Landkreis am Limit: Neue Containeranlage für 400 Flüchtlinge in Falkensee geplant!
Aus vielen Ländern drängen weiterhin Menschen nach Deutschland, um hier einen sicheren Hafen in der Not zu finden. Die Landkreise haben aber inzwischen ihre liebe Not damit, die Flüchtlinge auch angemessen unterzubringen. Die Kapazitätsgrenzen der bisherigen Einrichtungen sind längst erreicht, nun muss schnell neu gebaut werden. Landrat Roger Lewandowski hat am 9. Mai mitgeteilt, wo im Havelland neue Containeranlagen entstehen könnten. In Falkensee soll so etwa eine Anlage für bis zu 400 Flüchtlinge direkt neben der Shell-Tankstelle in der Spandauer Straße gebaut werden.
Derzeit “brennt” es gleich in mehreren Ländern, es herrscht Krieg. Oder die politischen Umstände sind so schlimm, dass Gefahr für das eigene Leben besteht. So entscheiden sich immer wieder Menschen dafür, ihre Heimat zu verlassen und ihr Heil in der Flucht zu suchen. Insbesondere das wohlhabende Deutschland ist ein beliebtes Ziel für viele Flüchtlinge aus anderen Ländern.
Aber die Geflüchteten müssen in Deutschland auch untergebracht werden. Hier haben die Landkreise keinen eigenen Spielraum, sie bekommen vom Land die Menschen zugewiesen – und müssen sie in Zusammenarbeit mit den Kommunen versorgen.
Roger Lewandowski, Landrat vom Landkreis Havelland, bat am 9. Mai zusammen mit dem Sozialdezernent Wolfgang Gall und dem Baudezernent Hansjörg Bohm zum Pressegespräch. Er erklärte: “Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 haben die Landkreise und kreisfreien Städte in Brandenburg etwa 28.000 Personen aufgenommen. Im letzten Jahr waren es bedingt durch den Kriegsausbruch in der Ukraine bereits 39.000 Kriegsvertriebene. Wir haben diese Menschen nur deswegen erfolgreich unterbringen können, weil sich so viele Privathaushalte eingebracht und ihren eigenen Wohnraum zur Verfügung gestellt haben. Noch immer sind 1.400 Ukrainer in unserem Landkreis privat untergebracht.”
Nun ist es aber so, dass die bereits vorhandenen Einrichtungen im Landkreis Havelland zur Unterbringung von Flüchtlingen bereits sehr gut belegt sind. Um weitere Menschen aufzunehmen, muss deswegen neu gebaut werden. Roger Lewandowski: “Unsere Unterbringungsmöglichkeiten sind vielerorts am Limit und werden angesichts des erneut hohen Aufnahmesolls nicht ausreichen.”
Die aktuelle Situation sieht im Havelland wie folgt aus: Es gibt zurzeit 1.167 Asylbewerber und 2.667 Personen mit einem Aufenthaltstitel. In den bestehenden Gemeinschaftsunterkünften sind 1.093 von 1.391 Plätzen belegt. 683 Personen wohnen in insgesamt 206 angemieteten Übergangswohnungen vor allem in Rathenow und Premnitz. Roger Lewandowski: “Damit sind wir einer der größten Mieter im ganzen Landkreis. Und wir suchen weiterhin nach freien Wohnungen.”
Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eine Landesaufgabe, die an den Landkreis gemäß § 2 Absatz 1 des Landesaufnahmegesetzes an den Landkreis übertragen wird. Roger Lewandowski: “Dabei handelt es sich um eine Weisung, da gibt es für uns keinen Ermessensspielraum. Die Flüchtlinge werden uns zugewiesen, wir haben auch keinen Einfluß auf Herkunft, Alter, Geschlecht oder Familienstand. Wir stehen ganz am Ende der Kette. Wir müssen die Beschlüsse umsetzen. Wir sind deswegen auch der falsche Adressat für Kritik.”
Das Aufnahmesoll für den Landkreis für 2023 wird durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz im Land Brandenburg (kurz: MSGIV) vorgegeben. Das Aufnahmesoll liegt für die Landkreise und kreisfreien Städte bei 25.753 Personen. Auf den Landkreis Havelland entfallen dabei für das Jahr 2023 insgesamt 1.572 Personen. Roger Lewandowski: “Diese Zahl kann sich aber auch noch verändern, das ist im letzten Jahr mehrfach passiert.”
Von diesen 1.572 Menschen wurden in den ersten Monaten des Jahres bereits 398 Menschen zugewiesen, was bedeutet, dass 1.174 noch folgen können. Sie müssten dann auch untergebracht werden.
Landrat Lewandowski: “Wir haben leider keine große Kaserne, die zurzeit leersteht. Unsere aktuelle Aufnahmekapazität ist bis auf 200 zurzeit noch freie Plätze erschöpft. Wir müssen uns deswegen Gedanken darüber machen, wie wir weitere Menschen angemessen unterbringen. Wir haben aus diesem Grund bereits Städte, Ämter und Gemeinden darum gebeten, uns potenziell geeignete Standorte für die Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften zu benennen. Aus den Kommunen erreichten uns 13 Vorschläge. Insgesamt haben wir 43 mögliche Immobilien geprüft, darunter auch kreiseigene oder Liegenschaften vom Bund oder vom Land und auch von Privateigentümern.”
Eigentlich wollte der Landkreis Havelland am 9. Mai gleich sämtliche Standorte für neue Einrichtungen benennen, um die über 900 noch fehlenden Plätze zur Unterbringungen vorzuweisen. Aufgrund der sich noch hinziehenden Prüfverfahren konnten zunächst allerdings nur drei Potenzialflächen vorgestellt werden.
So sollen die Gemeinde Nennhausen und die Stadt Rhinow eine Containeranlage für jeweils 100 Personen erhalten. In beiden Fällen würden kommunale Grundstücke zum Einsatz kommen. Hier müssen allerdings noch die Gemeindevertreter bzw. Stadtverordneten zustimmen. Diese Hürde muss noch genommen werden.
Ein dritter Standort ist für die Stadt Falkensee vorgesehen. Hier soll eine Containeranlage für 400 Menschen entstehen – und zwar direkt auf dem Acker neben der Shell-Tankstelle in der Spandauer Straße.
Hier wird ein Pachtvertrag direkt mit einem privaten Eigentümer getroffen, sodass die Stadtverordnetenversammlung nicht zustimmen muss.
Aus diesem Grund können die Planungen in Falkensee auch ohne weiteren Zeitverzug angegangen werden – zurzeit geht es darum, die Verträge abzuschließen. Es geht in Falkensee um eine 20.000 Quadratmeter große Fläche, die sich L-förmig um die Tankstelle schmiegt – und bis an die nahe KFZ-Werkstatt heranreicht. Diese zurzeit für den Ackerbau verwendete Fläche soll zum Aufbau der Container versiegelt werden. Anschlüsse für Wasser und Strom sollen von der Straße her leicht zu verlegen sein.
Darf man aber einfach so eine Containeranlage auf einen langwirtschaftlich genutzten Acker setzen? Das Baugesetzbuch erlaubt laut Aussage vom Landkreis tatsächlich die Errichtung solcher Anlagen im Außenbereich der Stadt – allerdings nur temporär. Zunächst darf eine solche Container-Anlage nur bis zum 31. Dezember 2027 betrieben werden. Soll sie länger stehen bleiben, müsste diese Frist erst noch politisch verlängert werden.
Wie schnell könnte eine solche Containeranlage aber in Falkensee zum Einsatz kommen? Europaweite Ausschreibungen, trotzdem nötige Baugenehmigungen und viele andere bürokratische Hindernisse werden dafür sorgen, dass die Anlage erst in 10 bis 14 Monaten stehen wird – gerechnet ab sofort. Allein siehen Monate sollen für den zu erwartenden “Papierkrieg” verwendet werden.
Ein sehr großes Problem wird es sein, an die benötigten Container zu kommen. Jeder Landkreis in Deutschland macht sich zurzeit auf die Suche nach noch lieferfähigen Container, was die freie Verfügbarkeit senkt und gleichzeitig den Preis deutlich nach oben springen lässt.
Baudezernent Hansjörg Bohm: “Die Beschaffung der Container ist in den Zeitplänen noch nicht eingepreist, aber wir haben bereits mit Anbietern telefoniert.”
Was passiert aber, wenn die neuen Containeranlagen erst in mehreren Monaten verfügbar sind, weitere Flüchtlinge aber schon viel eher eintreffen?
Sozialdezernent Wolfgang Gall: “Wir versuchen alles, um die Flüchtlinge außerhalb von Turnhallen unterzubringen.”
Als Notunterkunft muss einmal mehr der Erlebnispark Paaren (MAFZ) in Schönwalde-Glien herhalten. Hier soll die kleine Halle so eingesetzt werden, dass 150 bis 180 Personen untergebracht werden können, der normale Betrieb aber nicht gestört wird. Roger Lewandowski: “Gleich nach der BraLa beginnen wir mit der Einrichtung der Notunterkunft. Wir denken, dass wir dann in zwei bis drei Monaten startklar sind.”
Mit den drei jetzt neu zu entwickelnden Standorten ist es nicht getan, es muss eine zweite Vorschlagliste nachgereicht werden, um das Soll nur für dieses Jahr zu erfüllen. Roger Lewandowski: “Aus unserer Liste kommen aber nur noch drei bis vier Orte in Frage.”
Das bedeutet, dass die anderen Vorschläge, die geprüft wurden, nicht praktikabel sind und deswegen bereits verworfen wurden. Lewandowski: “Wir hoffen, dass wir in einem Monat so weit sind, dass wir die fehlenden 600 Plätze auch noch nachweisen können.”
Wolfgang Gall: “Wir werden jetzt aber nicht wie die Berliner Zelte aufstellen. Wir setzen weiterhin auf die Container-Lösung.”
Roger Lewandowski: “Die Unterbringung der Flüchtlinge ist eine Landesaufgabe. Wer bestellt, sollte aber auch dafür bezahlen. Wir hoffen sehr, dass jetzt zeitnah eine Lösung gefunden wird, damit die Landkreise ihre Kosten auch erstattet bekommen. Und es müssen praktische Entscheidungen getroffen werden. Denn es ist ja nicht allein mit der Unterbringung der Menschen getan. Es müssen Deutschkurse angeboten werden und auch die Plätze in den Schulen und in den Kitas müssen vorhanden sein. Da stehen einige Sonder-Kreistage an, damit wir die vielen offenen Fragen klären können.”
Der Landkreis fordert aber auch die “Schaffung einer Übergangseinrichtung in Trägerschaft des Landes zur Unterbringung von Geflüchteten ohne oder mit geringer Bleibeperspektive und Verzicht auf die Verteilung dieser Personen auf die Landkreise.”
In Falkensee gibt es bereits zwei Einrichtungen für Flüchtlinge, eine mit 60 und eine mit 160 Plätzen.
Roger Lewandowski: “Diese Einrichtungen sind gut etabliert. Wir werden auch wieder die Zusammenarbeit mit der Flüchtlingsinitiative vor Ort suchen, das hat in der Vergangenheit sehr gut funktioniert.”
Die Bürger möchten natürlich gern wissen, woher die Flüchtlinge kommen, die in Falkensee untergebracht werden sollen.
Wolfgang Gall: “Wir können nicht sagen, woher die Flüchtlinge kommen werden, sie sind ja noch nicht da. Im letzten Jahr kamen etwa 2.000 Flüchtlinge aus der Ukraine und etwa 400 aus anderen Ländern. Die Schätzungen für dieses Jahr gehen davon aus, dass etwa 25 bis 30 Prozent der Flüchtlinge ebenfalls Ukrainer sein werden. Die Flüchtlingsströme lassen sich aber nicht einschätzen. Zurzeit registrieren wir übrigens auch türkische Flüchtlinge. Wir erfahren es aber immer nur sehr kurzfristig, wer da als nächstes zu uns kommt.”
Für den Falkensee-Standort lobte der Landkreis auch die gute Infrastruktur vor Ort. Die besteht aber im Grunde genommen nur aus einer Bushaltestelle direkt neben dem Standort für die zukünftige Container-Anlage – und der Tankstelle mit seinem integrierten Shop. Fußläufig könnte der Falkenmarkt mit dem ALDI und Rossmann erreicht werden, auf der anderen Seite liegt die Rathauskreuzung. Die nächst erreichbaren Schulen wären die Geschwister-Scholl-Grundschule und die Europaschule am Gutspark. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 207 (6/2023).
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