Hirschkäfer in Falkensee: Auf der Suche nach dem größten Käfer Deutschlands!
Was für eine Überraschung: Der Hirschkäfer, immerhin der größte und eindrucksvollste Käfer in ganz Deutschland, ist tatsächlich noch in den Wäldern von Falkensee heimisch. Hier lässt er sich – etwa hinter dem Falkenhagener See in den lichten Mischwäldern – ausmachen und beobachten. Von drei Käferexperten, die auszogen, um den Hirschkäfer zu finden.
Viele kennen ihn nur noch aus Büchern – und haben ihn noch nie in ihrem Leben in lebendiger Form gesehen. Die Rede ist vom Hirschkäfer (Lucanus cervus), der mitunter auch als Schröter, Hornschröter oder Feuerschröter bezeichnet wird.
Michael Köhler (49) aus Berlin-Staaken kennt sich mit dem bis zu acht Zentimeter langen “Insekt des Jahres 2012” so gut aus wie kaum ein anderer. Der Hirschkäfer prangt auch als Tattoo auf seinem Oberarm: “Der Hirschkäfer wurde früher auch als Köhler bezeichnet. Da ich auch Köhler heiße, lässt sich da sofort eine Brücke schlagen. Die Köhler haben ja früher aus Eichenholz Kohle gemacht. Oft krabbelten da früher die Hirschkäfer aus den Holzmeilern. Abergläubisch, wie die Menschen damals waren, dachten sie, die Käfer greifen mit ihren Zangen am Kopf nach den glühenden Kohlen, um sie in die Wälder zu tragen. So glaubte man, würden Waldbrände entstehen.”
Der Hirschkäfer ist ein gewaltiger Käfer mit braunrot schimmernden Deckflügeln. Die Männchen sind deutlich größer als die Weibchen. Nur sie tragen die großen “Geweihe”, die sie eigentlich nur im Paarungskampf gegen andere Männchen einsetzen können. Die kleineren Weibchen haben keinen Kopfschmuck, können dafür aber kraftvoll zubeißen, da ihre Mandibeln (= Oberkiefer) eben nicht zweckentfremdet wurden. Die Weibchen vom Hirschkäfer werden mitunter mit Nashornkäfern oder Balkenschrötern verwechselt.
Michael Köhler: “Der Klimawandel sorgt dafür, dass sich der Hirschkäfer deutlich früher zeigt als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Erste Exemplare konnte ich in Falkensee bereits im Mai beobachten, sonst sagt man, dass die Hirschkäfer erst ab dem Juni fliegen. Man kann sie sogar beobachten, wie sie aus der Erde krabbeln. Es ist schon ein tolles Bild, wenn aus der nackten Erde plötzlich ein Hirschkäfergeweih ragt, der Rest vom Käfer aber noch gar nicht zu sehen ist.”
Die Larven vom Hirschkäfer, die in ihrer Form aussehen wie die Engerlinge vom Maikäfer, nur eben deutlich größer, leben unterirdisch im toten Wurzelholz von Eichen. Oft handelt es sich dabei um Baumstumpen, die stehengelassen wurden, oder um bereits abgestorbene Wurzelteile von noch lebenden Eichen. Die Larven benötigen von Pilzen durchsetztes, sich auflösendes Wurzelholz. Im besten Fall in drei Jahren, mitunter aber auch erst in acht Jahren, wächst der Engerling heran, bis er sich verpuppt. Der Käfer schlüpft im Herbst, überwintert aber, um dann im darauffolgenden Jahr an die Erdoberfläche zu klettern.
Michael Köhler hat eine Hirschkäfer-Population in den Mischwäldern hinter dem Falkenhagener See ausgemacht. Zu einer biologischen Exkursion hat er am 1. Juni die Insektenfreunde Marvin Kopka aus Elstal und Carsten Scheibe aus Falkensee mitgenommen.
Michael Köhler: “Man erkennt die Brutbäume der Hischkäfer sehr gut. Oft sind die Stümpfe bis in die Tiefe hinein komplett freigelegt. Wildschweine und andere Tiere des Waldes wissen genau, dass hier ein großer leckerer Happen auf sie wartet – und graben nach den Hirschkäfern und ihren Larven. Sie können den Hirschkäfer sogar riechen. Auch wir Menschen riechen ihn oft schon, bevor wir ihn sehen. Er riecht wie die Raupe vom Weidenbohrer ein wenig nach Essig.”
Der Hirschkäfer liebt lichtdurchflutete Wälder und ist vor allem an den lichten Waldrändern und an den Wegen zu beobachten. Vor allem bei Sonnenschein ist er aktiv. Michael Köhler: “Wenn er fliegt, hört man ihn sehr laut brummen. Die Mänchen fliegen meist in etwa einem Meter Höhe, die Weibchen deutlich höher. Krabbelt der Käfer über das Laub, hört sich das an, als würde ein kleiner Hund durch den Wald laufen. Erstaunlich ist, dass man ihn oft gar nicht sieht, wenn er an einem Baum sitzt. Das Licht- und Schattenspiel im Wald sorgt dafür, dass er perfekt getarnt ist.”
Bis Ende Juni ist der Hirschkäfer in der Natur anzutreffen. Er ernährt sich in den wenigen Wochen bis zu seinem Tod von süßen Pflanzensäften und ist demnach vor allem gern an den harzenden Wunden von Eichen anzutreffen. Die Männchen leben nicht so lange wie die Weibchen, aufgrund ihrer Größe und des auffälligen Geweihs sind sie auch eines sehr hohen “Prädatorendrucks” ausgesetzt: Sie werden von Vögeln und anderen Tieren gefressen.
Die Weibchen sondern Pheromone ab und können so gezielt von den Männchen aufgespürt und angeflogen werden. In den Bäumen kommt es dann zur Paarung. Die Weibchen legen nach einer gewissen Reifezeit 20 bis 40 Eier in den Boden um absterbende Eichen herum – und gehen anschließend entkräftet ebenfalls ein.
Der Hirschkäfer steht auf der Roten Liste Deutschlands und wird hier als „stark gefährdet“ (Kategorie 2) geführt. Wer ihn bei einem Spaziergang entdeckt, sollte sich an dem riesigen Insekt erfreuen, es aber unbedingt vor Ort sitzen lassen.
Michael Köhler: “Ich beobachte leider immer wieder, dass Fahrradfahrer, die auf dem asphaltierten Radweg zwischen Spandau und Falkensee unterwegs sind, Hirschkäfer überfahren, die auf dem Radweg gelandet sind. Die Käfer fliehen leider nicht, sondern heben höchstens ihr Geweih als Drohgebärde. So haben sie natürlich gegen die Reifen der Räder keine Chance.”
Wer einen Hirschkäfer sehen möchte, muss Geduld mitbringen. Michael Köhler: “Manchmal sehe ich auf stundenlangen Exkursionen keinen einzigen Hirschkäfer, dann sind es wieder mehrere auf einem einzigen Spaziergang.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 208 (7/2023).
Seitenabrufe seit 9.06.2023:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige