Wir wollen helfen im Landkreis Havelland: 1. Tag des Bevölkerungsschutzes in Friesack mit großer Fahrzeugshow!
Im eigenen Haus und im Garten ist jeder Havelländer selbst dafür verantwortlich, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit kein Feuer ausbricht und kein Wasserschaden droht. In einem viel größeren Maßstab hält der Landkreis Havelland mit seinem Bevölkerungsschutz seine schützende Hand über die Menschen. Die Aufgabe ist es hier, potenzielle Gefahrenlagen im Vorfeld zu erahnen, um im Ernstfall schnell und gut vorbereitet darauf reagieren zu können. Am 11. Mai fand in Friesack der “1. Tag des Bevölkerungsschutzes” statt. Zahlreiche Akteure aus dem Landkreis präsentierten ihre Fahrzeuge, die Ausrüstung und das eigene Know-how.
Für den Bevölkerungsschutz ist es ein guter Tag, wenn einfach einmal gar nichts passiert. Keine Nachrichten sind in diesem Umfeld stets gute Nachrichten.
Das bedeutet aber nicht, dass man nicht vorbereitet sein muss. Krisenlagen entstehen meist sehr schnell und erfordern unmittelbar stattfindende Aktionen. Da ist es von größter Wichtigkeit, dass man sich bereits im Vorfeld Gedanken darüber gemacht hat, wer was wie tun muss. Um genau diese Gedankenexperimente kümmert sich der Bevölkerungsschutz im Landkreis Havelland.
Wie der Bevölkerungsschutz funktioniert, welche Akteure daran beteiligt sind und welche Gefahrenlagen abgedeckt werden, darüber durften sich neugierige Besucher am 11. Mai beim “1. Tag des Bevölkerungsschutzes” selbst vor Ort informieren – von 10 bis 16 Uhr im “Feuerwehrtechnischen Zentrum” (FTZ) in Friesack.
Landrat Roger Lewandowski sagte: “Der Bevölkerungsschutz geht uns alle an und funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Das gilt für den Landkreis selbst und die Möglichkeiten, die wir haben. Es gilt aber auch für die Freiwilligen Feuerwehren, die Bundeswehr, die Polizei, das THW und die verschiedenen Hilfs- und Blaulichtorganisationen. Sie alle wirken ja zusammen im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz. Am Tag des Bevölkerungsschutzes zeigten sie sehr anschaulich, was wir für Möglichkeiten haben, wenn es einmal ernst wird.”
Auf die Besucher wartete eine in diesem Umfang zuvor noch nie gesehene Parade modernster Spezial-Einsatzfahrzeuge, die sich aus nächster Nähe bestaunen ließen. Da gab es Löschpanzer und Löschroboter, Sondertechnik der Bundeswehr, einen Dekontaminations-LKW, CBRN-Fahrzeuge zur Abwehr und Erkundung von chemischen, biologischen, radioaktiven und nuklearen Gefahren, Krankentransportfahrzeuge, mobile Einsatzleitwagen für den Katastrophenschutz und vieles mehr, was rollend Technik, Know-how, Telekommunikation und Diagnostik an den Einsatzort bringt, um hier Hochwasser, Waldbrände, Pandemien, Tierseuchen oder Stromausfälle zu bekämpfen.
Michael Koch ist Beigeordneter und Dezernent im Landkreis Havelland und darüber hinaus direkt verantwortlich für den Katastrophenschutz (www.meinhvl.de): “Ganz egal, ob es um die afrikanische Schweinepest oder um einen lang anhaltenden Stromausfall geht – wir stellen für alle Eventualitäten Szenarien auf, auf die wir uns vorbereiten müssen. Dafür werden Katastrophenschutzpläne erstellt. Im Zuge der Corona-Pandemie haben wir sehr viel dazugelernt, was gesundheitliche Gefahrenlagen anbelangt. Hier in Friesack tagt der Katastrophenschutzstab. In einer Gefahrensituation leitet dieser Stab die Geschäfte und trifft die Entscheidungen.”
Ein Beispiel für die Vorbereitung auf eine mögliche Gefahrenlage ist die afrikanische Schweinepest. Hier wurden Zaunsysteme für zahllose Kilometer angeschafft und eingelagert, damit sich im Ernstfall eine physikalische Barriere errichten lässt, um infizierte Wildschweine aus dem Havelland fernzuhalten. Michael Koch: “Hier hatten wir bislang Glück, dass auch das Land Maßnahmen ergriffen hat, um die Einwanderung der Schweinepest bereits an der Oder so zu begrenzen, dass nur noch die naheliegenden Landkreise betroffen sind. Die Gefahr einer Sprungübertragung besteht aber immer noch, sodass wir weiterhin auf diesen Ernstfall vorbereitet sind. Wir haben gute Vorsorge getroffen – und sind im Fall eines Falles sofort handlungsfähig.”
Nun gibt es nicht weit von Deutschland entfernt einen Krieg in der Ukraine. Muss der Bevölkerungsschutz nun auch das Szenario “Krieg” wieder in seine vorbereitende Planung aufnehmen? Michael Koch: “Der Bevölkerungsschutz ist der Überbegriff für den Katastrophenschutz und den Zivilschutz. Der Kriegsfall betrifft den Zivilschutz. Und ja, da machen wir uns zunehmend Gedanken. Es besteht jetzt kein Anlass, um in Panik zu verfallen. Aber wir sind vom Innenministerium gebeten worden, nach Räumen Ausschau zu halten, die im Fall der Fälle dafür geeignet wären, die Bevölkerung zu schützen. Da es keine Bunkeranlagen mehr gibt, wären dies Tiefgaragen und ähnliche Bauten, die dafür geeignet wären, eine größere Anzahl Menschen aufzunehmen.”
Lebensmittel werden aber keine mehr eingelagert und bevorratet, analog zur Senatsreserve in West-Berlin während des “Kalten Krieges”? Michael Koch: “Es würde nicht funktionieren, Lebensmittel als zentrale Reserve für die 170.000 Einwohner im Landkreis Havelland einzulagern. Wir geben der Bevölkerung den Tipp, dass jeder Haushalt immer so viele Lebensmittel und Getränke einlagern sollte, dass diese Selbstversorgung für einige Tage reicht, auch wenn keine Geschäfte geöffnet haben.”
Wie kam es eigentlich zur Idee eines “Tags des Bevölkerungsschutzes”? Michael Koch: “Ein Mitarbeiter hatte die Idee. Er sagte: Wollen wir auf unserem Gelände nicht einmal die komplette Palette des Bevölkerungsschutzes zeigen, auf die wir im Havelland zurückgreifen können? Das fanden wir gut – und haben das dem Landrat vorgeschlagen, der auch ganz angetan war. Neben der Technik beeindruckt mich am meisten die Vielfalt der Freiwilligen und Ehrenamtlichen aus den verschiedenen Hilfsorganisationen, die vor Ort ihre Arbeit vorgestellt haben.”
Angesichts der vielseitigen Technik fragt man sich natürlich: Kam das alles so schon einmal zum Einsatz? Landrat Roger Lewandowski: “In den bisherigen acht Jahren meiner Amtszeit ist der Katastrophenfall nie ausgerufen worden. Was den Bevölkerungsschutz betrifft, haben wir aber sicherlich schon die ein oder andere Situation gehabt. Ich erinnere an Waldbrände, bei denen wir unterstützend geholfen haben. Ich erinnere auch an die Pandemiezeit, während der wir sehr gut von der Bundeswehr unterstützt worden sind. Ich glaube, das Wichtigste ist es immer, gut vorbereitet zu sein, damit im Ernstfall keine Zeit vergeudet wird. Wir üben deswegen in jedem Jahr unterschiedliche Szenarien, um für den Fall gewappnet zu sein, dass doch einmal etwas passiert. Zusätzlich investieren wir in den Katastrophenschutz und stärken unsere Feuerwehren.”
Besonders beeindruckend fand der Landrat beim “Tag des Bevölkerungsschutzes” selbst eine hochmoderne Drohne: “Sie hilft etwa bei einem Waldbrand dabei, nach dem Löschen noch Glutnester zu finden. Mit Wärmebildkameras, die unter der Drohne montiert werden, kann sie aber auch Personen auffinden.”
Auf dem Gelände hatte die ASB-Taucherstaffel aus Rathenow einen mobilen Wassertank aufgestellt, um zu simulieren, wie ein Taucher eine im trüben Wasser untergegangene Person aufspüren und bergen kann.
Rayk Sommer ist der Leiter der Taucherstaffel: “Wir kümmern uns im Katastrophenfall um die Bearbeitung von Wasserlagen. Das schließt Unterwasserarbeiten wie z.B. das Sichern von Deichen ein. Wir sind aber auch für die Suche, die Rettung und Bergung von Personen zuständig. Da unsere Gewässer sehr trübe sind, müssen Personen oder Objekte, die wir suchen, meist durch Tasten aufgespürt werden.”
Da bekommt man doch sicherlich schnell Platzangst im Dunkeln unter Wasser? Rayk Sommer: “Tatsächlich wurden unsere Leute sehr sorgfältig ausgewählt. Die kommen eigentlich alle aus dem Sporttaucherbereich und wurden dann über mehrere Jahre zum Rettungstaucher ausgebildet. Das sind alles gesetzte Leute mit einer gesunden Fitness und vor allem mit einer dementsprechenden Ruhe dahinter. Wenn wir eine Aufgabe bewältigen, sind wir aber alle sehr stolz, weil jede Bergung immer auch eine Teamarbeit ist. Wir sind 24 Einsatzkräfte, das ist für eine Taucherstaffel eine sehr große Zahl. Wir sind unfassbar froh, dass wir auf so viele Leute zurückgreifen können.”
Die Freiwillige Feuerwehr Falkensee präsentierte einige besondere Gerätschaften, die sehr wichtig für den Katastrophenschutz sind. So etwa ein mobiles Quad zur Erkundung bei Waldbränden oder bei Großschadenslagen, bei denen die Zuwegung sehr unwegsam ist. Daniel Brose ist der Stadtwehrführer der Feuerwehr Falkensee: “Unser Quad haben wir schon im Ahrtal eingesetzt, als nach der Flut alles überschwemmt und zerstört war.”
Außerdem besitzt die Feuerwehr einen ferngesteuerten Löschroboter, der kaum größer als eine Waschmaschine ist. Daniel Brose: “Grundsätzlich hilft uns der Löschroboter bei Tiefgaragenbränden, weil wir so mit wenig Personal löschen können. Wir haben ihn aber auch schon bei Waldbränden etwa im munitionsbelasteten Gelände eingesetzt. Der Roboter hat eine Wärmebildkamera an Bord, die das Personal aus sicherer Deckung auslesen kann, um gezielt bestimmte Bereiche abzulöschen. Der Roboter hat eine riesige Wasserwurfweite. Über eine Schlauchleitung wird er mit Löschwasser versorgt. Auf diese Weise können wir eine Brandfläche in einer Reichweite von 350 Metern mit dem Roboter erreichen. Wir waren eine der ersten Feuerwehren, die so ein Gerät angeschafft haben – in Brandenburg ist es meiner Kenntnis noch immer das einzige.”
Wasser und Feuer sind das eine. Aber was ist mit Chemikalien, Radioaktivität oder biologisch aktiven Substanzen? Das fällt in die Verantwortung von Dr. Oliver Frandrup-Kuhr. Er ist Gemeindewehrführer in Dallgow-Döberitz, aber auch Zugführer des Gefahrstoffzuges Ost und Fachberater Chemie des Landkreises.
Aus einem Erkundungswagen heraus lassen sich chemische, biologische, radioaktive und nukleare Gefahren (CBRN) beproben und analysieren. Die entsprechende Diagnostik wird im Fahrzeug mit sich geführt. Oliver Frandrup-Kuhr: “Die beste Messtechnik, die wir mit an Bord haben, ist für den atomaren Ernstfall geeignet. Wir fahren mit unserem Erkundungswagen mit sechs bis zehn Stundenkilometern durch ein potenziell radioaktiv verseuchtes Gelände und nehmen dabei die Strahlung auf. Diese Strahlung wird von unserem Messrechner in die Karte eingetragen, sodass wir der Einsatzleitung ein komplettes Lagebild übermitteln können.”
Kommt es im Havelland zu einer Freisetzung von Säuren, Laugen, Diesel oder Benzin – und zwar auf der Straße, auf der Schiene oder im Wasser -, dann kommt Jörg Meyer als Stadtbrandmeister der Stadt Nauen mit dem Gerätewagen (GW) Gefahrgut zum Einsatz: “Auf dem Gerätewagen ist alles verlastet, was man braucht, um eine Gefahrensituation in diesem Bereich abzuwenden. Wir können Lecks abdichten, Flüssigkeiten abpumpen oder Chemikalien auffangen. Um was es sich da handelt, zeigen uns die Gefahrguttafeln an den Fahrzeugen. Oder der Gerätewagen Mess hat vorher eine Analyse durchgeführt und sagt uns, mit was wir es zu tun haben. Die Entsorgung der Chemikalien ist nicht mehr unser Part, das machen Spezialfirmen. Wir verhindern nur die Ausbreitung der Gefahr.”
Wenn es doch einmal zu einem Katastrophenfall mit vielen Verletzten vor Ort kommt, die sich auch nicht sofort abtransportieren lassen, kommt Sven Scharschmidt von der Feuerwehr Stadt Friesack zusammen mit seinem Team zum Zug. Sie gehören zusammen mit dem ASB zur “Schnelleinsatzeinheit Sanität“, die sich um die Erstversorgung Verletzter kümmert, die aus einem Katastrophengebiet gerettet wurden: “Wir steuern einen Wechsellader mit einem Abrollbehälter. Geladen haben wir vier Luftkammerzelte, die wir mit Druckluftflaschen oder einem Kompressor aufblasen können. Die Idee ist es, dass wir innerhalb einer Stunde jeden Ort im Havelland erreichen können, um hier nach einer halben Stunde die Zelte einsatzbereit aufgebaut zu haben. Theoretisch können wir anschließend 25 Schwerverletzte in der Stunde versorgen. Diese Anschaffung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Amtes Friesack, an der ganz viele Ortsfeuerwehren beteiligt sind.”
Es ist schon beeindruckend, diese aufblasbaren Zelte zu sehen, die sogar mit einem Fußboden ausgestattet sind und in denen sich schnell Krankenliegen mit Infusionsständern aufstellen lassen. In vorbereiteten Materialkisten stehen thematisch sortiert alle benötigten Instrumente und Materialien etwa zur Behandlung von Verbrennungen bereit.
Wer in Extremsituationen zu Hilfe eilt, sieht mitunter Dinge, die schwer oder gar nicht zu verkraften sind. Um den Helfern auf psychologischer Ebene zu helfen, gibt es im Havelland zwei ehrenamtlich tätige Teams – das PSNV Havelland und das ENT Brandenburg PSNV steht für “Psychosoziale Notfallversorgung” und ENT für “Einsatznachsorgeteam.”
Sylvia Kreier gehört zur Notfallseelsorge im Landkreis Havelland und geht für das Einsatznachsorgeteam an den Start: “Als Notfallseelsorge werden wir zu Unfällen gerufen. Wir werden auch eingesetzt, um Todesnachrichten zu überbringen. In Großschadenslagen unterstützen wir den Katastrophenschutz. Denn die Polizei und die Feuerwehr sind zwar theoretisch auf bestimmte Lagen vorbereitet. Aber die Wirklichkeit sieht eben oft anders aus. Da unterstützen wir im psychosozialen Bereich. Mitunter reicht hier ein Abschlussgespräch. Dann gehen wir nach einem Einsatz zu den Einsatzkräften und reden mit ihnen. Das Notfallseelsorgeteam im Havelland gibt es seit 22 Jahren, ich bin seit zehn Jahren dabei. Wir sind 14 Mitglieder im Team und haben bis zu einhundert Einsätze im Jahr.”
Heiko Richter stattete dem “1. Tag des Bevölkerungsschutzes” einen Besuch ab. Kein Wunder. Als Bürgermeister von Falkensee ist er für über 45.000 Bürger verantwortlich: “Es ist eine sehr beeindruckende Veranstaltung. Es vermittelt ein beruhigendes Gefühl, wenn man sieht, wie viele Gerätschaften und Fachleute es gibt, die dabei helfen können, Gefahren abzuwehren. Wie so etwas im Ernstfall funktionieren kann, haben wir ja in Falkensee zuletzt an der Kant-Schule gesehen, als Schüler durch einen unbekannten Reizstoff in der Raumluft geschädigt wurden. Da hat man gesehen, wie die verschiedenen Kräfte Hand in Hand arbeiten.”
Heiko Richter ist als Bürgermeister aber auch selbst eingebunden in die Katastrophenpläne: “Ich bin demnächst auf einer Schulung in Eisenhüttenstadt. Da werde ich eingewiesen, was ich wie in einem Notfall zu tun habe. Alle Eventualitäten werden da durchgespielt.”
Auf dem “1. Tag des Bevölkerungsschutzes” konnten die Besucher aber auch im Überschlagsimulator der Polizei Platz nehmen, Führungen im Katastrophenschutz-Stabsraum wahrnehmen oder einen Fitness-Parcours im Atemschutzzentrum durchlaufen. Das war alles sehr lehrreich. Es wäre schön, wenn diese Veranstaltung in Serie gehen würde. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 219 (6/2024).
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