Griff ins Sparschwein: Landkreis Havelland jongliert mit dem Haushaltsplan 2025
Das war aber ein großer Rumms. Am 21. August verhängte der Landkreis Havelland eine Haushaltssperre für Teile der Verwaltung. Ein Nachtragshaushalt wurde nötig, um ein deutlich gestiegenes Defizit von insgesamt nunmehr 18,5 Millionen Euro zu verbuchen. Nun liegt der Entwurf für den Haushalt 2025 vor. Er jongliert mit Rekordzahlen, bringt aber ebenfalls ein deutliches Minus mit sich. Muss jetzt der Rotstift bei den freiwilligen Leistungen angesetzt werden?
In den letzten zehn Jahren ging es der Wirtschaft gut, in der Folge war auch in den Kommunen Geld vorhanden. Diese Zeiten sind zunächst einmal vorbei. 2024 gehört nun auch der Landkreis Havelland zu den zahlreichen Landkreisen in Deutschland, die eine angespannte Haushaltslage feststellen müssen.
Zum Halbjahresbericht des laufenden Jahres wurde festgestellt, dass der Landkreis deutlich mehr Geld ausgeben muss, als dies eigentlich eingeplant war. 11,1 Millionen Euro beträgt der zusätzliche Fehlbetrag, der plötzlich prognostiziert wurde. Mit 7,4 Millionen hatte man bereits gerechnet. Die Folge: Am 21. August wurde eine Haushaltssperre für Teile der Verwaltung erlassen.
Das Dezernat II – Soziales, Jugend, Gesundheit und Migration, das Amt für Gebäude- und Immobilienmanagement und das Referat Wirtschaftsförderung dürfen damit nur noch die Gelder ausgeben, für die es eine rechtliche Verpflichtung gibt.
Landrat Roger Lewandowski: “Ich kann mich nicht erinnern, wann wir zuletzt im Landkreis eine Haushaltssperre hatten. Der Haushalt ist sonst immer ein ganz trockenes Thema. In diesen Zeiten ist das nicht mehr der Fall. Wir haben exorbitant hohe Steigerungen bei den Ausgaben im Sozialbereich, so auch bei der Grundversorgung der Menschen ohne Arbeit. Etwa 70 Prozent unseres Haushalts fließen in den Bereich ‘Soziale Hilfen’ – mit der Kinder-, Jugend und Familienhilfe. Auch die Förderung der Kitas und die Hilfen zur Erziehung kosten immer mehr Geld.”
Elke Nermerich, Erste Beigeordnete und zuständig u.a. für die Kämmerei des Landkreises: “Soziale Hilfen kann man nicht einstellen, nur weil kein Geld mehr dafür vorhanden ist.”
Mit den Geldsorgen ist der Landkreis Havelland übrigens nicht alleine. Bereits im letzten Jahr wiesen 219 von 294 Landkreisen in Deutschland ein Defizit aus.
Roger Lewandowski: “Bund und Land helfen uns immer mehr Aufgaben über, die dann aber nicht auskömmlich gegenfinanziert werden. Der Landkreis kann aber keine eigenen Steuern erheben. Die einzige Stellschraube, die wir haben, ist die Erhöhung der Kreisumlage.”
Der Haushalt 2024 hat nun statt einem Minus von 7,4 Millionen Euro auf einmal ein Defizit von 18,5 Millionen Euro in den Büchern zu stehen. Roger Lewandowski: “Der Landkreis hat in den letzten Jahren bewusst nicht über seine Verhältnisse gelebt. Es ist nämlich immer sehr schwer, einmal gewährte Wohltätigkeiten später wieder zurückzunehmen. Wir verfügen zum Glück über Rücklagen in Höhe von 55 Millionen Euro. Aus diesen Rücklagen wollen wir das Defizit ausgleichen. Der Nachtragshaushalt muss aber noch am 7. Oktober auf der Sitzung des Kreistages beschlossen werden, damit er gültig wird.”
Wie geht es weiter? Der Entwurf für den Haushaltsplan 2025 steht!
Am 3. September wurde der Entwurf für den neuen Haushaltsplan 2025 im Büro des Landrats in Nauen vorgestellt.
Der Planentwurf für den Ergebnishaushalt 2025 zeigt eine deutliche Aufwandssteigerung der laufenden Verwaltungstätigkeit im Vergleich zum vorläufigen Ergebnis 2023 und zwar in Höhe von 13,19 Prozent. Diese Steigerung resultiert aus allen zentralen Aufgaben des Landkreises.
Elke Nermerich: “Im aktuellen Haushalt haben wir bereits die Halbe-Milliarde-Euro-Schallmauer durchbrochen. In 2025 planen wir, 545 Millionen Euro auszugeben. Das sind 24 Millionen mehr als 2024. Unsere Einnahmen können das nicht ausgleichen, wir planen mit einem Minus von 13 Millionen. Wir können jetzt schon sagen, dass die Aufwendungen weiter steigen werden. Für das Jahr 2028 rechnen wir vorausschauend mit 600 Millionen Euro. 2018 waren wir noch bei 350 Millionen.”
Roger Lewandowski: “Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Kommunen gut und über die Kreisumlage auch dem Landkreis. Wir planen unseren Haushalt auf der Basis der Steuerschätzungen im Mai. Im Herbst wird es eine neue Steuerprognose geben. Sinken die Steuereinnahmen, erhöht sich unser Defizit.”
Auch 2025 hilft nur der Griff in die Rücklage, um das Minus auszugleichen. Tatsächlich ist das Sparschwein des Landkreises aber keine Gelddruckmaschine. Irgendwann sind die Rücklagen verbraucht.
Im allerbesten Beamtendeutsch heißt es aber zunächst einmal für 2025: “Der Haushalt gilt durch eine Inanspruchnahme der ordentlichen Ergebnisrücklage als ausgeglichen.”
Roger Lewandowski: “Es hat sich ausgezahlt, dass wir in den letzten Jahren eine sehr solide Haushaltsführung hatten. Tatsächlich zahlen wir Ende September die letzte Rate für einen alten Kredit ab. Der Landkreis hat dann keine laufenden Kreditverpflichtungen mehr, man könnte sagen, wir sind schuldenfrei. Das ist ein Moment, um sich zu freuen. Eine gute Botschaft. Eine von wenigen. Zumal viele Landkreise in Deutschland sich freuen würden, so eine Finanzsituation zu haben. Allerdings werden wir ab 2026 über eine neue Kreditaufnahme sprechen müssen. Unsere Rücklagen sind nicht in der Größenordnung vorhanden, um damit etwa einen Schulneubau finanzieren zu können.”
Wird die Kreisumlage angehoben?
Steigende Ausgaben, ein millionenschweres Defizit: Wird nun die Kreisumlage angehoben? Die Bürgermeister und Amtsdirektoren im Havelland hatten durchaus die Befürchtung, dass sie mehr Geld von ihren eigenen Einnahmen an den Landkreis abgeben müssen.
Roger Lewandowski gibt aber Entwarnung: “Wir werden die Kreisumlage bei 42 Prozent halten und sie nicht erhöhen.”
In der Kreisverwaltung sei aber ein noch intensiveres Controlling nötig, um die laufenden Ausgaben im Auge zu behalten. Gesagt wurde auch: Müsste man das Defizit über die Kreisumlage ausgleichen, würde sie auf 46,6 Prozent steigen.”
Roger Lewandowski: “Wir versuchen es zu vermeiden, den Gemeinden und Städten in Zeiten schlechter Wirtschaftslage noch mehr Geld wegzunehmen.”
Bleiben die Freiwilligen Förderprogramme des Landkreises erhalten?
Oft ist es ja so: Muss Geld gespart werden, kommen zunächst einmal die freiwilligen Ausgaben auf den Prüfstand, die man sich gerne gönnt, die aber nicht gesetzlich verbindlich sind.
Im Havelland gibt es da etwa den “Goldenen Plan” zur Unterstützung der Sportvereine, das Feuerwehrprogramm zur besseren Ausstattung der Feuerwehren, das Kreisentwicklungsbudget, das Vereinsförderungsprogramm, das Schulinvestitionsprogramm oder das Ärzteförderungprogramm.
Roger Lewandowski: “Die freiwilligen Ausgaben bleiben auch für 2025 bestehen. Hier möchten wir nichts ändern. Ohnehin betragen alle freiwilligen Leistungen zusammengerechnet nicht mehr als ein Prozent vom Gesamthaushalt.”
Eine Garantie für den Erhalt dieser finanziellen Unterstützungen kann aber zunächst nur für 2025 ausgesprochen werden.
Unsicherheiten noch nicht eingepreist – Schulen und Krankenhaus
Im Haushalt für 2025 sind aber zwei wichtige Ausgaben noch nicht eingepreist.
Dabei geht es zum einen um Investitionen im Bereich Schule. So steht die Aufgabe im Raum, ein neues kreiseigenes Gymnasium zu bauen. Der Kreisbildungsausschuss hat sich bereits auf den Standort Wustermark festgelegt – wegen der guten Bahnanbindung. Ob damit die Erweiterung der Oberschule vom “Schulzentrum Heinz Sielmann” in Elstal zu einer Gesamtschule bis hin zum Abitur vom Tisch ist, wird man abwarten müssen.
Die für den Bau des Gymnasiums anfallenden Kosten werden auf mehrere Haushaltsjahre verteilt. Zunächst fallen Planungskosten an, später die eigentlichen Baukosten.
Elke Nermerich: “Wir verzeichnen auch einen extremen Zuwachs bei der Nachfrage der Eltern nach Plätzen in den Förderschulen.” Die bestehenden Förderschulen sollen einen Anbau erhalten – wo dies möglich ist. Die Förderschule Spektrum mit Schwerpunkt geistige Behinderung in Rathenow soll auf diese Weise gleich um sechs Klassen wachsen.
Roger Lewandowski: “Die Förderschule am Akazienhof in Falkensee haben wir nie offiziell aufgelöst, wir haben nur die Räumlichkeiten vermietet. Wir können sie jederzeit wieder in Betrieb nehmen. Und das tun wir nun. Zu Beginn des nächsten Schuljahres wird die ‘Schule am Akazienhof’ wieder voll genutzt werden.”
Ein weiteres Risiko, das im Haushalt noch gar nicht eingepreist ist, ist die Finanzierung der Havelland Kliniken.
Roger Lewandowski: “Die Wirtschaftsprüfer haben bescheinigt: Die Havelland Kliniken sind finanziell gesund. Das Problem ist die Liquidität, die nötig ist, um laufende Rechnungen zu bezahlen. Hinzu kommt, dass die Energie- und Personalkosten deutlich gestiegen sind, aber nicht im gleichen Maße erstattet werden und dass Ausgaben zur Instandhaltung der eigenen Gebäude im System gar nicht vorgesehen sind. Wir brauchen unbedingt eine Krankenhausreform, die solche Missstände behebt. Denn haben die Kliniken die Liquidität nicht, müssten sie rein formal Insolvenz anmelden. Geld von der Bank bekommen die Kliniken nämlich keines geborgt. Wir im Havelland stellen parteiübergreifend fest: Wir möchten unsere beiden Klinikstandorte erhalten und schützen.”
Um die Havelland Kliniken mit Liquidität auszustatten, wird ein Kniff nach EU-Beihilferecht angewendet. Roger Lewandowski: “Mit einem sogenannten Betreuungsakt kann der Kreistag die Kliniken mit verschiedenen Aufgaben der gesundheitlichen Versorgung beauftragen. Bis zum Jahr 2028 kann der Landkreis den Kliniken in jedem Jahr darüber bis zu 15 Millionen Euro als Liquiditätshilfe zur Verfügung stellen. Die Klinik muss dafür aufzeigen, wie genau sie die Gesundheitsversorgung im Kreis gewährleistet. Wir haben diese Hilfen nun erst einmal für fünf Jahre anvisiert. Der Höchstzeitraum, in dem dieser Betreuungsakt zur Anwendung kommen kann, beträgt zehn Jahre.”
Auch die 15 Millionen Euro für die Havelland Kliniken sind im neuen Haushalt noch nicht eingepreist. Thilo Spychalski, Geschäftsführer der Havelland Kliniken, hat aber im Finanzausschuss des Kreistags bereits vorgetragen, dass die Millionen vom Landkreis tatsächlich benötigt werden.
Wie geht es nun weiter?
Der Entwurf der Havelländischen Kreisverwaltung für den neuen Haushalt 2025 liegt nun öffentlich aus. Die Städte und Gemeinden können noch Einwendungen abgeben. Der Finanzausschuss im Kreistag wird den Haushalt auch noch einmal diskutieren.
Am 9. Dezember kann der Haushaltsentwurf 2025 dann im Kreistag beschlossen werden. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 223 (10/2024).
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