Rock’n’Read in Schloss Ribbeck: Lesung mit Martin Semmelrogge
Martin Semmelrogge ist einer der beliebtesten Schauspieler in Deutschland – und viel zu selten auf der Kinoleinwand oder auf der TV-Mattscheibe zu sehen. In Ribbeck konnte man ihn aber am 10. Februar sehen und hören: Der Mann mit der einzigartigen Stimme las mit ordentlich Lausbubencharme aus seinen Büchern – und erzählte unterhaltsame Räuberpistolen aus seiner Vergangenheit.
Im großen Saal auf Schloss Ribbeck war am 10. Februar jeder einzelne Platz besetzt. Ein doch schon älteres Publikum hatte Freude daran, einen Schauspieler live zu erleben, der bereits viele Jahrzehnte lang für ihre Unterhaltung gesorgt hat. Und das sowohl auf der Kinoleinwand als auch im Fernsehen oder im Theater.
Martin Semmelrogge, der zum einzigartigen Cast von Wolfgang Petersens “Das Boot” gehörte und in “Schindlers Liste” von Steven Spielberg einen Nazi spielte, war und ist stets ein Schauspieler, der für Aufsehen sorgt. In zahllosen TV-Krimis und Kinofilmen mimte er gern den Kleinganoven, der mit Schalk im Nacken und einem deftigen Spruch auf den Lippen jede Szene mit Leichtigkeit dominierte.
Neben dem Schauspiel fiel Martin Semmelrogge (“Die Vorstadtkrokodile”) immer auch als unangepasster Freigeist auf, der vor allem an coolen Autos und starken Motoren seinen Spaß hatte. In der Folge gab es jede Menge Ärger mit der Polizei und ganz sicher auch eine Aufnahme in die “Hall of Shame” der Flensburger Verkehrssünder-Kartei. Bei Filmdrehs, auf Auslandsaufenthalten und auch im privaten Umfeld hat Matin Semmelrogge so einiges erlebt. Genug jedenfalls, um ihm so einige Vorstrafen und auch einen Knast-Aufenthalt einzubrocken.
Das Publikum hat ihm seine launigen Eskapaden stets verziehen. Semmelrogge war eben immer der verrückte und unangepasste Freigeist, der es sich noch traute, einmal die Vernunft ziehen zu lassen und über die Stränge zu schlagen – egal, was das für Konsequenzen mit sich bringt.
Weil vieles, was Semmelrogge in seinem Leben erlebt hat, sowohl komische als auch tragische Elemente vereint, hat er die in seinen Augen besten Anekdoten im Buch “Ein wilder Ritt durch 50 Jahre Paragraphistan” zusammengefasst. Das Buch war so erfolgreich, dass es mit “Der wilde Ritt geht weiter” sogar noch eine Fortsetzung gefunden hat.
Von all diesen niedergeschriebenen Anekdoten bekam das Publikum auf Schloss Ribbeck (www.schlossribbeck.de) so einige zu hören. Bei der ersten Veranstaltung des Jahres im Schloss saß Martin Semmelrogge bestens aufgelegt mit einem Bier an einem Tisch und las mit seiner prägnanten Stimme Lausbubengeschichten vor, die viele der anwesenden Zuhörer zum Kichern und Losprusten brachten.
Zu hören war etwa, wie Martin Semmelrogge im zarten Alter von 12 Jahren auf einen Venedig-Trip seines Vaters wartete, um eine erste geheime Ausfahrt mit dem BMW der Familie zu unternehmen: “Ich hatte vorher sogar Karambaöl aufs Garagentor geschmiert, damit man nix hört.” Zusammen ging es tagelang mit einem Kumpel auf motorisierte Trebe, um auf einem Parkplatz das Schleudern und Gegensteuern zu proben oder um auf der Autobahn richtig Gas zu geben: “Vorher sind wir ja nur mal mit dem Trekker gefahren.” Das nötige Kleingeld fürs Benzin wurde auf eine recht kleinkriminelle Art und Weise organisiert: “Wir haben einen Kaugummiautomaten geknackt. Und da wir den Automaten vor Ort nicht aufbekommen haben, haben wir ihn aus dem Zaun gesägt und mitgenommen.”
Doch “auf der Suche nach dem Glück ziehe ich das Unglück magisch an”, sagt Semmelrogge von sich. Und so endete dieser erste Kontakt mit dem PS-Adrenalin schnell in den Fängen der Polizei. Die wurde benachrichtigt, weil es aus dem Auspuff des BMW qualmte – anscheinend hatten die Jungs statt Benzin Diesel getankt. Semmelrogge: “Da habe ich das erste Mal gehört: ‘Hände aufs Dach’. Ich musste meinem Vater anschließend versprechen, mich nie wieder ohne Führerschein an das Steuer eines Autos zu setzen.”
10 Mark Strafe musste Semmelrogge vor Gericht bezahlen. Und einige Stunden in der Verkehrserziehung absitzen.
Trotz der frühen Kopfnuss von Seiten der Behörden: Das PS-Fieber hatte Semmelrogge gepackt und ließ ihn auch nicht mehr los. Fast alle Geschichten, die in Schloss Ribbeck zu hören waren, drehten sich um (zu) schnelle Autos.
Doch ganz egal, ob er in Mexiko mit einem Bier zu viel hinter dem Steuer saß oder in den USA aufs Motorrad stieg, immer ist die Polizei mit dabei: “Ich glaube, Interpol hat ein weltumspannendes Semmelrogge-Radar installiert. Egal, wo ich auf der Welt auch unterwegs bin, die Polizei fährt immer hinter mir her.”
Natürlich: Unterm Strich gesehen ist es gegen das Gesetz, zu schnell mit dem Auto zu fahren. Und als Wiederholungstäter müsste Semmelrogge doch genau wissen, was sich hinter dem Steuer gehört und was nicht. Aber wie er seine Geschichten erzählt, mit Schalk im zwinkernden Auge und auch im Herzen, das ist für das Publikum einfach äußerst unterhaltsam und kurzweilig. Semmelrogge hat auch eine einzigartige Art und Weise, von seinen Sünden zu erzählen. Etwa, wenn er in den USA vor der Autobahnpolizei reißaus nimmt: “Wenn die Polizei hinter einem die Lichter anmacht, soll man anhalten. Aber ich weiß natürlich: Anhalten, das weckt Verachtung im Polizistenherz. Also: Gas geben.”
Das Motto der Lesung hieß “Rock’n’Read”. Natürlich ist das Leben von Martin Semmelrogge reiner Rock’n’Roll. Und tatsächlich hat diese Musik stets auch den Soundtrack seines Lebens mitgeschrieben. Deswegen hatte Semmelrogge mit Hans Rohe einen echten Vollblutmusiker an seiner Seite. Der spielte auf seiner Gitarre Songs wie “Sympathy for the devil”, “Ich will Spaß” oder “Fiesta Mexikana” an, sobald sie in der Lesung erwähnt wurden. Nur bei “Du” von Peter Maffay zierte sich der Musiker ein wenig. Aber was muss, das muss. Die Kombination aus gelesenem Buch und live gespielter Musik kam beim Publikum sehr gut an.
Zum Ende hin erzählte Semmelrogge noch von den Dreharbeiten zu “Das Boot” – und berichtete, wie ein Fotograf und er die Original-Uniformen vom Set geklaut hatten, um so verkleidet in einer französischen Dorfdisco aufzutauchen. Was fast zu einer Massenkeilerei geführt hätte.
Am Ende durften alle Zuhörer, die wollten, noch ein Selfie mit Martin Semmelrogge (www.semmelland.com) machen. Bereitwillig ließ sich der Star in Position bringen. Nur Autogrammkarten hatte er leider keine dabei. Die Havelländer waren aber erfinderisch – und ließen sich die Eintrittskarten signieren. (Text/Fotos: CS)
Exklusivinterview Martin Semmelrogge
Sind Sie heute eigentlich zum ersten Mal im Havelland gewesen?
Martin Semmelrogge: “Das kann sein. Ich kann das so genau nicht sagen. Ich war auf jeden Fall zum ersten Mal im schönen Ribbeck. Das war schön.”
Und wie war der Abend?
Martin Semmelrogge: “Es war fantastisch. Die Lesung war toll, das hat uns sehr viel Spaß gemacht. Wir hatten aber auch ein super Publikum.”
Sie sind einer unserer besten Schauspieler in Deutschland. Warum sieht man Sie nicht viel häufiger im Kino – in großen Filmen, die neben einem guten Drehbuch auch Tiefgang haben? Warum kriegen die Deutschen da nichts auf die Kette?
Martin Semmelrogge: “Das müssen Sie die Verantwortlichen fragen, nicht mich. Den letzten großen Film, den ich gedreht habe, das war 2018 in München – ‘Limbo’. Dann kam die Pandemie. Ich bin ja auch im Ruhestand. Ich mache natürlich gern noch eine Zugabe, wenn es noch einmal etwas Aufregendes zu drehen gibt. Als Schauspieler macht man das ja, solange man noch fit ist und die nötige Energie hat.”
Aber Sie wären bereit dafür?
Martin Semmelrogge: “Klar wäre ich bereit dafür.”
Sie wohnen jetzt auf Mallorca.
Martin Semmelrogge: “Ich wohne schon seit zwanzig Jahren auf Mallorca. Ich kenne das Leben in Deutschland gar nicht mehr. Ich bin zwar hin und wieder zum Arbeiten hier, vor allem, weil ich zurzeit sehr viel Theater spiele. Aber ich könnte es mir nicht mehr vorstellen, in Deutschland zu leben. Das Land ist mir fremd geworden.
Ich vermisse auch nicht sehr viel. Auf Mallorca geht man das Leben sehr entspannt an. Ich lebe sehr gesund und habe deswegen eine sehr gute Energie. Ich kann es mir sehr gut vorstellen, dass ich dank dieser Lebensweise gut und gern zehn Jahre älter werde, als wenn ich in Deutschland geblieben wäre.
Mallorca ist eine ganz tolle Insel, die auch einen internationalen Airport hat. Und Palma ist eine coole Stadt, wir haben sogar ein eigenes Filmfest.”
Amerika, das in Ihren Büchern immer wieder eine Rolle spielt, lässt Sie auch nicht mehr los, oder? Am 5. Oktober ’23 haben Sie während eines Amerika-Urlaubs ihre Partnerin Regine Prause geheiratet.
Martin Semmelrogge: “Ja, Amerika lässt mich nicht mehr los. Amerika ist halt auch faszinierend. Es ist so huge, so groß. Ich fahre da sehr gern Motorrad. Da macht das Harley-Fahren noch richtig Spaß. Das kann man nicht mit Europa vergleichen. Auch der American Way of Life ist etwas ganz Besonderes. Florida, wo wir jetzt auch geheiratet haben, ist besonders schön. Also in New York könnte ich jedenfalls nicht leben, das wäre nicht so mein Ding.”
Zuletzt hat es mit dem RTL-Dschungel-Camp nicht geklappt: Sie durften nicht nach Australien einreisen. Geben Sie dem Reality-TV noch eine weitere Chance? Oder war es das damit?
Martin Semmelrogge: “Da möchte ich jetzt keinen Kommentar abgeben. Das ist auch nicht mein Thema. Da gibt es so viele andere Möglichkeiten im Leben.”
Mit Ihrer markanten Stimme ist doch das Synchronsprechen immer noch ein Thema, oder?
Martin Semmelrogge: “Die Synchronsprecher braucht man ja bald nicht mehr. Das übernimmt ja jetzt die K.I., die Künstliche Intelligenz, heißt es. Wenn jemand meine Stimme hören will, kann er sie gerne buchen. Aber ich bin ja nicht vor Ort in Berlin verfügbar. Die Synchronstudios haben hier ihre eigenen Leute am Start, das ist eine ganz eigene Szene. Ich arbeite aber gerade auf Mallorca an einem Hörbuch.” (Fragen/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 216 (3/2024).
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