Havelland Kliniken: “Ab einem Alter von 50 Jahren entwickelt jeder Zweite einen Bluthochdruck!”
Professor Dr. med. Martin Stockburger (60) ist Internist und Kardiologe. Er leitet die Medizinische Klinik I in den Havelland Kliniken. Sein Hauptaugenmerk liegt in der lebensrettenden Behandlung von Patienten mit einem Herzinfarkt. Am Standort Nauen (www.havelland-kliniken.de) steht seinem Team eine moderne Herzkatheterversorgung zur Verfügung. Passend zum 17. Mai, dem Welthypertonietag, sprach er mit “Unser Havelland” über Bluthochdruck, seine Gefahren und die Notwendigkeit, regelmäßig den eigenen Blutdruck zu messen. (ANZEIGE)
Meine erste Frage: Wie definiert man Bluthochdruck eigentlich?
Prof. Martin Stockburger: “Es ist in der Regel so, dass die peripheren, feinen Arterien einen zu hohen Widerstand bieten. Sie ziehen sich unter dem Einfluss bestimmter Hormone zusammen und leisten dann dauerhaft einen zu hohen Widerstand, gegen den das Herz fortlaufend ankämpfen muss. Das Herz tut das über Jahrzehnte. Und wird darüber krank.
Man sagt, dass der Blutdruck unter 135 zu 85 liegen soll. Wenn man den Blutdruck misst, dann sollte man das mit den passenden automatischen Geräten auch selbst zu Hause tun – am besten nach einer kurzen Ruhephase. In der Arztpraxis fällt der gemessene Wert oft etwas höher aus als Zuhause, weil man doch immer etwas aufgeregt ist.”
Man sagt ja immer, dass man selbst von einem erhöhten Blutdruck gar nichts merkt.
Prof. Martin Stockburger: “Es ist nicht so, dass man bei einem erhöhten Blutdruck nichts merkt. Man bemerkt mitunter einen Druck in der Brust, bekommt schlecht Luft und fühlt sich nicht belastbar. Wir haben viele Patienten, die mit diesen Symptomen zu uns in die Notaufnahme kommen. Er tut nicht immer wirklich weh, aber ein stark erhöhter Blutdruck sorgt schon für eine verminderte Belastbarkeit.”
Insbesondere die Hausärzte sagen, dass der Bluthochdruck eine der häufigsten Diagnosen ist, die sie bei Patienten stellen.
Prof. Martin Stockburger: “Ja, man muss ganz klar sagen, dass ab einem Alter von 50 Jahren etwa die Hälfte der Menschen unter Bluthochdruck leidet. Das hat zum einen sehr viele genetische Gründe, die sich gar nicht beeinflussen lassen. Diese Menschen haben dann ‘einfach so’ einen hohen Blutdruck. Es gibt dafür keine erkennbare Ursache. Das nennen wir Ärzte eine ‘essentielle Hypertonie’. Aber auch ‘einfach so’ bedeutet nicht, dass man den erhöhten Blutdruck so lassen darf. Mit den geeigneten Maßnahmen kann und muss man etwas gegen den hohen Blutdruck tun.”
Ich höre immer, dass ein hoher Blutdruck oft mit Übergewicht einhergeht. Und wenn man abnimmt, normalisiert sich der Blutdruck wieder.
Prof. Martin Stockburger: “Der Blutdruck kann ein kleines Stückchen heruntergehen, wenn man normalgewichtig wird. Ja, das kann gelingen. Sehr häufig kehrt der Blutdruck aber nicht in den normalen Bereich zurück.
Bei einigen Blutdruck-Patienten hilft es, den Salzkonsum einzuschränken oder ein ‘Austauschsalz’ zu verwenden, bei dem ein Teil des Natriumchlorids gegen Kaliumchlorid ersetzt wird. Dafür müssen aber die Nieren gesund sein, das müssen wir vorher überprüfen.”
Jetzt höre ich immer wieder, Bluthochdruck sei auch eine Zivilisationskrankheit. Was sind denn Auslöser, die, wenn ich keine genetische Disposition habe, den Bluthochdruck signifikant erhöhen können?
Prof. Martin Stockburger: “Ja, hier kommt sozusagen der ganze Komplex des sogenannten metabolischen Syndroms zum Tragen. Zu einem erhöhten Blutdruck neigen Menschen, die sich wenig bewegen und die zugleich ein zu hohes Körpergewicht haben. Viele von ihnen sind auch schon Diabetiker oder beginnende Diabetiker. Das gehört zusammen. Hier gehört dann auch der Bluthochdruck mit in den Symptomkomplex hinein. Das ist sozusagen der zivilisatorische Anteil.
Um einem erhöhten Blutdruck vorzubeugen, empfehlen wir Ärzte, sich fünf Mal in der Woche etwa eine dreiviertel Stunde lang so sportlich zu betätigen, dass man in eine Ausdauerbelastung kommt, sich dabei aber noch immer normal unterhalten kann. Das kann ein Spaziergang im schnellen Schritt sein, eine Fahrradtour, regelmäßiges Schwimmen oder aber die Betätigung auf einem Fitnessgerät.”
Was ist denn das Schlimme an einem Bluthochdruck?
Prof. Martin Stockburger: “Ganz generell kann man sagen: Der Bluthochdruck greift die Gefäße an. Und Gefäße haben wir ja in allen Organen. Es können also alle Organe darunter leiden, dass sich die Gefäße durch die hohe mechanische Belastung, diesen hohen Druckpuls, in ihrer Struktur verändern, selber widerständiger werden und vernarben und am Ende auch Einrisse nach innen bekommen. So wird auch Atherosklerose, also die Verkalkung und Verfettung der Gefäße, gefördert.
Die Niere kann da ganz besonders darunter leiden und Schaden nehmen, aber auch die Augen. Hier wird die Netzhaut sehr stark angegriffen. Schäden können aber auch im Gehirn auftreten. Die Schlaganfallhäufigkeit ist bei einem hohen Blutdruck sehr viel höher.
Auch ohne Schlaganfall gibt es hochdrucktypische Veränderungen der kleinen Gefäße im Gehirn, die natürlich auch zu Funktionsschwierigkeiten des Gehirns führen können. Das beginnt bei Gedächtnisstörungen und kann bei alten Menschen auch zu begrenzten epileptischen Anfällen führen.
Was rasch tödlich enden kann, ist die Verletzung der Hauptschlagader, also ein Aufspleißen der Hauptschlagader durch Bluthochdruck, die sogenannte Aortendissektion. Wenn das passiert, dann hat man sehr starke Rückenschmerzen im oberen Bereich und meistens in der Folge ganz viele Durchblutungsstörungen an vielen Körperorganen, die man sehr häufig nicht überleben kann.”
Was kann ich denn gegen einen hohen Blutdruck unternehmen?
Prof. Martin Stockburger: “Sie können sich mehr bewegen, abnehmen und gesünder leben. Das reicht aber häufig nicht aus. Die Regel ist, dass man den Bluthochdruck ohne Medikamente nicht dauerhaft in den Griff bekommt. Die Regel ist auch, dass ein einzelnes Medikament meistens nicht ausreicht. Zum Glück sind die meisten Blutdruckmedikamente subjektiv sehr nebenwirkungsarm. Man merkt gar nicht, dass man sie regelmäßig nimmt.
Die regelmäßige Einnahme ist wichtig. Vielen Menschen fällt das schwer, aber es gelingt auf diese Weise wirklich gut, den Blutdruck wieder in den Normbereich zu versetzen. Man sollte die Tabletteneinnahme ähnlich wie bei der Cholesterinsenkung nicht so bewerten, dass man denkt: Ich bin krank, ich muss jetzt Tabletten nehmen. Sondern man sollte jeden Morgen sozusagen die Idee haben, wie gut, dass es diese Tabletten gibt, die mich vor Schaden bewahren.
Früher, bis zur Jahrtausendwende, war übrigens der Bluthochdruck die häufigste Ursache für eine fortgeschrittene Herzschwäche. Bei der sogenannten Hochdruckherzerkrankung ist das Herz durch diese schwere Arbeit irgendwann überfordert. Diese Hochdruckherzerkrankung sehen wir inzwischen seltener.”
Leiden eigentlich mehr Männer oder mehr Frauen unter Bluthochdruck?
Prof. Martin Stockburger: “Anfänglich sind es eher die Männer, die einen Bluthochdruck entwickeln. Die Frauen holen nach den Wechseljahren aber deutlich auf. Im hohen Alter sind die Frauen sogar führend, das kann aber auch daran liegen, dass die Männer doch deutlich früher sterben als die Frauen.” (Text/Fotos: CS)
Info: Havelland Kliniken GmbH, Ketziner Straße 21, 14641 Nauen, Tel.: 03321-421940, www.havelland-kliniken.de
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 219 (6/2024).
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