Lebenshilfe Havelland: Bericht der Ukraine-Gruppe
Im Juli haben wir berichtet: Der Familienunterstützende Dienst (FuD) im Verein Lebenshilfe Havelland e.V. hat sich fast umgehend nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine um Frauen mit Kindern gekümmert, die nach Deutschland geflüchtet waren. In einer Mutter-Kind-Gruppe haben sich die Frauen drei Mal in der Woche getroffen. Was ist aus der Gruppe geworden, wie ging es weiter? Wir haben die Gruppe noch einmal besucht.
Viele Frauen sind aufgrund des Kriegsgeschehens in der Ukraine nach Deutschland geflohen. Ihre Kinder haben sie mitgebracht, ihre Männer mussten in der Ukraine bleiben, um zu kämpfen.
Tom Sukowski ist der Leiter des Familienunterstützenden Dienstes (FuD) im Verein Lebenshilfe Havelland e.V.: “Wir wollten helfen – und haben nach ersten Überlegungen eine Mutter-Kind-Gruppe ins Leben gerufen. Denn oft war es zwar möglich, dass die älteren Kinder einen Platz in der Schule gefunden haben. In der Kita war es aber nicht so leicht, einen Platz zu bekommen. So haben wir die Ukraine-Gruppe gegründet, sie hat sich seit dem Juni drei Mal in der Woche bei uns getroffen. 15 Mütter haben wir in dieser Zeit betreut. Die Kinder konnten vor Ort drei Stunden miteinander spielen – und die Mütter hatten Zeit, ins Gespräch zu kommen. Wir haben miteinander gebacken, gebastelt, gemalt, ein niedrigschwelliges Deutsch-Lernangebot unterbreitet und Hilfestellung bei der Bürokratie geleistet. Es gab auch immer ein warmes Mittagessen für alle: Der Landkreis Havelland hat uns hier sehr unterstützt.”
Seit Juni ist viel passiert. Tom Sukowski: “Viele unserer Frauen aus der Ukraine haben inzwischen eine Wohnung in der Region gefunden, meist in Rathenow. Sie besuchen Willkommenskurse und lernen Deutsch. Einige Mütter sind auch in die Ukraine zurückgekehrt. Ich habe in der Zeit auf jeden Fall eins begriffen: Für Menschen, die den deutschen Bürokratiewahn nicht kennen, kann es extrem herausfordernd sein, Hilfe zu erhalten oder in Arbeit zu kommen.”
Bei den Gesprächen mit den Frauen aus der Ukraine war Galina Merian eine große Hilfe. Sie stammt selbst aus der Ukraine, lebt aber seit 25 Jahren in Falkensee. Sie ist von Beruf Geigenlehrerin, auch für Kinder: “Ich stamme aus der West-Ukraine. Ich habe den Kontakt zur Heimat immer gehalten und bin zwei, drei Mal im Jahr in die Ukraine gefahren. Nach 25 Jahren bin ich aber selbst fast eine Deutsche geworden. Wir hatten hier in der Mutter-Kind-Gruppe tolle Frauen, wir sind sehr eng zusammengewachsen. Am Anfang musste ich den Frauen sehr viel erklären, etwa, wie die deutsche Bürokratie funktioniert oder wie man Geld überweist.”
Man kann klar sagen: Die Ukrainerinnen sind auch dank der intensiven Betreuung in der Mutter-Kind-Gruppe der Lebenshilfe gut in Deutschland angekommen. So gut, dass die Gruppe am 19. Dezember mit einer schönen Abschlussfeier aufgelöst wurde.
Vera ist eine der Frauen, die die Gruppe gern besucht haben: “Ich stamme aus Kiew und habe bereits in der Schule etwas Deutsch gelernt. Seit dem 29. März bin ich mit meinen beiden Söhnen in Deutschland. Meine Schwester ist noch in Kiew, wir haben Kontakt über das Telefon. Als ich damals geflohen bin, hatten die Russen Kiew schon fast eingekreist. Sie waren sehr dicht an meiner Wohnung. Von den Raketen haben die Wände gewackelt, es war sehr gefährlich. Wir haben einen Monat lang im Flur geschlafen. In Deutschland war es das Schwierigste, eine Wohnung zu finden. Sechs Monate waren wir im Übergangswohnheim in Schönwalde-Glien, jetzt haben wir eine Wohnung in Rathenow. Ab Januar mache ich einen Intensivkurs Deutsch. Ich möchte gern eine Arbeit finden.”
Natalia stammt aus Charkiv: “Das liegt sehr nah an Russland. Im Februar sind wir von den ersten Bomben wach geworden. Ich habe gleich entschieden, die Ukraine mit meinem Sohn zu verlassen. Mein Mann ist geblieben. Er ist Farmer und baut Sonnenblumen und Korn an. Seine Mitarbeiter sind geflohen, er selbst sucht auf den Feldern nach Blindgängern. Wenn der Krieg vorbei ist, brauchen wir die Felder, um Nahrung anzubauen.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 202 (1/2023).
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