Die Rieselfelder von Wansdorf: Neue Grabenwanderung mit Bürgermeister Bodo Oehme!
Wasser wird zunehmend zu einem ganz besonders wichtigen Gut in jeder Gemeinde auf dem Land. Kein Wunder, dass unsere Altvorderen viel Geld und Zeit in eine gut ausgetüftelte Grabenlandschaft gesteckt haben – zum Entwässern von Landstrichen, aber ebenso auch, um das Wasser vor Ort zu halten. Bodo Oehme, Bürgermeister von Schönwalde-Glien, ist ein großer Fan der alten Grabensysteme – und lädt immer wieder zu entsprechenden Führungen ein. Am 26. März ging es auf die alten Rieselfelder von Wansdorf – an die 70 Personen waren trotz Dauernieselregen mit dabei.
Bodo Oehme: “Wenn Sie in der Siedlung von Schönwalde-Glien duschen gehen, dann dauert es keine 26 Minuten und das Wasser kommt hier in der Kläranlage in Wansdorf an.”
Das 1998 in Betrieb genommene Klärwerk Wansdorf ist aber nicht nur für Schönwalde-Glien verantwortlich. Als Gesellschafter sind auch die Berliner Wasserbetriebe, die Stadt Hennigsdorf, die Stadt Falkensee, die Stadt Velten und die Stadt Oranienburg mit dabei. Sie alle leiten Abwasser nach Wansdorf.
Früher kamen hier bis zu 13,2 Millionen Kubikmeter Schmutzwasser im Jahr an, heute dürfen nach neuen Bestimmungen nur noch 8,5 Millionen Kubikmeter angeliefert, gereinigt, aufbereitet und am Ende über einen 1,4 Kilometer langen Graben in den Havelkanal abgeführt werden.
Das Klärwerk sorgt heute dafür, dass unser gesamtes Schmutzwasser aus der Region wieder zurück in den Wasserkreislauf gelangt. Aber wie hat das früher einmal funktioniert?
Bodo Oehme: “Man fährt so oft die Straße zwischen der Siedlung und Wansdorf entlang. Dabei kommt man zwangsläufig an den alten Rieselfeldern vorbei. Über sie wissen aber nur die wenigsten Bescheid. Dabei ist die Geschichte der Rieselfelder höchst interessant.”
Da der Bürgermeister von Schönwalde-Glien schon immer ein großes Interesse an den alten Grabensystemen hatte, war es kein Wunder, dass er am 26. März zusammen mit dem Ortsverband der CDU zu einer neuen Grabenwanderung einlud. Dieses Mal stand ihm Olaf Müller zur Seite. Er war bis zum Oktober 2022 der Geschäftsführer der Klärwerk Wansdorf GmbH (www.k-w-g.de) – und ist somit ein wandelndes Lexikon.
Olaf Müller: “Vor über hundert Jahren erkannte der Berliner Arzt Rudolf Virchow: Abwässer machen krank. In der Folge leitete man sie radial aus der Stadt heraus ins Umland. Das machte auch Spandau so, das damals noch eigenständig war und nicht zu Berlin gehörte. 1919 entstanden in Wansdorf drei Absetzbecken mit einer Reinigungsleistung von bis zu 36.000 Kubikmeter Wasser am Tag. Nachgeschaltet waren zunächst nur 38 Hektar Rieselfelder. Das reichte nicht lange aus. Am Ende wurden bis zu 106 Hektar reine Rieselfelderfläche genutzt. Sie reichten in Wansdorf bis auf die andere Seite der Bahntrasse. Hinzu kamen in früheren Zeiten Fischteiche zur Nachreinigung des so aufbereiteten Wassers.”
1925 wurde in Wansdorf ein Emscherbrunnen gebaut – acht Meter hoch und 20 mal 20 Meter im Durchmesser. Das Bauwerk ist heute nicht mehr existent. Damals wurde hier das Klärwasser durch schräg verlaufende Wände vom Schlamm getrennt, der durch sein Eigengewicht in den Faulraum lief und hier entnommen werden konnte.
Olaf Müller: “Das so vorgereinigte Wasser wurde über ein überirdisches Grabensystem auf die Rieselfelder verteilt. Die Rieselfeldwärter, die in eigenen Häusern mitten auf den Rieselfeldern wohnten, hatten die Aufgabe, das Wasser durch das Anheben von hölzernen Verschlüssen gezielt auf die einzelnen Tafeln der Rieselfelder zu leiten. Hier versickerte das Wasser, um am Ende in unterirdischen, in 1,5 Metern Tiefe verlegten Drainagerohren aus Ton zu landen, die das Wasser abführten. Die Reinigungsleistung der Rieselfelder war übrigens sehr gut, nur Phosphor und Stickstoff ließen sich nicht entfernen. Die Rieselfelder wurden bis 1998 genutzt.”
Noch heute sieht man sehr gut die abgesenkte und rechteckige Struktur der vielen hundert Tafeln der ehemaligen Rieselfelder. Auf den schon so viele Jahre nicht mehr genutzten Ländereien wächst allerdings kaum ein Strauch – nur dünne Birken klammern sich am Boden fest, der eigentlich fruchtbar sein müsste ohne Ende.
Olaf Müller: “Tatsächlich hat man früher auf den Rieselfeldern sogar Obst und Gemüse angebaut. Der Schlamm wurde außerdem mit Rindenmulch versehen auf die Felder der Bauern verbracht, um hier die Qualität der Erde zu verbessern. In früheren Zeiten kamen allerdings viele Abwässer auch aus den Stahlbetrieben in Hennigsdorf zum Versickern auf die Rieselfelder – dort wurden Produkte galvanisch veredelt. Da war viel Kupfer mit dabei. Dieses Schwermetall im Boden verhindert selbst heute noch, dass hier etwas wächst.”
Schädliche Stoffe aus dem Schmutzwasser herauszufiltern ist auch heute noch das große Bestreben aller Verantwortlichen. Bodo Oehme: “2020 haben wir damit begonnen, 41 Millionen Euro u.a. für weitere Filterstufen zu investieren, um noch mehr unerwünschte Stoffe aus dem Wasser zu holen. Denn das Problem ist, dass sich Pestizide und bestimmte Medikamente wie etwa Antibiotika oder die Wirkstoffe der Pille zur Empfängnisverhütung nicht aus dem Wasser hinausfiltern lassen. Aus diesem Grund ist es uns in Wansdorf nicht erlaubt, das wiederaufbereitete Wasser direkt vor Ort versickern zu lassen, wie das früher der Fall war. Das wäre beim anhaltenden Wassermangel in Brandenburg essenziell, um etwas für unser Grundwasser zu tun. Allein, wir dürfen es nicht.”
Und warum darf das Wansdorfer Wasser nicht im Wansdorfer Boden versickern? Olaf Müller: “Das liegt am Verschlechterungsverbot der EU. Ein Boden darf durch das Einbringen von Wasser nicht in seiner Qualität verschlechtert werden. Das wäre hier aber aufgrund der Medikamentenrückstände der Fall. Die Vorgabe will, dass unser gereinigtes Wasser stattdessen zur Vorflutung in ein größeres Gewässer eingebracht wird, das ist bei uns eben der Havelkanal. Wir haben damit zwar keine neuen Schadstoffe im Boden, aber eben auch kein Wasser mehr. Das fließt über die Flüsse bis ins Meer.”
Bodo Oehme: “Ich setze mich seit Jahren dafür ein, dass unser Wasser bitte schön in der Region bleibt. Die Rieselfelder waren einmal Feuchtgebiet, nun sind sie komplett trockengefallen. Bei Moorlandschaften gast der Torf große Mengen an Kohlendioxyd aus, wenn er austrocknet. Ich dachte immer, das wollen wir verhindern, um das Klima zu retten. In der Region bräuchten wir ansonsten mehrere Jahre Dauerregen, damit sich unser Grundwasser wieder erholt.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 206 (5/2023).
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