Irmgard Kühn-Baumann aus Falkensee freut sich: Besuchsdienst für Senioren kommt 1x in der Woche vorbei!
Viele Senioren im Havelland leben alleine, können das Haus nicht mehr verlassen und fühlen sich einsam. Der ehrenamtlich tätige Seniorenbesuchsdienst vom Diakonieverein im Kirchenkreis Falkensee e.V. hilft zumindest ein wenig – und stattet den älteren Mitbürgern einmal in der Woche einen Besuch ab. Zum Reden, zum miteinander Spielen oder für einen gemeinsamen Spaziergang. Auf ihren Besuch freut sich auch Irmgard Kühn-Baumann immer sehr. Sie ist 93 Jahre alt.
Leckeren Kuchen hat sie gebacken und frischen Kaffee aufgesetzt. In ihrem großen Haus in den Falkenhagener Alpen ist alles sauber und picobello in Schuss, im Wintergarten stehen viele blühende Orchideen in Reih und Glied.
Irmgard Kühn-Baumann: “Mein Mann ist vor sieben Jahren verstorben, ich lebe seitdem alleine. Ich bin nicht mehr gut zu Fuß, auch ein Fahrrad kann ich nicht mehr lenken. Das Auto hat immer mein Mann gefahren. Man sagt mir immer, ich solle es mir doch nicht so schwer machen, und lieber in ein Heim gehen, wo ich versorgt werde. Aber das kann ich nicht. Das Haus haben mein Mann und ich selbst gebaut. Jeden Stein haben wir selbst getragen. Das kann ich einfach nicht aufgeben. Ich bin verlassen und gebunden. Mein Sohn kauft einmal in der Woche für mich ein.”
Irmgard Kühn-Baumann lebt seit 50 Jahren in Falkensee. Der Kopf ist noch hellwach, trotz ihrer 93 Jahre. Nur der Körper, der will nicht mehr so richtig. Auch die Finger funktionieren nicht mehr so recht, die kleinen Dinge entgleiten ihnen. Dafür rezitiert sie ohne Wenn und Aber lange Gedichte, die sie mit Ausdruck und Donner in der Stimme vortragen kann: “Die Gedichte, sie enden aber alle oft sehr dunkel.”
Das große Problem, das Irmgard Kühn-Baumann selbst sieht, ist: “Ich fühle mich schon einsam und verlassen.”
Das kann man gut nachvollziehen. Die Seniorin wohnt zwar wunderschön in direkter Nachbarschaft zum Wald, aber eben auch viel zu weit entfernt von allen kulturellen Einrichtungen in Falkensee. Zu Fuß kommt sie dort aus eigener Kraft nicht mehr hin: “Ich muss mich beim Gehen an jemandem festhalten, mein Gang ist nicht mehr sicher.”
Irmgard Kühn-Baumann ist nur ein Fall von mehreren, um die sich der ehrenamtliche Seniorenbesuchsdienst kümmert, der sich inzwischen dem Diakonieverein im Kirchenkreis Falkensee e.V. (www.diakonieverein-falkensee.de) angeschlossen hat. Der Seniorenbesuchsdienst ist vollständig auf rein ehrenamtlicher Basis unterwegs, nimmt also kein Geld, sondern handelt aus reinster Nächstenliebe. Und das nicht nur in Falkensee, sondern auch in Brieselang, Dallgow-Döberitz, Groß-Glienicke, Schönwalde-Glien und Wustermark, um nur einige der Betreuungsorte zu nennen.
Helga Lümmen (Tel.: 0152-08658756) kümmert sich im Verein um die Organisation. Sie erklärt: “Sind der Partner und die Freunde bereits verstorben und die Angebote in der Stadt schwer zu erreichen, so bricht der Kontakt zu anderen Menschen oft ab. Hier wollen die ehrenamtlichen Frauen und Männer des Diakonievereins mit ihren Besuchen Abhilfe schaffen. Sie unternehmen auf Wunsch gemeinsame Spaziergänge, lesen vor, schauen zusammen alte Fotos an, spielen mit der oder dem Besuchten Karten oder Brettspiele, animieren zu kleinen Bewegungsübungen und sind vor allem Gesprächspartner, Erzähler und Zuhörer.”
Den Besuchsdienst gibt es seit inzwischen zehn Jahren. Damals wurde er im Kompetenzzentrum Havelland nach einer mehrtägigen Schulung von seinerzeit zehn Frauen und Männern gegründet. Helga Lümmen: “Damals wie heute wird das Team von Wolfgang Quante (Tel.: 03322-4204844) koordiniert. Er vermittelt die Besucher an die anfragenden Senioren. Durch seine jahrelange Arbeit auch im Seniorenbeirat Falkensee verfügt er über sehr gute Erfahrungen, was den älteren Menschen guttut, und findet so auch immer sehr gut den passenden Besucher oder die richtige Besucherin.”
Zurzeit sind sieben Männer und acht Frauen als Besucher für den ehrenamtlichen Seniorenbesuchsdienst tätig.
Bei Irmgard Kühn-Baumann schaut seit sieben Jahren Engelbert Hoffmann als Besucher vorbei. Er ist selbst 74 Jahre alt: “Meine Eltern wohnten damals 50 Kilometer von mir entfernt. Ich habe meine Eltern zwar jede Woche besucht oder mit ihnen telefoniert. Es war uns aber allen eine große Hilfe, dass sich eine Frau vor Ort um meine Eltern gekümmert und sie besucht hat. Das hat mich motiviert, das in meinem Ruhestand auch zu tun. Vor zehn Jahren habe ich mit 64 Jahren damit angefangen. Irmgard ist die dritte Frau, die ich besuche. Meine erste Seniorin ist weggezogen, die zweite musste wegen Demenz in ein Heim. Bei Irmgard fing es mit der Trauerbegleitung an, als ihr Mann verstorben war. Seitdem habe ich sie in so gut wie jeder Woche besucht.”
Helga Lümmen: “Alle Besucher haben eine Basisschulung absolviert und werden durch den Diakonieverein betreut. Wir sind nicht konfessionsgebunden. Ganz wichtig ist: Wir übernehmen keine pflegerischen oder hauswirtschaftlichen Tätigkeiten.”
Irmgard Kühn-Baumann: “Bei Engelbert Hoffmann und mir hat es sehr gut gepasst. Unsere Familien kommen beide aus der Landwirtschaft, wir sind beide auf dem Bauernhof großgeworden. Und dann stellt sich heraus, dass unsere Höfe ganz dicht nebeneinander lagen und wir oft die gleichen Leute kennen.”
Wolfgang Quante weiß: “Den Senioren ist der Austausch sehr wichtig, sie haben sehr viel zu erzählen. Sie freuen sich über ein Gespräch und wenn ihnen zugehört wird. Unsere Besucher sind vor Ort nicht an eine bestimmte Stundenzahl gebunden, niemand muss auf die Uhr schauen. Wir versuchen aber, unsere Senioren jede Woche für etwa zwei Stunden zu besuchen.”
Irmgard Kühn-Baumann: “Wenn Herr Hoffmann kommt, dann unterhalten wir uns sehr viel. Er hilft mir aber auch ab und zu dabei, eine neue Glühbirne einzudrehen oder eine Batterie zu tauschen. Er war doch früher einmal Elektriker.”
Wolfgang Quante: “Nicht alle unsere Senioren sind geistig noch so fit wie Irmgard Kühn-Baumann. Wir bieten unseren Besuchern deswegen auch Weiterbildungen im Umgang mit Demenz an.”
Zurzeit ist das Team der Besucher sehr gut aufgestellt, es sind Kapazitäten frei. Es dürfen sich also gern weitere Senioren melden, die sich über einen regelmäßigen Besuch freuen würden. Frei nach dem Motto: “Einsam im Alter – das muss nicht sein!”
Wolfgang Quante: “Bei uns engagieren sich zurzeit sehr viele Männer, das ist schon sehr ungewöhnlich. Es sind auch Besucher dabei, die noch berufstätig sind.” (Text/Fotos: CS)
Info: Ehrenamtlicher Seniorenbesuchsdienst, Diakonieverein im Kirchenkreis Falkensee e.V., Bahnhofstraße 61, 14612 Falkensee, Tel.: 0152-08658756, www.diakonieverein-falkensee.de
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 223 (10/2024).
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