Graffiti vom Feinsten: Am Dallgower Bahnhof gibt es ein ganz neues Tunnel-Feeling!
Wenn es in einer Stadt oder einer Gemeinde einen Ort gibt, an dem sich niemand so richtig wohl und sicher fühlt, dann ist dies meist die Bahnhofunterführung. Lange Meter im Schummerlicht, an den Wänden Aufkleber und hingeschmierte Tags: Schön ist anders. In Dallgow-Döberitz haben junge Graffiti-Künstler die Initiative übernommen und ihrem Bahnhofstunnel in einer ehrenamtlichen Kraftanstrengung ein ganz neues, freundliches Gesicht gegeben.
Im Bahnhofstunnel von Dallgow-Döberitz (und auch drumherum) sah es in den letzten Jahren wirklich schlimm aus. Vor allem in der unterirdischen Tunnelpassage, über die man zu den Gleisen gelangt, bestimmten mit der Farbdose gesprühte Buchstaben-Tags namenloser Heranwachsender das trostlose Schmuddelbild.
In dieser Kulisse, die zusätzlich auch noch von viel zu wenig Licht angestrahlt wurde, fühlte sich niemand wohl. Der Bahnhofstunnel war demnach nicht gerade das optische Aushängeschild der Gemeinde. Das weiß auch Bürgermeister Sven Richter: “Das Bild, das die Bahnhofunterführung den Bürgern vermittelt hat, war schon wirklich unterirdisch und von einem einladenden, hübschen Ambiente weit entfernt. Auch im politischen Dunstkreis ist der Tunnelbereich schon immer ein vieldiskutiertes Thema gewesen. Er zeigte ja nicht das, was Graffiti-Kunst eigentlich ausmacht, sondern nur ein paar hingeschmierte Tags. Diese schmuddelige Ansicht gibt aber den Leuten, die den Tunnel nutzen, ein blödes und tatsächlich auch unsicheres Gefühl.”
In Dallgow-Döberitz kam es nun aber zu einer höchst ungewöhnlichen und bemerkenswerten Aktion. Junge Graffiti-Künstler aus der Region kamen von sich aus auf die Gemeinde zu und boten auf ehrenamtlicher Ebene ihre Hilfe dabei an, den Tunnelbereich vom Bahnhof komplett neu zu gestalten – mit freundlichen und farbenfrohen Wandgemälden.
Sven Richter: “Zwei Künstler kamen schon im Herbst letzten Jahres auf uns zu und fragten nach, ob sie denn nicht unseren Bahnhof ein wenig aufmöbeln könnten. Ich fand dies eine großartige Idee.”
Die Gemeinde hat in der Folge 30.000 Euro in die Hand genommen, um den gesamten Tunnelbereich der Bahnunterführung komplett zu reinigen und somit für die neue Bemalung vorzubereiten.
Sven Richter: “Da ging es darum, die alte Farbe von den Wänden herunterzubekommen. Hinzu kamen noch einmal 10.000 Euro für die neue Farbe. Die Kosten wurden vom Hauptausschuss der Gemeindevertretung genehmigt. Das war gar kein Thema, das ging völlig unproblematisch durch, weil alle Beteiligten wissen, wie schlimm es am Bahnhof ausgesehen hat. Wir hätten gern auch den Bereich außerhalb der Tunnel gereinigt und schick gemacht, aber dafür hätte – etwa beim ‘Holzhäuschen’ – das Geld nicht mehr gereicht. Oben ist auch größtenteils Bahngelände, da haben wir keine Handlungsbefugnis.”
Die Graffiti-Künstler aus Dallgow-Döberitz und Umgebung haben von Mitte Juni bis in den Juli hinein mitunter Tag und Nacht im Bahnhofstunnel zugebracht, um neue Motive an die Wand zu bringen. HAPPY, HALLO und HOPE prangen nun in bunten Buchstaben blumenumkräuselt an den hellen Wänden, hinzu kommt ein meterlanges DALLGOW DÖBERITZ samt Wappen. Und ein fröhlich zuwinkendes HAVE A NICE DAY.
Die hellen und bunten Farben, die positive Symbolik, die neue Freundlichkeit der Gestaltung – das macht tatsächlich etwas mit den Menschen beim Durchlaufen der Passage.
Hat die Gemeinde eigentlich Einfluss auf die Motivauswahl gehabt? Sven Richter: “Wir haben einen Konzeptentwurf vorgelegt bekommen. Das sah aber alles schon sehr gut aus. Wir haben dann gesagt: Macht mal. Es gab keine weiteren Vorgaben. Wir haben gesagt: Ihr könnt machen, schalten und walten, wie ihr wollt. Das macht das Ergebnis nur um so authentischer.”
Basti aus Falkensee war einer der verantwortlichen Sprayer vor Ort: “Wir haben das Projekt Tunnelneugestaltung selbst vorgeschlagen – und das hat auch einen Grund. Die Fahrradrampe am Ende des Tunnels ist für uns eine ‘legale Wand’. Hier dürfen wir die Wände mit unseren Graffiti besprühen, dafür hat sich damals auch schon der Streetworker Frank stark gemacht. Es gab aber immer die eiserne Regel für uns. Und die hieß: Dafür bleibt aber der Tunnel sauber. Das hat nicht immer funktioniert. Frank hat dann aber mitunter selbst zusammen mit den verantwortlichen Jugendlichen den Tunnel wieder gereinigt. Seit Frank allerdings in Rente ist, konnten wir zusehen, wie der Tunnel nach und nach vollgeschmiert wurde, von oben bis unten. Wir haben gespürt: Hier brodelt es im Bahnhofsbereich, hier ist eine ganz neue Generation an Sprayern aktiv, die die alten Absprachen nicht kennt. Wir dachten, bevor uns die Gemeinde verärgert die legale Wand dichtmacht, machen wir lieber selbst den ersten Schritt, und schlagen ihr die komplette Neugestaltung des Tunnels vor. Wir wollten eine positive Message schaffen und den Menschen, die hier ankommen, ein gutes Gefühl mit auf den Weg geben.”
Tobias aus Dallgow-Döberitz: “Wir waren so sechs, sieben Leute aus der Szene, die sich hier vor Ort engagiert haben. Alle Wandbilder sind freihand entstanden, ohne Schablone. Sollte etwas übersprüht werden, reparieren wir es wieder. Wir wohnen ja hier – und haben ein Auge drauf. Das Feedback der Leute, die uns auch schon oft direkt bei der Arbeit angesprochen haben, gibt uns ein positives Gefühl.”
Ist denn im Tunnel noch mehr geplant? Sven Richter: “Wir möchten gern noch ein paar neue Lampen einbauen, damit der ganze Tunnel als solcher noch ein bisschen heller wird. Die Aktion hat in den sozialen Netzwerken ein tolles Feedback hervorgerufen, das ist verdammt gut angekommen. Nun hoffen wir, dass uns die neue Gestaltung möglichst lange erhalten bleibt.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 221 (8/2024).
Seitenabrufe seit 23.07.2024:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige