Kino-Filmkritik: Ein Mann namens Otto

Otto Anderson (Tom Hanks) ist alt, mürrisch und verbittert. Seine Frau ist gestorben, seine Firma hat ihn in den Ruhestand geschickt und Kinder hat er auch keine. So kümmert er sich um seine kleine Straße, geht jeden Tag seine Route und sorgt dafür, dass alle ihren Parkausweis ordentlich ins Auto gehängt haben und dass der Müll richtig getrennt wird. Für niemanden hat er ein liebes Wort, …
… den Zeitungsboten zerrt er vom Rad, die streunende Katze würde er am liebsten treten und die Nachbarn hält er allesamt für geistig minderbemittelte Idioten. Keine Frage: Grummel-Rentner Otto ist absolut nicht dazu geeignet, seinen Mitmenschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Und eigentlich hält Otto auch nichts mehr im Leben. Doch egal, wie einfallsreich er sich auch umbringen möchte, es gelingt ihm einfach nicht. Das mag auch an den neuen Nachbarn liegen. Die aus Mexiko stammende Marisol (Mariana Trevino) überschüttet Otto förmlich mit ihrer Energie, ihrem Chaos und ihrem pulsierenden Leben, bis Otto gar nicht mehr anders kann, als dem grauen Alltag ein klein wenig Farbe abzuringen. Zumal Marisols Mann, wie soll es anders sein, ein vollkommener Trottel und Idiot ist, der nicht einmal die einfachsten Dinge beherrscht, die ein Familienvater können muss.
Der deutsche Regisseur Marc Forster („James Bond 007: Ein Quantum Trost“, „World War Z“, „Christopher Robin“) hat sich an die Aufgabe gewagt, den erfolgreichen skandinavischen Film „Ein Mann namens Ove“ als Relaunch an den amerikanischen Markt anzupassen.
Tom Hanks gilt normalerweise als ein sehr netter, freundlicher und umgänglicher Mensch. In „Ein Mann namens Otto“ verkörpert er den Granter mit heruntergezogenen Mundwinkeln auf eine sehr glaubwürdige Art und Weise. Es ist ein wahres Vergnügen, ihm dabei zuzusehen, wie er immer wieder mit den Menschen um sich herum in den Disput gerät. Seine mürrische Art und Weise bekommt aber im zunehmendem Maße Risse, wie der Film in Erinnerungsfetzen in die Vergangenheit driftet und zeigt, wie Otto früher einmal war. Hanks eigener Sohn Truman tritt hier als sein junges Alter Ego auf – und präsentiert eine glückliche, junge Version von Otto.
Zum Glück nimmt sich Marc Forster die Zeit dafür, zunächst Ottos mürrisches Wesen zu inszenieren, um es anschließend peu à peu wieder einzureißen. Über zwei Stunden ist der Film lang. Er entpuppt sich als eine cineastische Ode an das Leben. Denn wie es der quirligen Marisol gelingt, den todessehnsüchtigen Rentner zurück ins Leben zu holen, das ist auf vielen Ebenen sehenswert.
Und nur aus dieser Darstellung heraus gewinnt der Film die Stärke, um am Ende das gesamte Kino zum hemmungslosen Heulen und Schluchzen zu animieren.
Der Film weiß aber nicht nur aufgrund seiner extrem starken Emotionen zu gefallen. Sehr positiv fällt auch auf, dass es eben nicht darum geht, die ganze Welt zu retten oder das ganz große Rad zu drehen. Es geht nur um eine Handvoll Menschen, die in einer kleinen ruhigen Seitenstraße leben, und die es selbst in der Hand haben, wie gut sie miteinander auskommen – oder eben nicht. Das gibt einem doch den Glauben daran zurück, dass es mit etwas Mühe auch in der eigenen Straße ganz gut funktionieren kann. (CS / Bilder: Sony Pictures)
Fazit: 5 von 5 Sterne (FSK: 12)
Spieldauer: 126 Minuten
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=n-mOpJGDq6o
Dieser Artikel stammt aus „Zehlendorf Aktuell“ Ausgabe 107 (2/2023).
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