Der Platane platzt der Kragen: Der Baum wirft seine Borke ab!
Bei einem Spaziergang durch Falkensee darf man sich wundern: Unter den Platanen liegt ein ganzer Teppich aus handtellergroßen Borkenteilen, die offenbar von den Bäumen abgestreift wurden. Warum fahren die Platanen so aus der Haut, warum fällt ihnen die Borke wie Schuppen aus den Kronen? Geht es den Bäumen schlecht? Mitnichten: Das mitunter sogar hörbare Schauspiel wiederholt sich alle paar Jahre.
Die Ahornblättrige Platane (Platanus hispanica) wird in Deutschland sehr gern als Straßenbaum gepflanzt. Es handelt sich bei den Bäumen mit den behaarten kugeligen Früchten, den großen Blättern und dem gelb-grün-braun gemusterten Stamm tatsächlich nicht um eine einheimische Art. Der Baum, der rechts und links an vielen Straßen wächst und bis zu 40 Meter groß und 150 bis 200 Jahre alt werden kann, kommt eigentlich eher aus südlichen Gefilden, weil er mit warmen Temperaturen besser umgehen kann.
Kleiner Fun-Fakt: In Paris ist fast jeder zweite Baum, der in der Stadt der Liebe anzutreffen ist, eine Platane. Und noch einer: Bereits 1811 ließ Napoleon Platanen entlang der Straßen pflanzen, damit seine Soldaten im Schatten marschieren konnten.
Die Art der Bäume, die wir heute in Mitteleuropa sehen, entstand um das Jahr 1650 herum als Kreuzung der Amerikanischen Platane (Platanus occidentalis) und der Morgenländischen Platane (Platanus orientalis). Nach Deutschland sollen die Platanen Mitte des 18. Jahrhunderts gekommen sein. Cool: Die Bäume gelten als mistelfest, werden also nicht von der Weißbeerigen Mistel befallen, die ansonsten als Baumparasit in Falkensee schon sehr stark in Birken und Linden verbreitet ist.
Nun, mitten im Sommer 2024, wundern sich Spaziergänger aber mitunter darüber, warum der Boden unter den Kronen der Plantagen bedeckt wird von der abgestreiften Borke der Platanen. In dicken langen Streifen liegt die dünne Baumhaut auf der Erde. Die Stämme und Äste der Platanen erstrahlen dafür wieder in einem intensiven Hellgrün in den verschiedensten Helligkeitsabstufungen, sodass man hier auch sehr einleuchtend von einem “Militär-Look” spricht.
Ist das gesund? Rebellieren die Bäume auf diese Weise gegen die Hitze? Oder ist etwa ein Pilz daran schuld, dass die Bäume ihre gesamte “Haut” abstreifen wie Menschen nach einem Sonnenbrand?
Mitnichten. Tatsächlich kann man das Phänomen bei Platanen alle paar Jahre aufs Neue beobachten.
Zunächst muss man wissen, dass es sich bei den dicken Flatschen, die unter den Bäumen liegen, um Borke handelt und nicht um Rinde. Durch das im Kambium stattfindende Dickenwachstum wächst der Baum nicht nur in die Höhe, sondern eben auch in die Breite. Der bereits abgestorbene Teil der Rinde (= die Borke) kann aber nicht mehr mitwachsen und platzt in der Folge auf.
Dass die Borke aber überall so schnell und bei allen Bäumen fast gleichzeitig abplatzt, das konnte man zuletzt im Jahr 2018 bestaunen. Nun, im Jahr 2024, ist es wieder einmal so weit.
Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass der beschleunigte Borkenabwurf immer im Anschluss an ein sehr feuchtes Frühjahr zu beobachten ist. Da wir in Deutschland mehrere sehr trockene Dürre-Jahre hatten, 2024 aber zu Beginn des Jahres sehr feucht war, handelt es sich beim aktuellen Jahr eben wieder um ein sehr schuppenträchtiges Jahr.
Die Platanen konnten im nassen Frühjahr sehr gut wachsen. In der Folge setzt nicht nur ein Höhenwachstum ein, sondern auch eins in die Breite. Deswegen ist die abgestorbene Borke eh schon zum Zerreißen gespannt.
Im heißen Sommer saugt der Stamm der Platane am Tag aber besonders viel Wasser aus dem Boden. Aufgrund eines physikalischen Effekts wird der Stamm dank des Saugeffekts am Tag ein klein wenig schmaler, das kann man sogar messen. In der Nacht dehnt sich der Baum aber wieder aus und nimmt die gewohnte Breite ein. Durch dieses “Pumpen in Zeitlupe” schüttelt der Baum sozusagen sehr aktiv und in kurzer Zeit seine gesamte Borke ab. Die einzelnen Borkenplatten, nur ein, zwei Millimeter dick, segeln zu Boden, die lebendige Rinde wird am Baumstamm sichtbar. All das ist ein ganz normaler Vorgang, aber – man wundert sich nur eben.
Bei anderen Bäumen verhält sich die Borke übrigens ganz anders, wenn es dem Baum gut geht. Beim Breitenwachstum dieser Bäume platzt die Borke zwar ebenfalls auf, bleibt aber haften, wie man dies etwa von der knorrigen Eiche her kennt. In diesem Fall bildet die dicke Borke auch einen sehr guten Schutz für den Stamm des Baumes. Insekten und Pilze haben es so deutlich schwerer, zur lebendigen Rinde durchzudringen.
Was soll man nun aber tun mit den Borken-Flatschen, die einem mitunter in den Garten fallen und hier das Sonnenlicht vom eigenen Rasen fernhalten? Nun, man kann die Borke einsammeln und auf den Kompost entsorgen. Man kann sie als Anzünder in einer Feuerschale verwenden. Oder man harkt sie zusammen und baut damit einen großen Haufen im Garten, in dem sich Igel und andere Tiere gut verstecken können.
Wer also beim Spazierengehen ein Knacken hört, während er oder sie unter Platanen wandelt, braucht sich nicht zu wundern. Die Platane fährt nur gerade einmal wieder aus ihrer Haut. Und das geht eben nicht immer ganz geräuschlos zu. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 222 (9/2024).
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