Ribbecker Schlossfestspiele spielen 2024 das Stück “Extrawurst”: Darf die Moslemwurst auf den Schweinegrill?

Oh mein Gott, darf man DAS wirklich so offen sagen?! Was sich die Mitglieder eines Tennisclubs im Theaterstück “Extrawurst” gegenseitig an den Kopf werfen, sorgt dafür, dass die Zuschauer ebenso schockiert wie verwundert die Augen aufreißen. Dabei schauen sie sich um, ob denn wohl andere Zuschauer empört den Platz verlassen. Die neue Aufführung der “Schlossfestspiele Ribbeck” feierte am 5. Juli Premiere – wie immer im Garten von Schloss Ribbeck.
Regisseur und Intendant Claus Stahnke brachte hier die reine demokratische Streitkultur auf die Bühne. Und lachen musste man am Ende doch!
Darum geht’s: Im Tennisclub “Grün-Weiß Paulinenaue” sind alle offiziellen Punkte der Mitgliederversammlung abgehakt, nur ein einzelnes Thema steht noch auf der Agenda. Unter dem Punkt “Sonstiges” soll die Anschaffung eines neuen Grills beschlossen werden.
Der zweite Vorsitzende Matthias Scholz (Conrad Waligura) hat sich richtig ins Zeug gelegt. Er stellt den neuen Grill XQ 3010 vor. Der verzichtet auf Kohle, lässt umweltfreundliches Gas zischen und schafft es, deutlich mehr Würstchen auf einmal zu bräunen als der ungeliebte Vorgänger: “Der ist ja nur noch Schrott.”
Der erste Vorsitzende Dr. Heribert Bräsemann (André Vetters) ist geneigt, die Anschaffung schnell durchzuwinken, als von der Vereins-Doppelmeisterin Melanie Pfaff (Héléna Servais) die Frage aufkommt, was denn eigentlich ihr Spielpartner Erol (Cengiz B’Yasin) bei den Festen machen soll. Als Moslem darf er ja seine türkische Knoblauchwurst nicht neben eine deutsche Schweinewurst legen.
Über diese heikle Frage redet sich das gesamte Ensemble schnell in Rage – auch Melanies Mann Torsten (Maximilian Hintz), der eh der Meinung ist, dass sich die Doppelpartner nach jedem Sieg ein bisschen zu lange umarmen. Schon bald fallen im Sportverein (zu deren schweigenden Mitgliedern sich das Publikum zählen darf) Worte, die man so nicht mehr zurücknehmen kann. Ob man denn nicht in zwei Lagen grillen könne? Nein, das geht nicht, da der von den Würsten ausströmende “Schweinedunst” alle muslimischen Würste im Umfeld sofort kontaminieren würde.
Vorsichtig werden auf dem Podium konstruktive Lösungsvorschläge herbeifantasiert. Ob denn nicht ein zweiter Grill das Problem lösen könnte? Der erste Vorsitzende hätte noch einen winzigen und nie benutzten Elektrogrill auf dem Dachboden zu liegen. Aber Erol will nichts geschenkt, zumal er doch Zuhause selbst schon das Folgemodell zum XQ 3010 besitzen würde. Und überhaupt habe er es gar nicht selbst so sehr mit dem Schweinefleisch, eher seine angeheiratete deutsche Frau, die zum Islam konvertiert ist und die Regeln eben besonders hart auslegen würde. DAS geht ja so nun gar nicht im brandenburgischen Paulinenaue: “Wir stellen ja auch keine Ballmaschine in eure Moschee.”
Der Kampf der Argumente schwappt schnell in alle Richtungen über: Was ist denn dann mit den Vegetariern und Veganern im Verein? Dr. Heribert Bräsemann: “Dann kaufen wir für jede Gruppe einen eigenen Grill. Und für die Fruktarier stellen wir den Grill unter einen Baum und warten, bis eine Birne runterfällt.”
“Extrawurst” wurde 2019 von den bekannten Comedy-Autoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob geschrieben, die bereits bei Fernsehformaten wie “Die Wochenshow”, “Ladykracher”, “Das Amt” oder “Stromberg” mitgemischt haben. Ihre Komödie hat Tempo, viel bissigen Humor, krasse Pointen und einen ganzen Sack voller Phrasen, die man “so eigentlich nicht mehr sagen darf”. Das Stück wird umso krasser, als plötzlich auch der muslimische Tennisspieler damit beginnt, seine eigenen rassistischen Sprüche auszupacken.
Regisseur Claus Stahnke, der “Extrawurst” in diesem Jahr im Rahmen seiner “Schlossfestspiele Ribbeck” (www.schlossfestspiele-ribbeck.de) auf die Bühne bringt: “Es geht natürlich um Integration und auch darum, wie gehe ich mit Worten um. Auf die Reaktionen aus dem Publikum waren wir sehr gespannt. Wir laden immer das Dorf Ribbeck zur Generalprobe ein – und die Zuschauer, die gar nicht wussten, was sie erwartet, waren begeistert. Sie hatten aber anschließend alle auch ein bisschen Fragezeichen in den Augen.”
Nauens Bürgermeister Manuel Meger war zum allerersten Mal bei einer Aufführung der Theatertruppe mit dabei – und zeigte sich am Ende sehr angetan: “Genau so ein Stück brauchen wir in unserer aktuellen Zeit.”
Die “Schlossfestspiele Ribbeck” haben 2014 ihr erstes Stück im Freien vor der Kulisse von Schloss Ribbeck gespielt. Damals wurde “Effi Briest” aufgeführt – nach Theodor Fontane. Es folgten Stücke wie “Romeo & Julia”, “Die Drei Musketiere” und “Robin Hood – die Legende lebt”, letztere übrigens mit Pferden, die durch den Schlossgarten geritten kamen, und mit klirrenden Degen. 2022 wurde mit viel nackten Männerhintern die Komödie “Ladies Night – Ganz oder gar nicht” inszeniert. 2023 folgte das Kammerstück “Kunst” von Yasmina Reza.
“Extrawurst” wurde in Ribbeck an sechs Abenden (5., 6., 7., 12., 13. und 14. Juli) gespielt. Anschließend geht das Stück mit dem neuen Ensemble auf große Tournee. Gespielt wird in diesem Sommer u.a. auf der Burg Friedland, in der Stadtpfarrkirche Müncheberg, im Kulturzentrum Rathenow, in der Kulturscheune Paretz, im Klostergarten Kyritz und auf der Volksbühne Luckenwalde.
Nach den historischen Stücken, die das Schloss Ribbeck perfekt als Kulisse integrieren konnten, waren die letzten Stücke der Schlossfestspiele Ribbeck doch alle etwas moderner. Wird das so bleiben?
Claus Stahnke: “Ich wollte gern zwei, drei heutige Stücke machen. Im nächsten Jahr werden wir das Schloss wieder mehr integrieren. Das ist ja immer unsere Hauptkulisse gewesen. Welches Stück wir spielen werden, verrate ich an dieser Stelle aber noch nicht.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 221 (8/2024).
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