Mein Oldtimer: Matthias Hartwig aus Nauen fährt einen Ford Modell A von 1930!

Wenn Matthias Hartwig bei schönem Sommerwetter einen Ausflug mit dem Auto macht, dann staunen die Menschen am Straßenrand mit offenen Mündern. Denn der Nauener, der direkt einer Folge von “Peaky Blinders” entsprungen sein könnte, ist mit einem auf Hochglanz poliertem Ford Modell A von 1930 unterwegs. Der wunderschöne Oldtimer verfügt sogar über einen Schwiegermuttersitz.
Man muss nicht verrückt sein, um ein Oldtimer-Freund zu sein. Schaden kann es aber auch nicht. Wer Matthias Hartwig (62) kennenlernt, merkt schnell, dass der Mann ein echtes Unikum ist. Und noch deutlich mehr Facetten zu bieten hat als nur die Liebe zu den Oldtimern.
Wir treffen Matthias Hartwig, der in Nauen als Hausmeister arbeitet, in seinem gepflegten Schrebergarten in der Ackerbürgerstadt. Er erzählt aus seinem Leben: “Ich wurde in Staaken geboren und bin in Falkensee aufgewachsen. Dort hatte ich vielen Jahre ein schönes Haus in der Kantstraße. Mit zunehmendem Alter wurde das Haus aber viel zu groß für mich. Also habe ich es verkauft und bin vor drei Jahren nach Nauen gezogen. Hier habe ich mich vom Wohnraum her verkleinert und fühle mich sehr wohl.”
Zu DDR-Zeiten hat Matthias Hartwig, der nebenbei auch passionierter Angler und Funker ist, im Wald als Zapfenpflücker und Harzer gearbeitet: “In der DDR gab es wirklich noch bis zur Wende den Beruf als Harzer. Wir haben Kiefern angeschnitten, um jeden Tag viele Kilo Harz zu ernten. Aus dem Harz hat man Pech, Teer oder Terpentin hergestellt. Als Zapfenpflücker war ich ganz oben in den Wipfeln der Nadelbäume unterwegs, um Saatgut zu gewinnen. Ich war sehr gut in diesem Beruf, ich habe gutes Geld verdient.”
Seine Werkzeuge, die er als Harzer brauchte, liegen inzwischen in einem Museum.
Die Leidenschaft zu alten motorgetriebenen Fahrzeugen erwachte schon früh in Matthias Hartwig. Und nicht ganz freiwillig, wie er berichtet: “In meiner Jugend wollte ich natürlich auch Motorrad fahren. Für ein neues Motorrad war aber kein Geld da. Also hat man sich etwas Altes besorgt, neue Farbe raufgepinselt, hier und da etwas geschraubt, und schon war man auf der Straße. Ich bin damals eine Simson AWO gefahren – von der Sorte besitze ich immer noch ein Modell. In den 80er Jahren habe ich Treffen der AWO-Freunde am Nymphensee in Brieselang organisiert.”
Nach der Wende stellte sich auch bei Matthias Hartwig das ganze Leben auf den Kopf. Zeitweilig arbeitete er für die Meyer-Werft in Papenburg an der holländischen Grenze: “Damals war mein Interesse an Oldtimern bereits voll erwacht. Ich begeisterte mich dabei zunehmend für Autos. Ich hatte von einem Händler in Holland gehört, der alte Fords im Angebot hatte. Als ich mit meiner Lebensgefährtin nach Papenburg gefahren bin, um ihr meinen alten Arbeitzsplatz in der Werft zu zeigen, habe ich sie überzeugen können, einen Abstecher nach Holland zu machen. Als ich dann das Ford Modell A gesehen habe, war es um mich geschehen. Ich habe nicht lange gezögert und mir den Oldtimer von 1930 gekauft. Allerdings hat der erste Eindruck getäuscht. Das Auto sah von außen viel schöner aus als unter der Karosserie. Ich musste von eigener Hand alles neu machen, austauschen, reparieren und in den Originalzustand zurückführen. Ich war an den Achsen dran, habe die Bremsen gemacht und die Felgen ausgetauscht. Zum Glück hatte ich Hilfe von meinen Freunden und durfte eine Werkstatt mit verwenden.”
Probleme gab es auch mit der Anmeldung: “Für mein Auto gab es nur einen sog. Titel. Der besagte, dass das Auto aus den USA stammte, echt war und legal und unter Berücksichtigung des Zolls nach Holland überführt wurde. In Deutschland musste ich ein Vollgutachten machten lassen, damit ich überhaupt auf die Straße durfte. Das war vor zwei Jahren im September. In diesem Jahr steht wieder TÜV an.”
Bevor VW kam, war die amerikanische Ford Motor Company führend in der Herstellung von Personenkraftwagen. Vom Ford Modell A, das von 1928 bis 1931 gebaut wurde, hat Ford sage und schreibe 4,3 Millionen Exemplare verkaufen können. Das ist gut, denn so ist die Beschaffung von originalen Ersatzteilen kein so großes Problem wie bei anderen Oldtimern.
Matthias Hartwig, der zwei Töchter hat und seinen Oldtimer in einer angemieteten Garage parkt: “Ich habe mir viel Mühe gegeben, den Oldtimer möglichst originalgetreu zu restaurieren. Die Speichen habe ich mit Pulver aus den USA im originalen Creme-Ton lackieren lassen. Die Reifen selbst stammen aus England und sind von Firestone.”
Der Oldtimer verfügt über einen Vierzylinder-Reihenmotor mit stehenden Ventilen, hat einem Hubraum von 3,3 Litern, nutzt einen einfachen Steigstromvergaser von Zenith und bringt es auf 40 PS. Matthias Hartwig: “Der Wagen hat eine 3-Gang-Schaltung, wobei der Rückwärtsgang noch dazukommt. Er muss allerdings nach vorn eingerastet werden, was ungewöhnlich ist. Da muss ich immer aufpassen, wenn ich den Wagen aus der Garage hole. Das Auto fährt maximal 104 Stundenkilometer. Aber ich würde niemals so schnell fahren. Bei 70 Stundenkilometern hört die Freundschaft auf. Zumal im Auto nur Trommelbremsen verbaut sind. Autobahnen meide ich deswegen genauso wie einen Berufsverkehr mit Stop & Go. Getankt wird das teuerste Super-Benzin. Bioethanol mögen die alten Stahlblöcke im Motor nicht. Sie würden anfangen zu rosten.”
Der Nauener besitzt das Roadster Deluxe Modell mit zwei Reservereifen. Das Auto weist auch noch eine weitere Besonderheit auf – einen Schwiegermuttersitz. Matthias Hartwig: “Das ist ein zusätzlicher aufklappbarer Sitz in der hinteren Karosserie. Hier musste die Schwiegermutter ganz schön klettern, um diesen Notsitz zu erreichen. Und wenn das Verdeck aufgespannt wurde, konnte die Schwiegermutter nicht einmal mehr mit den Fahrzeuginsassen sprechen.”
Matthias Hartwig besucht mit seinem Ford Model A gern Oldtimer-Ausstellungen, gehört mit dem Auto zu den Highlights auf den Touren des Nauener Nachwächters und unternimmt gern Ausflüge ins Havelland: “Vor allem Orte mit Schlössern haben es uns angetan. Dabei ist es egal, ob es nach Ribbeck oder nach Rheinsberg geht. Auch die Umgebung von Rathenow ist sehr schön, da gibt es vieles zu entdecken. Allerdings macht mir gerade der Vergaser etwas Probleme, der hat manchmal Aussetzer. Zurzeit ist es aber so heiß in meiner Garage. Bei 45 Grad möchte ich ungern am Auto schrauben.”
Wer Matthias Hartwig und seinen Oldtimer bestaunen möchte, kann ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit am 9. und 10. September auf der “Bienenfarm” (www.flugplatz-bienenfarm.de) beim “Himmel & Erde” Event antreffen. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 208 (7/2023).
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