Kino-Filmkritik: Liebesbriefe aus Nizza

“Liebesbriefe aus Nizza” ist endlich einmal ein Film nicht für die ganze Familie samt Kindern, sondern vorrangig für die Senioren und älteren Semester unter uns. Die süffisante Sommerkomödie von Ivan Calbérac (“Frühstück bei Monsieur Henri”) nimmt uns mit auf eine ganz besondere Liebesreise, eine “Revanche à trois”.
Der längst seinen Ruhestand genießende General François Marsault (André Dussollier) glaubt, alles im Griff zu haben. Mit seiner Gattin Annie (Sabine Azéma) ist er seit 50 Jahren verheiratet, die drei erwachsenen Kinder kommen regelmäßig zum militärisch durchgeplanten Essen vorbei.
Doch dann gerät das Leben des Generals komplett aus den Fugen. Beim Aufräumen des Dachbodens findet er einen Stapel Liebesbriefe. Das Problem: Die Briefe, in denen wortreich über den “vibrierenden Venushügel” seiner Frau Annie fabuliert wird, sind 40 Jahre alt. Das Paar ist aber schon seit 50 Jahren zusammen! Der gehörnte François rastet völlig aus, vor allem, da Annie den Seitensprung schulterzuckend als Bagatelle und “verjährt” abtut. Wutentbrannt fährt er zusammen mit Annie nach Nizza, um seine verletzte Männerseele zu reparieren – indem er seinem Nebenbuhler Boris (Thierry Lhermitte) mit 40 Jahren Verspätung die Fresse poliert.
Aber wie es so ist im wahren Leben: Alles läuft anders als geplant. Der Nebenbuhler aus der Vergangenheit hat den Schwarzen Gürtel in Karate und lädt den pöbelnden General erst einmal lecker zum Essen ein. Nebenbei bekommt das gehörnte Familienoberhaupt auch noch Einblicke in das Leben seiner eigenen Kinder, die für große Überraschungen sorgen.
“Liebesbriefe aus Nizza” ist ein herrlicher Film über das Leben, der deutlich zeigt, dass die Liebe und ein gewisses Kribbeln in den unteren Körperregionen auch jenseits der Lebensmitte noch durchaus ein Thema sein können.
Ivan Calbérac inszeniert seinen Film völlig unaufgeregt, dafür aber geswingt, polternd und romantisch, mit unerwarteten Wendungen, komödiantischem Talent und der klaren Aufforderung, das Leben einfach so zu nehmen, wie es nun einmal gerade kommt. Die vielen kleinen und großen Katastrophen, die weniger die lebenslustige Annie, als vielmehr der verbohrte General zu erdulden haben, lassen die Zuschauer vergnügt in ihren Kinositzen giggeln. Ach, wie schön wäre es doch, diesen Film im Kino mit einer Flasche Rotwein zu genießen.
Es ist immer wieder toll zu sehen, dass die Franzosen ein ganz besonderes Talent für leichte Komödien haben, die das Leben feiern und am Ende alle dazu bringen, über die Peinlichkeiten des Alltags zu schmunzeln. Und jeder mag am Ende selbst überlegen, wie man reagieren würde, wenn der eigene Partner einem eine kurze Liebschaft verschwiegen hätte, diese aber schon Jahrzehnte her ist?
Wie der alte General seine alten Beziehungen zum Geheimdienst wieder aufleben lässt, um den Casanova von einst an der Riviera aufzuspüren, das ist einfach herrlich. Und so viel darf verraten werden: Auch in der Vergangenheit von François Marsault wird noch nach Kräften gebohrt.
Der Film kommt erst am 1. August ins Kino, ein klein wenig muss man sich also noch gedulden. Ein echter Knaller ist übrigens die Schlusspointe vom Film, die man so nicht erwartet hätte. Klasse.(CS / Bilder: Neue Visionen)
Fazit: 4,5 von 5 Sternen (FSK 12)
Spieldauer: 95 Minuten
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=LFWZTHg2Bug
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 220 (7/2024).
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