Kino-Filmkritik: Horizon

Der Wilde Westen. Damals, als Menschen aus allen Ländern der Erde nach Amerika strömten, um voller Hoffnung im unbesiedelten Westen das Glück zu suchen, das war sicherlich so etwas wie das letzte ganz große Abenteuer auf diesem Planeten. Viele große Kinofilme wurden aber rechts und links am Siedlertreck vorbei gedreht.
Meist ging es dabei um strahlende Helden, böse Indianer und den Kaffee am Lagerfeuer. Kevin Costner zeigte uns mit “Der mit dem Wolf tanzt”, dass man Geschichten aus dem Wilden Westen auch tiefschürfender erzählen kann.
Seit Jahrzehnten plant Costner ein gigantisches Epos. Der große Erfolg des modernen Westerns “Yellowstone” als Serie im Steaming-Dienst gab ihm noch einmal ordentlich Rückenwind. Mit kolportierten 38 Millionen Dollar aus eigenen Mitteln dreht Costner sein Lebenswerk “Horizon”. Es soll die Besiedlung des Westens nach 1863 erzählen – in vier Kinofilmen, die jeweils drei Stunden lang sind. Teil 1 und 2 wurden für 100 Millionen Dollar bereits abgedreht.
Das Debut geht nun auch in Deutschland an den Start. Ein geheimnisvolles Flugblatt macht die Runde. Es kündet von der Stadt Horizon im Westen, dort, wo das Gras grüner ist und die Flüsse voller Wasser sind. Doch die Siedler, die vor Ort eintreffen, finden keine Stadt vor, sondern nur die Gräber derjenigen, die es vor ihnen versucht haben.
Der erste Film bringt die Figuren in Stellung und stellt sie und ihre Beweggründe vor. Eine Mutter und ihre Tochter, die einen unmenschlichen Auslöschungsüberfall der Apachen überlebt haben. Die ultrabrutalen Sykes-Brüder, die einer Frau und ihrem Baby auf den Fersen sind. Eine lebenslustige Hure, die einem wortkargen Cowboy über den Weg läuft. Ein unbedarfter Zeichner mit seiner Frau, die beide erst einmal die Regeln des Wilden Westens lernen müssen. Revolverhelden, die Indianerskalps sammeln. Die Blauhemden der Kavallerie, über deren Köpfen der Bürgerkrieg schwebt. Und so viele mehr.
Es braucht seine Zeit, um mit den Figuren vertraut zu werden. Aber tolle Schauspieler wie Sienna Miller, Luke Wilson, Will Patton, Sam Worthington oder Michael Rooker nutzen die Chance, ihre Charaktere mit Leben zu füllen.
Es dauert eine satte Stunde, bis Kevin Costner auftaucht, ganz nach vorn ins Bild reitet, mit ernstem Blick am Publikum vorbeischaut – und weiterreitet. Als wolle er sagen: Folgt mir in dieses Abenteuer oder lasst es bleiben, für mich ist “Horizon” ein Herzensprojekt, das ich mit oder ohne euch umsetze.
Bereits der erste Teil bietet großartige Naturbilder, zeigt eine mehr als halbstündige Indianerschlacht voller unverhüllter Brutalität, macht die tödliche Konsequenz falscher Entscheidungen deutlich und zeigt, dass die Macht stets und ständig in den Händen derjenigen liegt, die sie ausüben.
“Horizon” ist definitiv kein Kinderfilm. Es ist pures Drama ohne Schnörkel, eine großartige Charakterstudie ohne viele Worte. Ein Film, der nachhallt.
Teil 1 ist an den amerikanischen Kinokassen vollständig untergegangen, ein gigantischer Flop. Woran das liegt? Der Film lässt sich Zeit, viel Zeit. Das Erzähltempo ist bedächtig, mitunter schon betulich. Das tut dem Epos sehr gut. Die Erzählweise passt aber nicht mehr in die moderne Social-Media-Zeit, in der alle 30 Sekunden etwas passieren muss, sonst wird bereits das Handy gezückt. Das ist schade, denn ich habe jede einzelne Sekunde genossen, wissend, dass dies ein Kultfilm für die Ewigkeit ist. Aber vielleicht hätte “Horizon” als Serie mit zwölf Einstündern besser funktioniert? Der Film startet am 22. August in den Kinos. (CS / Bilder: Tobis Film)
Fazit: 5 von 5 Sternen (FSK noch offen)
Spieldauer: 181 Minuten
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=pLDpWmxHS2Q
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 221 (8/2024).
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