Scheibes Glosse: Sammelsucht
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie aufgeräumt die Wohnungen anderer Menschen aussehen können. Ja, was ist denn mit denen nicht in Ordnung? Sammeln die denn gar nichts? Wie kommen diese Leute nur durch den Tag? Bei mir sieht das ganz anders aus. Ich sammle alles, was nicht bei Drei auf dem Baum ist. Meine Frau fragt, ob ich dabei nicht längst den Überblick verloren habe. Ach, was!
Es gibt Wohnungen, die sehen für mich so aus, als würde da tatsächlich niemand leben. Sie sind so klinisch leer und sauber. Da liegt vielleicht ein einzelnes Modemagazin auf dem Wohnzimmertisch. Und auf einem winzigen Regalbrett, das an die Wand geschraubt wurde, stehen drei “Lieblingsbücher”. Wo ist denn da der Rest, frage ich mich immer.
Mit etwas Glück stoße ich auf eine andere Person, die mir ein klein wenig verwandt im Geist ist – und wenigstens irgendetwas sammelt. Frauen sammeln besonders gern Eulen oder Schildkröten in allen Variationen, bei Männern sind es oft Superhelden-Figuren oder aber die limitierten Fan-Schals passend zum Lieblings-Fußball-Verein.
Bei mir ist das ganz anders. Ich habe einen besonders ausgeprägten Sammeltrieb. Habe ich zwei Dinge in den Fingern, suche ich bereits nach Nummer drei, um eine neue Kollektion zu beginnen. Was als Kind mit Bierdeckeln, Kronkorken und Apothekennotdienstplänen begonnen hat, hat auch im gesetzten Alter noch lange keinen Dämpfer erfahren.
Meine Frau möchte nur allzu gern einen Container bestellen, um all den unnützen Schund zu entsorgen. Und die Kinder sind alles andere als froh, wenn sie hören, dass sie das alles einmal erben werden. Letztens fragte meine Frau wieder einmal entnervt, ob ich denn selbst noch wüsste, was ich denn da alles sammele.
Aber na klar. Seit meiner frühesten Jugend sammele ich Heftromane. Die Science-Fiction-Serie “Maddrax” habe ich vollständig, aktuell sind das 632 Bände. “Professor Zamorra” ist ab Band 500 komplett, zurzeit sind wir bei Band 1301. Aber auch “Lassiter”, “Dorian Hunter”, “Die UFO-Akten” und die “Gespenster-Krimis” stehen bei mir im Schrank. Kultserien meiner Jugend wie die “Terranauten”, “Mythor” oder “Butler Parker” habe ich während der Corona-Pandemie auf eBay nach-ersteigert.
“Bedrucktes Papier”, nennt das meine Mitarbeiterin Anni immer mit Unverständnis in der Stimme. Wenn sie wüsste, dass meine vollständige Die-Spinne-Comicsammlung aus dem Condor-Verlag bei eBay bereits für bis zu 2.000 Euro gehandelt wird. Tjaha, Sammeln kann auch eine Wertanlage sein.
Zugegeben, das ist bei meinen anderen Sammelfeldern nicht der Fall. Aus dem Urlaub bringe ich mir immer eine kleine Glasflasche mit Sand vom Strand mit. Ich sammele kitschige Shot-Gläser aus fernen Städten, die ich besucht habe. Aus jedem Urlaub versuche ich, mir ein neues Baseball-Cap mitzubringen.
Ich muss zugeben, Sammeln beruhigt mich. Es erdet mich, bringt mich wieder runter und macht mich ausgeglichen, wenn ich meine Sammlungen betrachte.
Ich liebe es auch, wenn ich beim ganz normalen Einkaufen im Supermarkt irgendetwas finde, was meinen Sammeltrieb anheizt, sodass ich ein wenig Kribbeln in der Magengegend habe, wenn ich den Wocheneinkauf erledige. Zurzeit habe ich mich hier auf die bunten Büchsen der Sondereditionen von Red Bull eingeschossen. Hier gibt es ja bereits eine sammelwürdige Auswahl an verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen. Aber wie schnell klopfte mein Herz, als ich herausfand, dass es auch noch saisonale Sonderausgaben gibt! Nach der rosafarbenen “Spring Edition” mit der Geschmacksrichtung Waldbeere kam gerade erst die lindgrüne “Summer Edition” mit der Geschmacksnote Curuba-Holunterblüte heraus. Klasse. Wird gleich gekauft. Und ab in die Sammlung damit.
Kann man noch mehr sammeln? Klar. Etwa 2-Euro-Stücke mit unterschiedlichen Rückseiten. Visitenkarten von allen Leuten, die mich im Büro besucht haben. Bemalte Steine, die ich am Wegesrand gefunden habe. Muscheln aus dem Urlaub. Schwarze 100er-Chips aus den Casinos dieser Welt. Sämtliche Presse-Eintrittskarten zu allen Events, die ich je besucht habe. Seit neuestem auch die gebrandeten Glühweingläser der Weihnachtsmärkte. Und natürlich seltene Whisky-Abfüllungen. Und leckere Rum-Sorten.
Trotz allem: Ich wäre noch offen für weitere, neue Sammelgebiete. Ich fühle mich noch längst nicht ausgelastet. Meine Frau verdreht da nur noch die Augen. Und die Kinder fragen, ob sie ein Erbe auch ablehnen können. Nur mein Freund Hoschi zeigt Verständnis. Er hat in seinem Haus einen eigenen Kellerraum nur für seinen Sammelkram. Vor allem Würfel haben es ihm angetan, er hat sicherlich Tausende davon. Warum können nicht alle so sein wie mein Kumpel Hoschi? Wer sammelt, kann einfach kein böser Mensch sein. (CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 218 (5/2024).
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