Brot backen: Romano und Belinda Ziehm haben die Bäckerei Ziehm in Falkensee übernommen!
Muss man wirklich gleich nach der Schule wissen, wohin die berufliche Reise gehen wird? Nein, muss man nicht. Das Leben schlägt mitunter interessante Haken. Das Beispiel von Romano Ziehm zeigt, dass es kein Problem ist, im Leben noch einmal umzudenken und seinen Beruf komplett neu zu planen. Man muss nur die richtige Gelegenheit erkennen und dann auch dazu bereit sein, sich noch einmal richtig zu engagieren. (ANZEIGEN)
Romano Ziehm (37) ist – noch mit seinem Geburtsnamen Bittner – in Dallgow-Döberitz aufgewachsen. Er hat die Schule nach der zehnten Klasse mit der Mittleren Reife abgeschlossen und sich natürlich anschließend gefragt, wie es für ihn wohl nun an dieser Stelle weitergeht.
Romano Ziehm: “Ich war zu dieser Zeit sehr am Thema ‘Fahrrad’ interessiert und dachte, vielleicht kann ich mich in diesem Bereich beruflich entwickeln. Am Ende ging es aber doch in eine ganz andere Richtung und ich habe 2003 eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann begonnen – und diese 2006 beendet. Und zwar bei Kaufland im Havelpark Dallgow.”
Waren Sie denn zufrieden mit dieser beruflichen Entwicklung? Romano Ziehm: “Ja, das passte alles sehr gut. Wichtig war mir natürlich zunächst einmal, dass ich eine Ausbildungsstelle und eine bezahlte Arbeit hatte. Ich bin da auch immer mehr in das Thema Verkauf reingewachsen und habe mich in diesem Umfeld und mit meinen Aufgaben sehr wohlgefühlt.”
Und im Havelpark sind Sie dann geblieben? Romano Ziehm: “Nein. Ich war recht lange im Handel unterwegs, tatsächlich, bis ich 30 Jahre alt war. So habe ich auch für Pumpen Plückhahn in Falkensee gearbeitet. Am Ende war ich Filialleiter bei Rossmann. Dabei habe ich sehr viel über das Verkaufen gelernt, aber auch über den Umgang mit Personal. Diese Zeit war also auf keinen Fall umsonst, sie hat mich schon geprägt und auch geformt.”
Irgendwann kam es dann aber zum Kontakt mit der Bäckerfamilie Ziehm in Falkensee? Romano Ziehm: “Ich habe Belinda Ziehm im Jahr 2010 kennengelernt, wir sind dann als Paar zusammengekommen. Im Jahr 2013 bin ich mit Belinda zusammengezogen. Zusammen haben wir drei Kinder – Robin (10), Louis (8) und Jonas (8). Wir wohnen direkt über der Backstube in der Falkenseer Friedrich-Engels-Allee.”
Wie kommt man auf die Idee, sich ohne weitere Vorkenntnisse mit in der Bäckerei und Konditorei Ziehm zu engagieren? Romano Ziehm: “Ich war zu der Zeit noch woanders beschäftigt. Aber natürlich ist es so, dass man viel mitbekommt, was in der Backstube passiert, wenn man direkt darüber wohnt und die eigene Frau dort täglich arbeitet. Ich habe schnell festgestellt, dass es sehr schwer ist, einen Bäcker für die Backstube zu finden. Belinda ist Bäckereifachverkäuferin und war zu dieser Zeit bereits für den Verkauf verantwortlich. Für mich war das Problem offensichtlich. Wenn Belindas Vater Dirk einmal in den Ruhestand wechselt und Belinda die Bäckerei in dritter Generation weiterführen möchte: Wo bekommt sie dann einen Bäckermeister her? Natürlich kann man sich einen externen Meister in den Betrieb holen. Aber findet man einen? Und dann ist man natürlich immer sehr abhängig von dieser Person. 2017 habe ich relativ spontan entschieden: Ich mache das. Ich habe also die Familie gefragt: Was haltet ihr davon, wenn ich eine Ausbildung zum Bäcker mache? Ich habe angeboten: Dirk, Maren, Belinda – Ich schmeiße meinen Job hin und wage es.”
Gab es Bedenken? Romano Ziehm: “Bedenken gab es allgemein in der Familie. Geht das alles gut, wenn wir so eng zusammenarbeiten? Und ich wusste auch gar nicht, ob mir die Nachtarbeit überhaupt liegt. Und auch das war ein Punkt, ich hatte vorher ja noch nicht einmal einen Teig in der Hand gehabt. Ich habe die Katze im Sack gekauft. Die Idee war: Wir schauen einmal, wie weit wir kommen.”
Sie haben tatsächlich eine Ausbildung zum Bäcker gemacht – und zwar im Betrieb von Ihrem Schwiegervater? Romano Ziehm: “Ja, ich habe nach all den Jahren im Einzelhandel noch einmal eine neue Ausbildung zum Bäcker begonnen. Das hat zwei Jahre lang gedauert. Und ich habe dabei eine besondere Erkenntnis gewonnen. Im Gegensatz zum Einzelhandel wird man beim Bäcker – fertig. Man beginnt mit den Rohzutaten, arbeitet eine Nacht durch und bekommt am Morgen das fertige Produkt zu sehen, das die Kunden gerne kaufen. Man hat auf einmal ein Brot in der Hand. Das hat mich tatsächlich sehr fasziniert und auch ein bisschen getriggert. Ich musste in der Ausbildung alles neu lernen und sozusagen wieder ganz von vorn beginnen. Ich empfand das aber auch als großen Ansporn, dass ich komplett neue Dinge tun kann, die ich vorher noch nie in meinem Leben gemacht habe. Natürlich gab es auch ein gewisses Gefühl der Hilflosigkeit, weil man halt wieder der Azubi ist.”
Und der Schwiegervater hat Ihnen alles beigebracht? Romano Ziehm: “Ja, hat er. Und nicht nur er. Auch die Bäckergesellen in der Backstube haben mich bei der Hand genommen und mir sehr viel beigebracht. Nach zwei Jahren hatte ich dann den Bäckergesellen in der Tasche.”
Darauf haben Sie sich aber nicht ausgeruht, sondern umgehend den Bäckermeister nachgeschoben?
Romano Ziehm: “Ja, ich habe auch noch meinen Bäckermeister gemacht. Das ist ja Pflicht, wenn man eine Bäckerei betreiben möchte, dass einer aus dem Team einen Meistertitel hat. Auch diese Ausbildung hat mir sehr viel gebracht, weil ich in Praxis und Theorie wieder ganz viele Dinge gelernt habe, die ich so aus unserem Betrieb noch nicht kannte. Ich habe gemerkt, dass ich mir in sehr kurzer Zeit ganz viel Input holen und neues Wissen aneignen konnte.”
Und dann kam noch der Konditormeister? Romano Ziehm: “Genau. Das habe ich gemacht, um auch in dieser Richtung dazuzulernen. Ich habe wieder Verfahren kennengelernt, die wir so bislang nicht angewendet haben. Da ging es um Zuckerarbeiten, um die Pralinenherstellung, um das Modellieren mit Marzipan und Fondant, um Kuvertüre und um die Tortenproduktion. Auch hier konnte ich mir wieder vieles abschauen. Dabei habe ich gemerkt, dass insbesondere Hochzeitstorten, aber auch Motivtorten genau mein Ding sind. Da habe ich richtig Spaß dran. Die Zeit war aber auch sehr anstrengend. Oft stand ich nachts in der Backstube und habe dann tagsüber den Lehrgang zum Meister besucht. Ich habe das nicht nur für mich getan, sondern für die ganze Familie. Jetzt bin ich aber auch angekommen und kann sagen: Es war ein langer harter Weg, der sich gelohnt hat.”
Im September ’23 haben Belinda und Romano Ziehm die Bäckerei und Konditorei Ziehm (www.baeckerei-ziehm.de) übernommen. Dirk Ziehm ist nun im Ruhestand, steht aber der dritten Generation weiterhin mit Rat und Tat zur Seite. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 217 (4/2024).
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