Death Comedy im Spandauer Kulturhaus: Der Tod übt sein viertes Programm “Gevatter Unser”
Der Tod hat ein Problem. Das Sterben hat einfach ein viel zu schlechtes Image. Das muss sich ändern. Und so tourt der Tod seit 2011 durch die Nation, um mit Konfetti, Blockflöte und Sense-to-go für Stimmung beim Ableben zu sorgen. Wer sich die Radieschen schon zu Lebzeiten von unten anschauen möchte, schwört auf “Death Comedy” und besucht den Tod bei seinen Auftritten in der braunen Kutte. Für “Todi” steht in diesem Jahr schon sein viertes Solo-Programm an. Am 14. April kam es zu einer geheimen Vorpremiere im Kulturhaus Spandau.
Am 14. April gab es im Kulturhaus Spandau keinen einzigen freien Platz mehr. Es hatte sich anscheinend doch herumgesprochen, dass der Tod höchstpersönlich (www.endlich-tod.de) sein viertes Programm in einer Vorpremiere üben und vor Publikum ausprobieren wollte.
Aber vielleicht hatte der Tod auch nur vorab Tickets für eine vermeintliche Kaffeefahrt verhökert: Das Publikum vor Ort war größtenteils alt genug, um nach der Show gleih zusammen mit dem Tod über den Jordan zu gehen. Der Tod hatte sich Spandau aber auch aus einem anderen Grund auserkoren: “Wenn ein Gag in Spandau funktioniert, funktioniert er überall.”
Die Promotiontour des Todes für ein fröhliches Verbleichen sorgt bereits seit 2011 für volle Särge. Nach “Mein Leben als Tod”, “Happy Endstation” und “Zeitlos” steht nun in diesem Jahr das vierte Programm “Gevatter Unser” auf dem Plan. Die Vorpremiere sollte das fast fertige Programm auf die Probe stellen. Schließlich naht auch beim Tod die Deadline, zu der das neue Programm fertig sein soll.
Und natürlich war auch das wieder ein bewährter Lacher: Da steht plötzlich der Tod in dunkler Robe mit aufgesetzter Kapuze auf der Bühne, die spinnenbein-dünnen Finger in der pulsierenden Merkel-Raute vor der Brust gefaltet, während Darth-Vader-ähnliche Atemröchler ins Mikrofon gehaucht werden. Und da ist sie plötzlich wieder, die Angst vor dem Sterben. Aber nur Sekunden später flötet eine kindlich glockenhelle Kastratenstimme ein fröhliches “Hallo” ins Mikro – und man weiß: Der Tod kann auch ein Freund sein.
Die Vorpremiere ausgerechnet im April zu machen, ist schon sehr mutig. Denn der Tod ist in diesem Monat schwer angeschlagen. Am 1. April denken alle Opfer, an dessen Tür er klingelt, dass das Sterben nur ein schlechter Scherz sein kann. Und zu Ostern wird der Tod mit der Wiederauferstehungspointe genervt, bis sich die Sense biegt. Aber wie sagt der Tod so schön: “Humor ist, wenn man trotzdem stirbt.”
Beim vierten Programm muss der Tod leider auf seine Praktikantin verzichten. Die stumme Exitussi in der rosa Laufkutte muss sich nämlich Zuhause um den Nachwuchs kümmern: Der kleine Totellini hält die Bewohner der Gruft ganz schön auf Trapp. Zwar ist es gut, wenn die ganzen Senioren auch von alleine ankommen, sobald der Tod ein Baby im Arm hält. Aber auf dem Spielplatz verbuddelt der kleine Totellini immer die anderen Kinder – und findet sie dann nicht mehr wieder.
Und so steht der Tod im vierten Programm wieder alleine auf der Bühne, um sein Stand-up-Comedy-Programm durchzuziehen. Hier ärgert sich der Tod über den viel zu warmen Winter (“Ich hatte mich so sehr über das kollektive Kaltmachen gefreut”), würde gern wie die Post arbeiten (“Wenn ihr die Tür nicht aufmacht, wenn ich klingele, geh ich eben zum Nachbarn”) und hat auch Ideen, was man für die Energiebilanz tun kann (“Ist dir die Energie zu teuer, wärm dich doch am Fegefeuer”). Auch über die “Letzte Generation” kommt der Tod ins Sinnieren: “Ich finde den Namen toll. Ich finde aber auch, er sollte ein Versprechen sein.”
Der Tod macht sich außerdem Gedanken über das Tempolimit (“Tempo 30 sollte generell für Krankenwagen und Feuerwehr gelten”), setzt sich passend dazu auch für ein Alterslimit ein (“Innerorts 30 wäre doch gut. Das war das Durchschnittssterbealter im Mittelalter. Es war eben nicht alles schlecht damals”) und freut sich über Laute aus dem Publikumsraum: “Das Husten klingt doch schon sehr vielversprechend”.
Zwischen den spaßigen Kommentaren eines Comedians, dessen Zeit eigentlich schon längst gekommen ist, gibt es immer wieder Fotos am Bildschirm zu bestaunen. Auf seinen Reisen durch ganz Deutschland findet der Tod überall erstaunlich Morbides im Schilderwald. Etwa, wenn das Richtungsschild zum Seniorenverein gleich über dem Wegweiser für den Friedhof zu finden ist. Oder wenn die Werbung unter der Haltestelle “Hauptfriedhof” verkündet: “2023 wird dein Jahr”. Auch Zeitungsschnippsel tragen zur Belustigung bei. Schlagzeilen wie “Senioren kochen und genießen” kann man eben auch falsch verstehen.
Und dann darf auch noch gesungen werden. Ein echter Partykracher, der auch schon samt Untertiteln bei YouTube zu sehen ist, ist Todis Version vom “Puffmutter Layla” Skandalsong. Nur dass der Tod auf “Layla” noch viel mehr Reime findet als immer nur “geiler”. Seine Layla ist nämlich eine Gruftmama, zu der sich vortrefflich reimen lässt: “Die ist nix für Langeweiler. Sie rammte in sein Hals nen Pfeiler. Sie schloss ihn an den Strom-Verteiler. Und nun brauch ich nen Tatort-Reiniger.”
Viele weitere Späße später, nach dem interaktiven Publikumsspiel “Stadt, Land – Schluss” und einem Quiz auf der Bühne ging abermals ein sehr lustiger Abend zu Ende. Der Tod gab im Foyer auch noch Autogramme und verkaufte seine tödlichen Merchandise-Artikel wie die Autoparkscheibe “Zeit abgelaufen”, das Feuerzeug des Todes mit dem Spruch “Na komm, rauch doch noch eine” oder den Kühlschrank-Magnet “Ich mach’s kalt”. Im “Spendenschädel” wurden außerdem Spenden für den Verein Deathcare gesammelt. Er schickt Bestatter in Krisengebiete, um dabei zu helfen, die Verstorbenen würdig zu beerdigen.
Die echte Premiere des neuen Programms findet am 16. und 17. Juni in den Berliner Wühlmäusen statt. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 206 (5/2023).
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