Adipositaszentrum Nauen: Vor der Magenverkleinerung steht die Ernährungsberatung!
Ein deutliches Übergewicht schränkt nicht nur die eigene Beweglichkeit spürbar ein, sondern löst auch viele Begleiterkrankungen von Diabetes über Depressionen bis hin zum Bluthochdruck aus. Abhilfe kann eine Operation in den Havelland Kliniken schaffen. Doch vor dem minimalinvasiven Eingriff steht im Adipositaszentrum immer erst eine Ernährungsberatung. Mitunter reicht ein Wandel der Essgewohnheiten sogar aus, um ohne Operation zu einem schlankeren Ich zu finden. (ANZEIGE)
Wenn bei Melanie Becker das Telefon im Adipositaszentrum der Havelland Kliniken klingelt, ist oft jemand am anderen Ende der Leitung, der (oder die) an einem deutlichen Übergewicht leidet: “Der eigene Leidensdruck ist dann mitunter über das erträgliche Maß hinaus gestiegen, weil die Nebenerkrankungen plötzlich immer stärker werden und den Alltag spürbar belasten. Mitunter geben auch die sozialen Netzwerke den auslösenden Impuls, etwa, weil andere Menschen positiv davon berichten, wie sie es geschafft haben, sehr viel Gewicht zu verlieren.”
Melanie Becker kümmert sich im Adipositaszentrum als Koordinatorin um die erste Kontaktaufnahme – und leitet alle weiteren Schritte ein: “Sehr viele Patienten sind zwischen 30 und 40 Jahre alt. Früher kamen mehr Frauen zu uns, die Männer haben aber inzwischen nachgezogen. Alle unsere Patienten leiden an einem gefährlichen Übergewicht und suchen nun nach einer Lösung – auch, weil vielleicht eine Verbeamtung ansteht und das mit dem Übergewicht nicht möglich ist. Mitunter werden sie auch direkt von ihrem Hausarzt überwiesen, wenn es heißt, dass es so nicht mehr weitergehen kann.”
Ärztliche Leiterin des Adipositaszentrums ist Carolin Oeder, MBA. Sie führt ein etwa 30-minütiges Erstgespräch mit den neuen Patienten: “Ich möchte gern wissen, was die Menschen dazu bewegt, zu uns zu kommen. Ich frage nach Nebenerkrankungen und nach bereits erfolgten Therapieversuchen. Und ich gehe mit den Patienten unser strukturiertes Vorgehen durch, an dessen Ende nicht zwingend eine Operation steht. Eine magenverkleinernde Operation ist möglich, wenn die Patienten einen BMI über 35 mit Nebenerkrankungen oder einen über 40 ohne Nebenerkrankungen haben.”
Doch bevor eine Operation durchgeführt werden darf, muss jeder Patient zwingend eine sechsmonatige Ernährungsberatung besuchen, die in den Havelland Kliniken von Romy Worschech und Sandra Aland durchgeführt wird. Bei dieser konservativen Methode wird versucht, allein durch eine Änderung der Lebensumstände eine Gewichtsreduktion herbeizuführen.
Romy Worschech: “Bei der Ernährungsberatung setzen wir auf die drei Säulen Ernährung, Bewegung und Verhalten. Wir zeigen auf, wie man durch ein bewussteres Essen, regelmäßige Bewegung und das Vermeiden von bestimmten Verhaltensmustern zu einem gesunden Abnehmen findet. Dazu gehört auch immer eine Verhaltenstherapeutische Einheit. Unsere Teilnehmer können sich entweder für eine Einzel- oder für die Gruppenbetreuung entscheiden. Die Ernährungskurse in der Gruppe finden alle zwei Wochen statt.”
Sandra Aland: “Wir geben grobe Richtlinien vor: Was sind gesunde Kohlenhydrate, Proteine oder Fette? Wie groß sollte eine Essensportion sein? Unsere Patienten müssen auch ein genaues Ernährungsprotokoll schreiben – mit Getränken, weil diese sehr oft viel unnötigen Zucker enthalten. So mancher Patient ist regelrecht erschrocken, wenn er schwarz auf weiß sieht, was er da eigentlich zu sich nimmt. Der große Kardinalfehler ist, morgens gar nichts und abends sehr viel zu essen. Es sollte umgekehrt sein. Manche Patienten haben auch immer etwas zu essen in der Hand. So kommt der Stoffwechsel nicht in Gang und Fett kann nicht verbrannt werden.”
Carolin Oeder: “Unsere Autos pflegen wir, leider aber nicht unseren Körper.”
Nach der sechsmonatigen konservativen Behandlung steht am Ende die Frage im Raum: Wird jetzt die Operation geplant? Haben die Patienten gut abgenommen, ist eine Operation mitunter gar nicht mehr nötig.
Carolin Oeder führt die Operationen durch: “Vor einer Operation benötigen wir immer eine psychiatrische Begutachtung. Eine Essstörung spricht etwa gegen eine Operation, weil wir mit ihr nur die Symptome angehen, nicht aber die Ursache. Hinzu kommt, dass wir vor jeder Operation eine Magenspiegelung durchführen, um so zu überprüfen, ob ein Magengeschwür vorliegt. Nicht, dass wir am Ende den gesunden Teil des Magens entfernen und dafür das Magengeschwür stehen lassen.”
Bei der Operation sind vor allem zwei verschiedene Verfahren möglich: Ein Schlauchmagen entsteht, wenn man den Magen operativ verkleinert, also sozusagen die Aussackung wegnimmt, sodass am Ende nur ein schmaler Schlauch übrig bleibt, der deutlich weniger Fassungsvermögen hat. Bei einem Magenbypass bildet man einen kleineren Vormagen und schaltet durch eine Überbrückung auch einen Teil des Dünndarms aus, sodass dieser weniger Nährstoffe aufnehmen kann.
Spannend ist zu erfahren, dass die so behandelten Patienten nach der Operation gar nicht in erster Linie deswegen abnehmen, weil ihr Magen kleiner geworden ist.
Carolin Oeder: “Wir entfernen bei der Operation spezielle Zellen im Magen, die für den Appetit zuständig sind und Botenstoffe ins Gehirn schicken. Wir entfernen tatsächlich einen Bereich vom Magen, in dem sehr viele dieser Zellen zu finden sind. Wir sind also metabolische Chirurgen.”
Der Eingriff in den Körper wird minimalinvasiv durchgeführt. Die reine OP-Zeit beträgt bei einem Schlauchmagen etwa eine halbe Stunde, bei einem Bypass etwa eine ganze Stunde, wenn alles nach Plan verläuft. Carolin Oeder: “Die stationäre Verweildauer im Krankenhaus beträgt nach der Operation meist drei bis fünf Tage, länger nicht. Unser Ernährungsteam betreut die Patienten auch nach der Operation. Nach 14 Tagen gibt es einen Kontrolltermin, wir schauen aber auch bis zu fünf Jahre nach dem Eingriff noch nach unseren Patienten.”
Wichtig ist es dem ganzen Team, dass alle Maßnahmen immer sehr, sehr individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden. Was bei dem einen bestens funktioniert, kann bei einem anderen schon wieder kontraproduktiv sein.
Carolin Oeder: “Am schönsten ist eigentlich die Nachsorgesprechstunde. Da sieht man bereits die ersten Erfolge und erfährt, wie glücklich die Patienten sind. Wir können die Last nicht von der Seele nehmen, aber wenigstens von den Rippen. Wir reichen eine Hand.”
Übrigens: Fett ist nicht gleich Fett, so Carolin Oeder: “Wir haben durchaus Patienten mit einem Gewicht von 180 Kilo und mehr. Das reine Gewicht hat aber noch nicht viel zu sagen. Es gibt Menschen, die tragen ihr Fett außen, andere tragen es innen. Das innen liegende Fett ist das schädliche, viszerale Fett zwischen den Organen, das hormonaktiv ist und viele Entzündungsprozesse im Körper befeuert. Mit einer speziellen Waage können wir die Fettverteilung ganz genau messen.”
Bekommen wir in Deutschland inzwischen amerikanische Verhältnisse? Caroline Oeder: “60 Prozent der erwachsenen Menschen in Brandenburg sind übergewichtig, Tendenz steigend.”
Sandra Aland: “Tatsächlich ist Indien das neue Amerika. Hier steigt die Rate der Menschen mit Übergewicht ganz besonders deutlich. Immer da, wo die großen Fast-Food-Ketten aufschlagen, folgt sehr schnell das Übergewicht nach. Man kann sagen: Das Übergewicht ist immer da, wo nicht mehr traditionell gekocht wird.”
Carolin Oeder: “Aus dicken Kindern werden leider dicke Erwachsene.”
Tina Voigt unterstützt das Team als “Study Nurse”: “Für eine begleitende Studie erfasse ich die Daten der Patienten, begleite sie auch nach der Operation und halte fest, wie sich Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes verbessern.” (Text/Fotos: CS)
Info: Havelland Kliniken GmbH – Adipositaszentrum, Klinik Nauen, Ketziner Straße 21, 14641 Nauen, Tel.: 03321-42-1569, www.havelland-kliniken.de, www.adipositaszentrum-havelland.de
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 221 (8/2024).
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