Nachgefragt: Große Frostschäden beim Brandenburger Obstbau vernichten die Ernte von Äpfeln & Co!
Das Wetter im April hatte in diesem Jahr starke Auswirkungen auf die Obsternte im Spätsommer. Tatsächlich hat ein Nachtfrost Ende April die jungen Blüten der Obstbäume erfrieren lassen. Der Gartenbauverband Berlin-Brandenburg e.V. beziffert die Schäden – und mahnt finanzielle Hilfe von der Politik an. “Unser Havelland” hat den Hofladen Falkensee und den Obstanbau Lienert um eine Schadenseinschätzung gebeten!
Obstbäume müssen gepflanzt und anschließend regelmäßig beschnitten werden. Ansonsten machen sie aber einfach von selbst “ihr Ding”: Sie lassen Äpfel, Birnen, Kirschen, Pfirsiche oder Mirabellen wachsen, die sich von den Besitzern der Bäume ernten und verkaufen lassen.
In diesem Jahr zeigt ein prüfender Blick auf viele Brandenburger Obstbäume, dass keine einzige Frucht am Stiel hängt.
Das liegt tatsächlich am Wetter im April. Genau in der Zeit, in der die zarten Obstblüten, aus denen sich später die Früchte entwickeln, ganz besonders anfällig gegenüber kalten Temperaturen waren, gab es einen harten Nachtfrost. Bis zu minus sieben Grad Celsius konnten in der Nacht gemessen werden. Das lässt die Blüten erfrieren. Und wo die Blüte einmal abgestorben ist, entwickelt sich im laufenden Jahr auch keine Frucht mehr.
Das massive Absterben der Obstblüten hat zu Ausfällen in der Brandenburger Landwirtschaft von 70 bis zu 100 Prozent geführt, was die Obstbäume anbelangt.
Angesichts der zunehmenden Häufigkeit und Intensität solcher klimatischen Wetterereignisse fordert der Gartenbauverband Berlin-Brandenburg e.V. dringend politische Unterstützung. In einer Pressemitteilung heißt es: “Die Situation für viele Brandenburger Obstbetriebe mit hohem Baumobstanteil ist sehr ernst. Diesen Unternehmen fehlen vollständig ihre Einnahmen, zumal bereits diverse Kosten für den Baumschnitt sowie für erste Düngungen und Pflegemaßnahmen entstanden sind. Hinzu kommen drohende Vertragsstrafen, wenn zuvor ausgehandelte Liefermengen der Obstbetriebe mit dem Handel nicht eingehalten werden können.”
Es heißt, dass einige Apfelbetriebe aus Brandenburg nun 80 bis 95 Prozent weniger Früchte ernten können als in einem vergleichbaren Jahr ohne Frostschäden an der Blüte. Die noch am Baum verbliebenen Früchte hätten außerdem einen frostbedingten “Schorfring” entwickelt und seien so nicht mehr länger als Tafelobst vermarktbar. Weitere Äpfel wurden hingegen mangels Konkurrenz viel besser vom Baum versorgt, sind nun deutlich größer als die Norm und können somit nur noch als Mostobst und damit zu einem deutlich geringeren Preis in den Handel gelangen.
Die Kirschen seien in diesem Jahr von den Staren dezimiert oder durch den vielen Regen zum Platzen gebracht worden. Statt bis zu 14 Tonnen Kirschen haben manche Betriebe nur 180 Kilo geerntet. Bei den Pflaumen spricht man von 50 Prozent Verlust. Aronia und Johannisbeeren sind zu 90 bis 100 Prozent geschädigt.Beim Weinbau bewegen sich die Schäden durch Frost im Bereich von 80 bis 100 Prozent, schreibt der Gartenbauverband Berlin-Brandenburg e.V.
Der Gartenbauverband mahnt an, dass die Politik Maßnahmen ergreifen muss, um den Obstgartenanbau in Brandenburg zu erhalten. Von unbürokratischen finanziellen Soforthilfen ist hier die Rede. Immerhin: Den Brandenburger Obstanbauern wurden bereits sieben Millionen Euro “Entschädigungszahlungen” in Aussicht gestellt. Drei Millionen sollten noch in diesem Jahr, vier Millionen im kommenden Jahr ausbezahlt werden. Zur besseren Einschätzung: Der Schaden durch Frost liegt in Berlin-Brandenburg wohl bei 15 bis 16 Millionen Euro.
“Wir erwarten von allen Entscheidungsträgern, dass diese Zusagen auch noch nach der Landtagswahl gelten”, fordert Dr. Klaus Henschel, Präsident des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg e.V. (www.gartenbau-bb.de). Wichtig sei vorbereitend auf ähnliche Wetterlagen in der Zukunft auch eine langfristige Strategie zur Anpassung des Gartenbaus an die klimatischen Veränderungen, etwa durch die Entwicklung frostresistenter Obstsorten oder innovativer Technologien, die den Schutz der Pflanzen verbessern.
Wie haben sich die Frostschäden denn nun eigentlich im Havelland bemerkbar gemacht? Katrin Kruse vom Hofladen Falkensee (www.hofladen-falkensee.de) gibt Auskunft: “In diesem Jahr haben wir beobachten können, dass die Vegetation sehr früh in die Gänge gekommen ist. Sie war im Vergleich mit den Jahren davor einfach schon zwei Wochen weiter. Deswegen fand auch die Blüte deutlich früher statt. So konnte der Frost, der Ende April zu beobachten war, auch einen so verheerenden Einfluss auf die Blüte haben.”
Ist der Hofladen Falkensee selbst betroffen? Katrin Kruse: “Wir haben bei uns im Betrieb keine Obstbäume, deswegen hat uns der Aprilfrost vergleichsweise wenig getroffen. Bei unserem Beerenobst bemerken wir ein paar Prozent Schaden bei den Heidelbeeren und 10 bis 15 Prozent Schaden bei den Erdbeeren. Das ist zu verkraften.”
Im Hofladen lässt sich aber auch das betroffene Steinobst einkaufen. Wird der Frostverlust hier nun für steigende Preise sorgen? Katrin Kruse: “Das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Wir gehen davon aus, dass das regionale und überhaupt das deutsche Baumobst teurer werden wird – aufgrund des geringeren Angebots. Das sieht man bereits im Kleinen bei den Pflaumen, die sind etwas teurer als im Vorjahr.”
Die Obstplantage Lienert in Priort (Wustermark) wurde vor zehn Jahren von Sylvio und Silvia Lienert gegründet. Auf acht Hektar Fläche stehen die Obstbäume dicht an dicht: Äpfel, Birnen und Kirschen können vor Ort selbst mit dem Eimer in der Hand geerntet werden. Sie lassen sich aber auch im eigenen Hofladen (www.hofladen-lienert.de) einkaufen.
Sylvio Lienert (62): “Das Problem in diesem Jahr war es, dass die Blüten an den Bäumen bereits einen Monat zu früh ausgetrieben haben. Es waren teilweise schon kleine Früchte an den Bäumen, als im April der Nachtfrost mit minus sieben Grad kam. Alles ist erfroren. Bis zum Frost sah es für uns nach einem guten Erntejahr aus. Ende Mai war uns aber klar: In diesem Jahr wird es keine Obsternte geben.”
Laut eigener Aussage hat der Betrieb nun mit einem Verlust von etwa 80.000 Euro zu kämpfen. Tatsächlich hängt an den Zweigen der Apfelbäume nur ganz vereinzelt eine Frucht, bei den empfindlicheren Süß- und Sauer-Kirschen, Pfirsichen, Pflaumen, Birnen und Aprikosen sind gar keine Früchte zu entdecken. Sylvio Lienert: “So einen Totalausfall habe ich bei der Obsternte noch nie gehabt.”
Die einzige Möglichkeit wäre es gewesen, die Blüten während der Frostperiode dauerhaft zu beregnen, damit die Blüten mit Eis überzogen werden, da unter der Eisschicht leichte Plusgrade herrschen. Sylvio Lienert: “Die Kosten für eine solche Beregnungsanlage stehen leider in keinem Verhältnis, sodass sich dieser Aufwand nicht gelohnt hätte.”
Fällt das Selbstpflücken in diesem Jahr also aus? Sylvio Lienert: “Ja. Die Leute kommen zwar, aber ein richtiges Pflücken ist nicht möglich. Alles, was noch an den Obstbäumen hängt, ist zum Naschen vor Ort da. Wir haben aber auch noch Tomaten und Gurken im großen Gewächshaus. Das kann natürlich sehr gern gepflückt werden.”
Wie kompensiert der Hofladen eigentlich diesen Totalausfall? Sylvio Lienert: “Ohne eine zweite Geldquelle wäre kein Weiterbetrieb möglich, wir müssten sofort zumachen. Wir haben aber das Glück, dass wir seit Dezember 1999 noch eine Filmfirma, den Filmservice Lienert, betreiben. Der Filmservice besitzt 50 Trailer und bietet über Toilettenwagen, Wasser, Abwasser bis hin zur Technik alles an, was für einen Dreh benötigt wird. Das kann man mieten.”
Trotz der Ernteeinbußen ist das Paar aber eigentlich immer auf dem Hof anzutreffen – auch, um die neuen Buschtomaten zu hegen, die ab Ende August von den Kunden auf dem Feld gepflückt werden können. Sylvio Lienert: “Normalerweise haben wir auch immer Kindergärten und Behindertengruppen hier vor Ort, die bei uns gratis Steinobst pflücken dürfen. Das ist in diesem Jahr leider nicht möglich. Es tut schon weh, wenn man einem Kindergarten absagen muss.” (Text: CS / Fotos: CS + Patrick Hückstädt)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 222 (9/2024).
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