Getreidemühle Henrik Wolter: Die letzte noch produzierende Mühle im Havelland!

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach…“ So, wie es in einem alten Kinderlied aus der Zeit der Romantik beschrieben wird, mahlt Familie Wolter das Mehl schon lange nicht mehr. Die „Getreidemühle Henrik Wolter“ setzt beim Zermahlen des Korns weder auf Wasser- noch auf Windkraft, sondern nutzt den Strom aus der Steckdose. In Buchow-Karpzow werden im Auftrag dreier Bäckereien seit 2016 ausschließlich Bioland- und Demetergetreide verarbeitet. (ANZEIGE)
Das ist doch einmal ein Familienbetrieb, der überdauert. Die Getreidemühle in Buchow-Karpzow ist tatsächlich die letzte ihrer Art, die im Havelland steht und weiterhin aktiv Weizen, Roggen und Dinkelkörner zu feinstem Mehl verarbeitet. Alle anderen Mühlen haben ihre Produktion längst eingestellt.
Der Erfolg der Mühle lässt sich vielleicht auch so erklären, dass sie seit Ewigkeiten in den Händen einer einzigen Familie liegt. Die Familie Wolter beschäftigt sich nachweislich seit 1691 mit dem Mühlen-Handwerk. Die Handwerksmühle in Buchow-Karpzow wird seit fünf Generationen von der Familie geführt. Paul Wolter baute sie 1905.
Henrik Wolter erinnert sich: „Ursprünglich gab es vor Ort wohl eine Windmühle auf dem Mühlberg, die ist aber außer Betrieb genommen worden. Meine Familie hat sie vor fünf Generationen im Ort neu aufgebaut, das war 1905. In den 30er Jahren gab es einen Brand aufgrund eines Maschinenlagerschadens, da ist sie komplett abgebrannt. Nur aus diesem Grund wurde anscheinend damals die Freiwillige Feuerwehr im Ort gegründet, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Die Familie gab unterdessen nicht auf. Im Frühjahr brannte die Mühle ab, im Herbst wurde schon wieder Getreide im Neubau vermahlen.“
Das Familienunternehmen hat Glück gehabt: Der Betrieb wurde zu DDR-Zeiten nicht verstaatlicht. Und auch die Weichen für die Zukunft sind gestellt: 2008 hat man sich dazu entschlossen, auch Bio-Getreide zu verwenden. 2016 ist aus der Wolter-Getreidemühle eine reine Bio-Mühle geworden, die ausnahmslos Bioland- und Demeter-Getreide verarbeitet.
Auch das ist wichtig: Vater Torsten Wolter, Baujahr 1967, hat das Unternehmen im Januar 2023 an seinen Sohn Henrik (24) übergeben, der damit die nächste Generation der Wolters am Mahlstein einläutet. 2022 hat Henrik Wolter seinen Müller-Meister und Müller-Techniker absolviert. Dafür hat er zwei Jahre lang die Schulbank in Braunschweig gedrückt. Die Deutsche Müllerschule Braunschweig (DMSB) ist eine der wenigen in Deutschland, die diese Ausbildung weiterhin anbietet. Henrik Wolter sagt: „Für mich stand schon immer fest, dass ich einmal die Mühle übernehme.“
Das Korn, das die Mühle heute mahlt, stammt zum größten Teil aus der Uckermark. Zwei, drei LKW fahren in jeder Woche vor das Mühlengebäude und laden ihre Fracht ab. Henrik Wolter: „Wir haben kein Saisongeschäft, wir mahlen das ganze Jahr. Nur vor Weihnachten, da steigt das Volumen deutlich. Da möchten alle Plätzchen und Kekse backen – und die Nachfrage nach Mehl steigt enorm. Im Sommer haben wir dafür etwas weniger zu tun. Alle sind im Urlaub. Und wer Zuhause bleibt, steht abends eher am Grill, als dass es eine klassische Brotzeit gibt.“
Die „Getreidemühle Henrik Wolter“ ist ein sogenannter „Lohnvermahler“.
Henrik Wolter: „Das bedeutet, dass ein Bäckerbetrieb sich einen Landwirt aussucht, bei dem er das Getreide einkauft. Das Getreide kommt zu uns, wir mahlen es und geben es dann an den Bäcker weiter. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir das Mehl, das wir produzieren, nicht selbst verkaufen. Wir produzieren unser Mehl vor allem für das Biobackhaus Leib in Wustermark und für das Märkische Landbrot und die Beumer & Lutum Bio Bäckerei in Berlin.“
Wäre es angesichts der Tatsache, dass regionale Produkte besonders gern gekauft werden, nicht auch den Versuch wert, das eigene Mehl selbst zu vermarkten? Henrik Wolter: „Viele Mühlen in Deutschland unterhalten ja extra für diesen Zweck einen eigenen Hofladen. So etwas haben wir nicht, da fehlt uns auch der Platz dafür. Wir haben schon einmal Mehl kiloweise abgepackt und versucht, es mit einem eigenen Label im Zeestower Gartenstübchen oder auf dem Brieselanger Markt ‚Frische Briese‘ mit anzubieten. Die Resonanz war aber noch nicht so groß. Da müsste man sicherlich noch deutlich mehr Zeit investieren, die wir aber so nicht haben. Bei uns arbeiten vier Mitarbeiter im Betrieb, wir sind gut ausgelastet.“
Dass der Mühlenbetrieb auf eine lange Tradition zurückblicken kann, sieht man. Der gesamte Produktionsablauf wurde gleich in mehreren Etagen in ein altes Backsteinhaus integriert. Alte historische und neue, moderne Maschinen arbeiten hier Hand in Hand, um das Korn anzunehmen und zu lagern, es zu mahlen, um es dann von Steinchen und Spelzteilen zu befreien, bis das fertige Mehl am Ende in Silos gefüllt oder in großen Säcken abgefüllt wird.
Henrik Wolter: „Beim Weizen haben wir einen Durchlauf von zwei Tonnen in der Stunde. Daraus erzeugen wir 1,6 Tonnen Mehl. Als Rest bleiben kleine Schalenteile übrig, die zu Tierfutter verarbeitet werden.“
Die Arbeit macht dem jungen Müllermeister viel Spaß: „Wir arbeiten mit einem echten Naturprodukt. Das Getreide ist jeden Tag anders, auch regional gibt es große Unterschiede. Das Korn ist mal härter, mal weicher. Da muss man den Prozess ständig im Auge behalten. Es reicht eben nicht aus, die Mühle anzuwerfen, um am Nachmittag das fertige Mehl abzufüllen. Wir fahren übrigens auch zu den Landwirten und schauen uns das Korn vor Ort an.“
Wenn man täglich mit Mehl zu tun hat, kann man es dann auch weiterhin noch selbst in der Küche nutzen? Henrik Wolter: „Aber natürlich, wir lieben unser Mehl. Wir essen es ja nicht pur. Daraus kann man Brot, Pizza oder Kuchen machen, es gibt so viele Möglichkeiten. Zumal jeder Bäcker das Mehl anders nutzt und daraus etwas ganz Einzigartiges zaubert. Wir wissen ja auch, was in unserem eigenen Mehl enthalten ist, nämlich nur das reine Bio-Korn. Wir benutzen auch keine Ascorbinsäure für eine künstliche chemische Reifung.“
Torsten Wolter: „Wer eine Unverträglichkeit hat und deswegen auf Mehl verzichten muss, sollte einmal ein Biomehl ausprobieren. Mitunter lässt sich die Unverträglichkeit dann nicht mehr bemerken.“ (Text/Fotos: CS)
Info: Getreidemühle H. Wolter, Henrik Wolter, Priorter Straße 1a, 14641 Wustermark OT Buchow-Karpzow, www.mühle-wolter.de
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 210 (9/2023).
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