Sternenacht im Falkenseer Hexenhaus: Ein kulinarisches Event von “Unser Havelland”
Um das Jahr 1903 herum baute der Berliner Kaufmann Steinmetz im Falkenseer Ortsteil Finkenkrug im Poetenweg 88 ein ganz einzigartiges Haus. Die Außenwände werden von halben Eichenstämmen mit Rinde verstärkt, es gibt ein Spitzdach mit einem verzierten Giebel und viele kleine Türmchen. Fast sieht das Haus aus, als hätten es die Gebrüder Grimm für ein Märchen erfunden. Kein Wunder, dass es von den Nachbarn bald “Das Hexenhaus” genannt wurde.
Viele Jahre stand es ungenutzt in einem kleinen Wäldchen, bis es im Jahr 2009 von Edmund Becker entdeckt und als Gastronomie (www.hexenhausfalkensee.de) wiederbelebt wurde. Seitdem gibt es vor Ort eine ganz besondere Fusionsküche, die original französische Rezepte mit Zutaten aus der deutschen Nachbarschaft verfeinert. Edmond und sein Team bringen eine hochwertige Wohlfühlküche auf den Teller, die den Gast mit hausgemachten Ravielli mit Morchelrahmsauce, Black-Angus-Braten und gebackenen Miesmuscheln verwöhnt.
Regelmäßig werden vor Ort thematisch gebundene Küchenparties gefeiert, die in der Bevölkerung einen großen Kultstatus genießen.
Edmond: A Night to Shine
Edmund Becker, von seinen Freunden aufgrund seiner französischen Vergangenheit auch “Edmond” genannt, ist das Gesicht vom Hexenhaus. Inzwischen hat er längst das 70. Lebensjahr hinter sich gelassen. Aber den Kochlöffel in die Ecke zu legen – niemals käme ihm das in den Sinn.
Geboren wurde der Koch mit Leidenschaft in Mühlhausen, das liegt in Baden-Württemberg. Koch gelernt hat Edmund in Heidelberg. Anschließend ging es in die weite Welt hinaus; wichtige Stationen waren Restaurants in New York und in Palm Beach.
Die neben Falkensee wohl wichtigste Zeit in seinem Leben verbrachte Edmund Becker an der französischen Côte d’Azur. Hier hatte er im Ort Mougins ein Restaurant oben auf einem Berg, das hieß “À la table d‘Edmond”. Das war ein ganz besonderer Berg, denn hier gab es auch noch 14 weitere Restaurants der absoluten Spitzenklasse. Um sich als Deutscher gegen lauter französische Spitzenköche zu behaupten, muss man sich in der Küche schon etwas einfallen lassen. Edmond: “Zurückblickend war es ein schönes Miteinander, das Verhältnis zwischen uns Köchen war immer sehr gut.”
Nach 14 Jahren vor Ort verkaufte Edmond sein Restaurant und wollte sich eigentlich zur Ruhe setzen. Da erreichte ihn das Angebot, doch ein uriges Objekt im deutschen Falkensee zu übernehmen. Der Rest ist Geschichte.
Der kulinarische “Hexenmeister” sprüht noch immer vor neuen Ideen nur so über. Eine dieser Ideen war am 29. Juni die große Benefiz-Küchenparty “Sterne über Falkensee”, auch “A Night to Shine” genannt. Über 150 Gäste wurden von drei Köchen mit einem 5-Gänge-Menü verwöhnt, um sie so auf eine Vor-Ort-Versteigerung für den guten Zweck einzustimmen.
Die Veranstaltung wurde vom Landkreis-Magazin “Unser Havelland” präsentiert und begleitet.
Kult: Hans-Peter Wodarz
Hans-Peter Wodarz wurde im März 1948 in Wiesbaden geboren. Seine Laufbahn begann zunächst als Page im Wiesbadener Grand Hotel “Rose”, hier machte er auch eine Lehre zum Koch.
Nach verschiedenen Stationen in Deutschland und England kam er als Koch in die von Eckart Witzigmann geführte Küche vom Restaurant “Tantris”. Für Wodarz war die von Witzigmann umgesetzte Küche eine Offenbarung: “Vorher war das meistgenutzte Werkzeug der Köche ja der Dosenöffner.”
1975 eröffnete Hans-Peter Wodarz in München sein erstes eigenes Restaurant: “Die Ente im Lehel”. 1979 führte er es in Wiesbaden als “Die Ente vom Lehel” weiter.
Hans-Peter Wodarz gilt als Erfinder der Erlebnisgastronomie in Deutschland. Er erzählt: “Das war in den 80er Jahren. Wir hatten in unseren Spitzenrestaurants keine Stimmung, es herrschte Totenstille. Das war ein Riesenunterschied zur lauten Lebensfreude der Italiener und Franzosen in ihren Restaurants. Ich bin eines Tages rübergegangen ins hessische Staatstheater. Dem Intendant habe ich gesagt, gib mir am Wochenende doch mal eine Opernsängerin, einen Sänger und einen Schauspieler rüber. Die haben bei mir im Restaurant serviert, gesungen und geschauspielert. Und auf einmal gab es dafür großen Applaus. Wir haben gesagt: Das Schweigen der Schlemmer ist vorbei!”
Die Erlebnisgastronomie wurde ab 1993 in Berlin im Spiegelpalast “Pomp Duck and Circumstance” auf die Spitze getrieben. Heute ist Hans-Peter Wodarz zusammen mit Kolja Kleeberg für die jährliche Inszenierung im Berliner PALAZZO verantwortlich.
Anekdote: Andy Warhol persönlich hat Hans-Peter Wodarz zu seinem berühmten Dessert “Dialog der Früchte” inspiriert. Hier kommen verschiedene Fruchtpürees unterschiedlicher Farbe zum Einsatz, die auf dem Teller miteinander verschliert werden.
Für die Benefiz-Küchenparty in Falkensee bereitete Hans-Peter Wodarz eine mit Ente gefüllte Variante der Hexenhaus-Ravielli an Morchelrahm und mit gehobelter Trüffelperle zu.
Christian Lohse mag’s süß
Christian Lohse wurde im Mai 1967 in Bad Oeynhausen geboren. Dort machte er sein Abitur – und anschließend eine Ausbildung zum Koch in Frankreich. Hier kam er 1987 sofort unter die Fittiche von Jean-Pierre Billoux (2 Sterne) in Dijon. Weitere Stationen waren das Restaurant “Guy Savoy” in Paris und das Restaurant “Charles Barrier” in Tour (jeweils 3 Sterne).
Nach Stationen in Deutschland und in London und einem Engagement als Privatkoch des Sultans von Brunei eröffnete Christian Lohse 1994 sein erstes eigenes Restaurant “Die Windmühle” in Bad Oeynhausen, das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde.
Von Bad Oeynhausen ging es nach Berlin. Christian Lohse wurde zunächst Küchenchef im Restaurant des Hotels “Regent Berlin” am Berliner Gendarmenmarkt. 2008 übernahm er das Restaurant “Fischers Fritz”, das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Ende 2017 schloss er das “Fischers Fritz” allerdings für immer ab.
Christian Lohse war oft und gerne im Fernsehen zu sehen. Mit seinem basslastigen Lachen, einem verschmitzten Schalk im Nacken und seiner Leidenschaft fürs Kochen macht er in vielen Sendungen auf sich aufmerksam, so auch in “The Taste”, “Grill den Henssler”, “Game of Chefs” oder “Die Küchenschlacht”.
Wer selbst einmal wie Christian Lohse kochen möchte, holt sich sein Kochbuch “Lohses Mundwerk – Suppen & Eintöpfe”.
Die Überraschung: Seit kurzer Zeit wohnt Christian Lohse zusammen mit seiner gerade erst geheirateten Frau Rike und den beiden Dackeln Lohsi und Ella in der Gartenstadt Falkensee.
In seinem eigenen Zuhause etabliert er gerade ein ganz neues kulinarisches Format – das Private Dining “Lohses Salon” (www.derlohse.de) für bis zu zehn Personen.
Für “A Night to Shine” hat Christian Lohse das Dessert beigesteuert.
Es ist angerichtet
Die Küchenzeile vom Hexenhaus würde von seinen minimalistischen Ausmaßen her auch in die Kombüse eines kleinen Segelschiffs passen. Trotzdem ist es immer wieder erstaunlich, was vom untersten Geschoss im Hexenhaus aus auf die kulinarische Reise zum Gast geschickt wird.
Wenn drei Spitzenköche ein gemeinsames 5-Gänge-Menü auf die Beine stellen, überdauert selten ein Plan von gestern bis morgen. So kam es, dass das finale Menü der Küchenparty erst kurz vor dem Event seine entgültige Fixierung erleben durfte.
Die Gäste wurden mit einem besonderen “Amuses Bouches” begrüßt – einem Sylter Holzofenbrot und einem dazu perfekt passenden sommerlichen Quark-Meerrettich-Dip.
Edmund Becker ist für seine unfassbar geschmackvolle Bouillabaisse berühmt, in der die ganze Erfahrung seiner Zeit als Koch an der Côte d’Azur steckt und in der Hummer, edle Fische, Muscheln und andere Schalen- und Krustentiere zum Einsatz kommen. Bei der Benefiz-Küchenparty wurde den Gästen eine “Essenz von Bouillabaisse” in einem Glas direkt an den Tisch gebracht. Der Geschmack des Meeres zum genüsslichen Schlürfen.
Weiter ging es, ebenfalls von Edmond zubereitet, mit einer “lauwarmen Tarte vom Loch Duart Lachs“. Der gedämpfte Fisch im Blätterteigmantel zeigte einmal mehr, dass Koch Edmond ein wirkliches Händchen für ein echtes Wohlfühlessen hat. Davon hätte man noch tellerweise nachbestellen können.
Aber es ging ja schon weiter. Hans-Peter Wodarz ist in der Küche sehr eng mit der Ente korrelliert. Er griff einen Klassiker von Edmond auf – die Ravielli – und verwandelte sie in eine gut umgesetzte Wodarz-Variante. So gab es “hausgemachte Raviellis mit Entenfüllung an Morchelrahm mit gehobelter Trüffelperle.”
Wer jetzt noch Hunger und Appetit hatte, freute sich über den Hauptgang aus der Küche. Edmond servierte butterzarte “Irische Rinderbäckchen mit Pfifferlingen in Rotwein-Sauce mit Mini Grenaille Kartoffeln, Buchweizen-Bohnenkernsalat und Cole Slaw“. Wie bei einem Sonntagsbraten kamen große Schüsseln auf den Tisch – jeder konnte sich bedienen.
Das Menü endete mit dem Dessert “Pfirsich Solero“, das Christian Lohse nach einem Rezept seiner Frau Rike umgesetzt hatte. Den halben Abend über hatte der Küchenmeister für das Dessert frische Minze gezupft.
Mit inbegriffen im All-Inclusive-Preis der Benefiz-Küchenparty waren übrigens verschiedene Weine, Wasser und Warsteiner vom Fass.
Zum ersten, zum zweiten…
Als Moderator führte einmal mehr der in Falkensee bereits bestens eingeführte, bekannte und beliebte Dirk Lausch durch den Abend.
Er leitete auch die Versteigerung des Abends ein, die umgehend sehr stark vom Publikum angenommen wurde und zum unterhaltsamen Höhepunkt der Veranstaltung wurde.
Es gab eine ganze Menge äußerst interessante Dinge und auch Event-Teilnahmen, die sich mit dem gut gefüllten Portemonnaie in der Hand ersteigern ließen.
Hans-Peter Wodarz bot einen Logenplatz für sechs Personen zur PALAZZO-Premiere am 9. November an. Sternekoch Christian Lohse versteigerte einen Abend in seinem “Lohses Salon” für vier Personen. Edmond und Hans-Peter Wodarz gaben sich die Ehre für ein Galadinner im Hexenhaus mit sechs Gängen und sechs Weinen – samt ihrer Teilnahme und dem Versprechen, viele Anekdoten beizusteuern. Eine Lesung mit Schauspieler und Synchronsprecher Frank Röth im Hexenhaus für zehn Personen wurde angeboten. Und Edmond lud zehn Personen zu einer Küchenparty in seinem demnächst eröffnenden Potsdamer Restaurant “Zum Starstecher” ein. Hinzu kam auch noch ein Kochkurs mit Edmond im Tipi am Hexenhaus für zehn Personen.
Sehr amüsant war, dass die drei Köche die Angebote spontan noch während der Versteigerung um weitere Bonus-Dienstleistungen erweitert hatten. So pimpte Edmond die Lesung von Frank Röth noch mit einem Essen auf. Und Christian Lohse versprach, zur Küchenparty in Potsdam das Dessert beizusteuern.
So konnten leicht hohe Summen aus den Geldbeuteln der Gäste gezaubert werden – es war ja für den guten Zweck.
Ebenfalls versteigert wurden zwei Karten für die VIP-Lounge der Pyronale 2024 im Berliner Olympiastadion, zwei Originalzeichnungen des Malers Johannes Martini (1866-1935), ein original japanisches Küchenmesser aus der Sammlung von Edmond und die Originalzeichnung “Der Weintrinker” von Lo Graf von Blickensdorf.
Sensationell: Anna Filimonova malte live während der Veranstaltung ein Ölgemälde mit einem Blüten-Stillleben, das ebenfalls noch auf der Küchenparty versteigert wurde.
Auf diese Weise kamen am Ende 10.450 Euro zusammen, die Edmond aus der eigenen Tasche auf glatte 12.000 Euro aufrundete, damit jeder der drei vorab ausgewählten karitativen Einrichtungen 4.000 Euro erhalten konnte.
Musik & Fußball
Für die musikalische Unterhaltung während des Abends sorgte Dr. Lutz Kramer aus Falkensee alias “Long Louis”, der am elektronischen Keyboard für eingängige Blues-Melodien sorgte.
Ebenfalls mit am Start war der Falkenseer Michael O’Connor Kelly. Er brachte einzelne Songs aus seinem Programm “Legends of Music” zum Klingen und sang bekannte Hits aus dem Portfolio von Frank Sinatra, Dean Martin und Elvis Presley.
Viel Zeit blieb nach dem Essen und der Versteigerung aber nicht mehr, denn um 21 Uhr sollte ja das Fußball-Spiel der deutschen Mannschaft gegen Dänemark im Fernsehen starten. Viele Gäste hatten sich im Vorfeld erkundigt, ob es denn vielleicht möglich sei, dieses wichtige Spiel der Fußball-EM auf der Küchenparty zu sehen.
Edmund Becker und sein Team hatten lange über das Thema nachgedacht und dann dem Wunsch der Fußballfreunde nachgegeben. Direkt am Hexenhaus wurde ein überdimensionaler Fernseher aufgestellt, sodass die Fußball-Fans einen guten Blick auf das Spiel hatten. Während es über dem Dortmunder Westfalenstadion ordentlich schüttete – und das Spiel für geraume Zeit unterbrochen werden musste -, blieb es in Falkensee warm und trocken.
Nicht alle Gäste ließen sich für das Kicker-Abenteuer begeistern. Das war aber kein Problem. Man konnte ja an seinen Tischen sitzen bleiben, noch eine letzte Kaffeespezialität genießen und den Abend bei interessanten Gesprächen ausklingen lassen.
So nach und nach leerte sich auch der Hexenhaus-Garten und die ersten Gäste strebten nach einem langen Abend nach Hause. So blieb am Ende nur noch der harte Kern übrig, der sich bestimmt noch lange an die gemütliche Aftershow-Stimmung im Hexenhaus-Garten erinnern wird.
Und während sich die deutschen Fußballer zum Sieg kickten, gab das Küchenteam noch die letzten Portionen Nachtisch aus, die am Ende übrig geblieben waren.
Für den guten Zweck
“Sterne über Falkensee” war letztendlich eine ganz besondere Küchenparty, die ganz unter dem Benefiz-Gedanken stand. “A Night to Shine” bedeutete auch: Sei großzügig, spende ordentlich.
Dieser Aspekt des Abends ist wunderbar gelungen. 12.000 Euro gingen am Ende an die drei karitativen Organisationen, denen der Erlös des Abends letztlich zugute kam. Sehr gut war, dass Vertreter aller drei Vereine selbst vor Ort waren. So konnten sie sich und ihre Arbeit gleich dem interessierten Publikum vorstellen.
So ging das Geld u.a. an den “Gnadenhof & Wildtierrettung Notkleintiere e.V.” (www.wildtierrettung.de) mit Sitz in Oranienburg. Der Verein kümmert sich um Wildtiere, die ohne menschliche Hilfe nicht überleben würden – etwa, weil sie angefahren wurden oder aus dem Nest gefallen sind. Vögel, Eichhörnchen, Füchse, Rehkitze oder Igel bekommen so noch eine Chance. Auf dem Gnadenhof leben alte oder chronisch kranke Tiere.
Kinderauto e.V. (www.kinderauto-ev.de) aus Dortmund macht sich für die Förderung der Erziehung und der Bewegung von benachteiligten Kindern sowie für die Integration von sozial schwachen Kindern stark – und setzt hier auf Sachspenden, vorrangig in Form von Rutscherautos.
Die Babylotsen der Charity (https://babylotsen.charite.de) helfen nach der Geburt eines Kindes dabei, dass die Neugeborenen den bestmöglichen Start ins Leben haben. Sie vermitteln frühzeitig Hilfen, damit Eltern bei Überforderung und in Krisen Unterstützung erfahren. Denn: Im ersten Lebensjahr sterben mehr Kinder infolge von Vernachlässigung und Misshandlung als in jedem späteren Alter. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 221 (8/2024).
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