H2Expert-Auswertung: Kommt die Wasserstoff-Zukunft im Havelland?

Die Energiewende kommt. Viele sehen dabei “grünen” Wasserstoff als wichtigsten Baustein, um regenerative Energie etwa aus der Wind- oder der Sonnenkraft zu speichern und auch transportieren zu können. Das Havelland macht als eine von 15 HyExpert-Regionen in Deutschand bei der zukunftsweisenden Forschung mit. Die H2Vl-Initiative hat in den letzten Monaten gleich mehrere Partner zusammengebracht. Ziel ist es, gemeinsam eine erste Wasserstoffwirtschaft in der Region aufzubauen. Fahren bald die ersten Busse und LKWs mit Wasserstoff?
400.000 Euro Förderung hat das Havelland vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr bekommen.
Es wurde als eine von 15 HyExpert-Regionen in ganz Deutschland im Rahmen des “Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie” (NIP2) ausgewählt. Ziel ist es, Überlegungen anzustrengen, um dem umweltfreundlichen Energieträger Wasserstoff ordentlich Rückenwind zu geben.
Der Zusammenschluss verschiedener Akteure im Havelland nennt sich – mit etwas Wortwitz – selbst H2VL-Initiative (www.h2vl.de). Auf die Initiative des Landkreises hin haben sich 35 Unternehmen, Kommunen und Forschungseinrichtungen zusammengefunden, um gemeinsam eine regionale Machbarkeitsstudie auf den Weg zu bringen. Dabei sollten mögliche Wasserstoff-Wertschöpfungsketten hinsichtlich technischer, rechtlicher sowie wirtschaftlicher Fragestellungen untersucht und bewertet werden.
Zu den Partnern gehören etwa die Bürgerinitiative “H2 – Neue Energie für Falkensee”, der Bahnstandort “BTC Havelland”, die Havelländische Eisenbahn AG, die kommunale Verkehrsgesellschaft Havelbus, die Stadt Falkensee und die Havelland Kliniken Unternehmensgruppe, um nur einige zu nennen.
Ein ganz einfaches Beispiel für eine funktionierende Wertschöpfungskette des Wasserstoffs, bestehend aus Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Nutzung, wäre etwa die Herstellung von Wasserstoff über einen Elektrolyseur, der an einer Windkraftanlage hängt. Der Wasserstoff könnte dann etwa in einem entsprechend umgebauten Bus bei Havelbus zum Einsatz kommen, um Fahrgäste auch über weite Entfernungen von A nach B zu transportieren.
Die Überlegungen, die von der H2VL-Initiative bei verschiedenen Treffen und Workshops erörtert wurden, kamen nun am 28. Juni bei einem Abschlussworkshop im Goethe-Gymnasium Nauen auf den Tisch. Etwa 40 Akteure der Initiative waren selbst mit vor Ort, weitere interessierte Personen waren online zugeschaltet.
Landrat Roger Lewandowski sagte: “Es handelt sich hier um einen sehr intensiven, produktiven und visionären Prozess, der bei uns im Havelland in den letzten Monaten begonnen und gestaltet wurde. Das hat Vorreiterqualität. Denn: Wenn niemand anfängt und sich mit dem Thema beschäftigt, dann wird auch nichts passieren. Wir hier bei uns im Havelland möchten aber beim Wasserstoff vorangehen. Dass die Notwendigkeit dafür besteht, das steht wohl außer Frage. Wasserstoff könnte als Energieträger eine Schlüsselrolle in der Zukunft einnehmen. Nur sind zurzeit die Rahmenbedingungen noch nicht gut genug. Jeder wartet darauf, dass ein anderer den ersten Schritt macht. Wir haben bei uns im Havelland eine große Innovationskraft. Havelbus könnte in der Tat ein erstes Vorzeigeprojekt sein, wenn es darum geht, Busse mit Wasserstoff zu betreiben.”
Als Kernergebnis der Abschlussveranstaltung wurde festgehalten: Das Havelland hat sehr gute Voraussetzungen, um vielfältige H2-Projekte umzusetzen. Ein wichtiger Standortvorteil ist, dass es im Havelland große Potenziale zum Ausbau von erneuerbaren Energien und damit zur Erzeugung von sogenanntem “grünen” Wasserstoff gibt.
Im Projekt wurden zwei Wasserstoffcluster entwickelt, die sowohl den Hochlauf der H2-Wirtschaft ankurbeln, als auch der Region nutzen sollen. Im Cluster “Östliches Havelland” planen das Energieversorgungsunternehmen GASAG und ihre Tochter Energie Mark Brandenburg (EMB) den Betrieb eines ersten Elektrolyseurs am Standort des Energiewendelabors in Ketzin/Havel.
Bei einem Elektrolyseur handelt es sich um ein technisches Großgerät, das Wasser per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet. Dafür werden große Energiemengen in Form von Strom benötigt, der im Havelland etwa von der Wind- oder der Sonnenkraft herrühren könnte.
Der in Ketzin produzierte grüne Wasserstoff könnte in kommunalen Fahrzeugflotten in Nauen eingesetzt werden, die sich nicht für einen Batterie-elektrischen Betrieb eignen, weil sie auf höhere Reichweiten angewiesen sind.
In der Auswertung hieß es außerdem: “Zusätzlich kann die Abwärme des Elektrolyseurs in die Gasübernahmestation in Ketzin/Havel eingebunden werden und damit die Kesselwärme verdrängen. Das Cluster wurde sowohl auf seine Wirtschaftlichkeit als auch auf standortbezogene Faktoren hin geprüft und hat gute Chancen auf eine Realisierung.”
Reinier Waters, Leiter der GASAG-Wasserstoffaktivitäten: “Am Standort des Energiewendelabors in Ketzin planen wir schon länger eine Elektrolyse-Anlage. Mit der Beschaffung von Wasserstoff-betriebenen Fahrzeugen für die kommunalen Flotten in Nauen entsteht eine nachhaltige Abnahmequelle für diesen regional produzierten grünen Wasserstoff. Damit wird eine zeitnahe Umsetzung des Vorhabens ermöglicht.”
Im Cluster “Westliches Havelland” stand die klimafreundlichere Erzeugung von Fernwärme im Fokus. Durch die direkte Nutzung von Windstrom könnte die Fernwärme in Rathenow dekarbonisiert werden, um Kohlenstoff- und CO2-Emissionen zu reduzieren. Der überschüssige Strom aus den Windkraftanlagen könnte zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt und für die kommunale Mobilität bereitgestellt werden. Zwei treibende Stakeholder in diesem Projekt sind die “Rathenower Wärmeversorgung” sowie der “Wasser- und Abwasserverband Rathenow”.
Günter Rall, Geschäftsführer der Rathenower Wärmeversorgung: “Durch die Nutzung von Windstrom aus einem kommunalen Windpark in direkter räumlicher Nähe besteht die Möglichkeit, die Verkehrs- und Wärmewende durch Wasserstofferzeugung und Power to Heat zu wirtschaftlichen Preisen in Rathenow entscheidend voranzubringen.”
Der am 28. Juni zelebrierte Abschluss des H2VL-Projekts ist im Havelland nicht das Ende, sondern vielmehr der Start für den Aufbau einer eigenen Wasserstoffwirtschaft. Damit der Landkreis seine Klimaziele erreichen kann, ist es wichtig, Treibhausgasemissionen zu reduzieren – insbesondere in den Sektoren Verkehr und Wärme. Deshalb plant das Havelland auch eine Überprüfung der eigenen Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff.
Landrat Roger Lewandowski: “Die Nutzung von Wasserstoff und die Einbeziehung dieses alternativen Energieträgers in eine regionale Wertschöpfungskette bietet uns die Möglichkeit, lokale Wirtschaftszweige zu stärken und den Bedarf an Energie insbesondere für den hiesigen Wärme- und Mobilitätssektor zu nutzen und auf nachhaltige Weise zu decken.”
Der Landrat sah hoffnungsvoll in die Zukunft: “Mit unserer Teilnahme als HyExpert-Modellregion und der Vernetzung aller Partner haben wir die Weichen gestellt, um den Aufbau einer gesamten Wertschöpfungskette – von der Produktion und Speicherung bis hin zur Nutzung von Wasserstoff – nicht nur zu denken, sondern auch erste Schritte zur Realisierung einiger Projekte einzuleiten. Daran wollen wir auch weiterhin mit allen Studienteilnehmern und weiteren Interessierten intensiv arbeiten.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 209 (8/2023).
Seitenabrufe seit 6.08.2023:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige
