ortsvorsteher von Schönwalde-Siedlung, Vorsitzender im Bildungsausschuss und selbst Vater von vier Kindern, die die Kita Sonnenschein besucht haben: “Innerhalb dieser Diskussion haben sich Gemeindevertreter plötzlich auch sehr kritisch gegenüber dem Essen geäußert.”
Bodo Oehme: “Es wurde kritisiert, dass die Qualität der Speisen nicht dem Standard entsprechen würde. Dass die Speisenfolge nicht abwechslungsreich genug sei. Dass zu viel Fleisch auf dem Speiseplan stehe. Und ob denn da überhaupt qualifizierte Köche arbeiten. Diese Kritik kam von Leuten, die noch nie eines der Essen probiert haben. Ich kann nur sagen: Dieses Küchenpersonal hat meine volle Rückendeckung, hier machen alle einen guten Job. Es wurde auch gefordert, dass sich die Küche zertifizieren soll, vorher würde man der Erhöhung der Preise nicht zustimmen.”
Eine gute Idee zur Friedensstiftung: Die Gemeindevertreter wurden zu einem Probeessen vor Ort eingeladen. Es gab für alle Königsberger Klopse mit Kartoffeln. Übrigens: Nicht jedes Kind mag Kapern, deswegen setzt die Schönwalder Küchencrew auf einen Trick. Der Geschmack der Kapern muss mit in die Soße, deswegen werden sie ganz einfach geschreddert, dann sehen die Kinderaugen sie nicht mehr. Hans-Joachim Mund: “Zum Probeessen wurden natürlich insbesondere auch die Kritiker eingeladen. Leider kam nur ein Paar, die beiden sind auch Eltern eines Kitakindes. Der Rest der Kritiker ist nicht erschienen.”
Angela Grell (54) ist seit 2020 Jahren die Leiterin der Kita Sonnenschein (und zuvor seit 2005 die ständige Stellvertretung der Leitung). Sie sagt: “Kritik gibt es immer wieder einmal. Da geht es mitunter um Sonderkost, um ein Essen für Allergiker und um verschiedene Lebensmittelunverträglichkeiten. Wir versuchen hier auf jeden zu achten und haben auch religiöse Speisevorschriften im Blick. Vegetarische oder sogar vegane Optionen werden beim Schulessen bereits angeboten, in der Kita stehen wir dazu mit den Eltern in Kontakt.”
Jens Granzin (37) leitet die Küche vor Ort: “Ich bin selbst gelernter Koch und habe eine Zusatzausbildung zum Diätkoch. Seit dem 1. Januar 2018 bin ich hier in Schönwalde-Glien tätig. Ich schreibe einen abwechslungsreichen Speiseplan, angelehnt an die Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Hier steht z.B. geschrieben, wie oft es innerhalb von 20 Tagen Fleisch geben sollte. Wir verarbeiten besonders gern regionale und natürlich saisonale Zutaten. Das Lieblingsgericht der Kinder sind tatsächlich Pellkartoffeln mit Quark. Und da darf auch die Gewürzgurke nicht fehlen! Einmal in der Woche, immer am Donnerstag, ist Fischtag. Die Kinder lieben die Remoulade und auch die Dillsauce. Wir schauen stetig, wie wir uns weiter verbessern können. So beliefert uns seit kurzem die Falkenseer Bäckerei Ziehm mit frischem Brot.”
Hans-Joachim Mund: “Es geht ja auch immer um die Abwechslung, man kann nicht mit jedem Essen alle Geschmäcker treffen. Bei zehn Kindern gibt es zehn Meinungen. Aber ich weiß: Die Kinder sind sehr kritisch und sagen direkt, wenn ihnen etwas nicht schmeckt.”
Svenja Lehmann (28) ist selbst gelernte Köchin. Sie arbeitet in der Kitaverwaltung von Schönwalde-Glien und ist hier zuständig für den Bereich Einkauf und Beschaffung: “Die Bestellung der Lebensmittel erfolgt über einen Großlieferanten, den auch viele Hotels und Restaurants nutzen. Ich stehe selbst ständig in engem Kontakt mit der Küche. Zwei bis drei Mal in der Woche werden die frischen Zutaten geliefert. Es ist immer ein Grundbestand an den Standardlebensmitteln im Lager. Einmal in der Woche besucht uns ein Vertreter des Großlieferanten, bei dem wir dann auch direkt bestellen könnten.”
Hans-Joachim Mund: “Ich muss das ganz klar betonen: Auch nach der Preiserhöhung sind wir mit großem Abstand eine der günstigsten Gemeinden, was die Kosten für das Kita- und Schulessen betrifft. Bestellt man bei einem externen Caterer, werden die Kosten ganz anders kalkuliert. Wir als Gemeinde bezuschussen diese Gemeinschaftsverpflegung ja auch – wir bezahlen die Personalkosten und einen Großteil der Lebensmittelkosten. Das ist in anderen Städten und Gemeinden ganz anders. In Potsdam wird das Schulessen nicht bezuschusst und kostet deswegen sechs Euro pro Tag.”
Jens Granzin: “Mein Küchenteam besteht aus fünf Köchen und zwei Küchenhilfen. Wir waren alle schon vorher in anderen Einrichtungen tätig – auch in der à-la-Carte-Gastronomie. Ich habe vorher in der Küche der Reha-Klinik Beelitz Heilstätten gearbeitet. Wir haben alle an verschiedenen Orten unsere Erfahrungen gesammelt und lassen sie nun hier in die Arbeit einfließen.”
Svenja Lehmann: “Die Kommunikation zwischen der Küche und den verschiedenen Kitas in der Gemeinde erfolgt über eine mobile App. Hier kann etwa die Kita die aktuellen Speisepläne abrufen und ein Foto vom Essen des Tages einsehen. So kann man auch die Portionsgröße gut einschätzen. Über die App gibt die Kita den Köchen auch eine direkte Rückmeldung darüber, ob es den Kindern geschmeckt hat oder nicht.”
Angela Grell von der Kita Sonnenschein: “Ich wünsche mir die offene Kommunikation mit den Kitaeltern. Gern können sich die Eltern auch selbst einmal eine Kostprobe vom Essen abholen. Transparenz und Ehrlichkeit sind uns sehr wichtig. Wir gehen drei Mal im Jahr auf die Messe des Großanbieters für Kita- und Schulessen und holen uns hier neue Inspiration. Gern können auch die Eltern Anregungen für neue Gerichte einbringen, wir alle sind da immer sehr offen.”
Jens Granzin: “Wir in der Küche sind auch immer offen für Kritik, sie muss aber auch fair sein.”
Angela Grell: “Was viele Eltern und Außenstehende gar nicht wissen: Bei uns in der Kita wird den Kindern das Mittagessen in einer besonderen Buffetform angeboten. Auf zwei separaten Tischen werden in großen Schüsseln die Speisen hingestellt. Jedes Kind nimmt sich ganz alleine. Besonders stolz bin ich auf unsere Sitzecke mit antiken Möbeln. Hier sehen die Kinder vorab auf einem Musterteller, was es heute zu essen gibt. Sie überlegen auch gemeinsam, was für Besteck sie für das Essen brauchen. Messer und Gabel für die Suppe sind vielleicht nicht so passend. Uns sind auch die Tischmanieren sehr wichtig, die Kinder sitzen gemeinsam an kleinen runden Tischen. Auch die Getränke und das Obst oder das Gemüse nehmen sich die Kinder selbst. Der Getränkespender mit Wasser – gemischt mit Fruchtsaft und Obststücken – wird auch gern angenommen.”
Auch die Redaktion von “Unser Havelland” wollte sich gern einmal von der Qualität der Schönwalder Kita- und Schulküche überzeugen – und wurde prompt zum Essen eingeladen. Bei der erneuten Essensrunde mit Bürgermeister Bodo Oehme, Hans-Joachim Mund, Evelyn Wolgast, Svenja Lehmann, Angela Grell und Küchenchef Jens Granzin gab es eine Kartoffelsuppe.
Ann-Kristin Ebeling: “Besonders hat mir die Gestaltung des Essensraums gefallen. Die Kinder bedienen sich selbst, das ist ja fast so wie in einem Hotel-Restaurant am Buffet. Es ist alles sehr liebevoll eingerichtet, es gibt sogar eine kleine Lampe auf jedem runden Tisch, das sorgt für ein bisschen Wohlfühlatmosphäre. Bei unserem Probessen gab es eine Kartoffelcremesuppe mit Würstchen, dazu Röstzwiebelbaguette (frisch aufgebacken) und einen Schusterjungen von Bäcker Ziehm.”
Patrick Hückstädt: “Das Essen war wirklich sehr lecker. Man merkt, dass alles frisch zubereitet war. Es hat geschmeckt wie zu Hause.”
Bürgermeister Bodo Oehme: “Die Kritik ist nicht zu verstehen. Das Küchenteam macht eine ehrliche Arbeit mit den kritischsten Gästen, die es gibt – mit Kindern. Und wir als Gemeinde genießen den Luxus, dass wir das Essen für alle Kitas und Schulen selbst vor Ort kochen. Wir haben dafür einen guten Personalstamm aufgebaut.” (Text: AE,cs / Fotos: Ann-Kristin Ebeling)
Hinweis: Das Artikeltitelfoto zeigt einen Teil vom Schönwalder Küchenteam: Irena Dieterich (41), Enrico Schulz (39), Marcel Orfert (39) und Jens Granzin (37).
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 222 (9/2024).
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