Gegen die Alterseinsamkeit: Die Senioren in Dallgow-Döberitz haben klare Wünsche!

Wolfgang Biernath (69) krempelt die Ärmel hoch. Der Rentner ist seit kurzem der neue Vorsitzende im Dallgower Seniorenbeirat. Er möchte dafür sorgen, dass die Senioren im Ort auch in Zukunft sehr gern in Dallgow-Döberitz wohnen bleiben. Probleme sieht der ehemalige Gewerkschaftler vor allem in der Bereitstellung von altersgerechtem Wohnraum und bei der drohenden Vereinsamung älterer Menschen.
Wenn es darum geht, einen Ort weiter zu entwickeln, werden die Senioren oft vergessen. Aus diesem Grund ist die lokale Lobby-Arbeit in eigener Sache ganz besonders wichtig. Das sieht auch Wolfgang Biernath so, der seit kurzem dem Seniorenbeirat in Dallgow-Döberitz vorsteht. Er krempelt bereits die Ärmel hoch, um drängende Projekte im Ort anzugehen.
Wolfgang Biernath: „Wir sind knapp 10.000 Bürger in Dallgow-Döberitz. Etwa ein Viertel davon sind Senioren im Alter von über 55 Jahren. Ihre Interessen werden vom Seniorenbeirat vertreten, den es schon ganz lange im Ort gibt. Ich bin bereits seit zwei Jahren Mitglied im Seniorenbeirat, der aus fünf Mitgliedern besteht. Wir haben uns nun – ganz einvernehmlich – neu strukturiert. Die gute Arbeit der Vorgänger möchte ich weiterführen, es stehen einige wichtige Themen an.“
Wolfgang Biernath stammt aus Berlin-Charlottenburg und ist eigentlich gelernter Elektriker: „Aus diesem Beruf bin ich aber schon seit über 40 Jahren raus. Ich habe immer im sozialpolitischen Bereich gearbeitet, zuletzt 30 Jahre im öffentlichen Dienst. Ich war Verdi-Funktionär und Personalratsvorsitzender. In den letzten zehn Jahren habe ich mich viel im ASB Falkensee engagiert und hier u.a. das Rikscha-Projekt und das Erzählcafé für Senioren mit ins Leben gerufen. Außerdem war ich Mitbegründer und Netzwerkkoordinator für Menschen mit Demenz.“
Der aktuelle Seniorenbeirat ist in Dallgow-Döberitz ganz offiziell von den Bürgern gewählt worden und nun für fünf Jahre im Amt. Wolfgang Biernath: „Bislang haben wir sehr viel Energie in den Pflegepakt und in das vom Landkreis finanzierte Präventionsprojekt ‚Senioren unterwegs‘ gesteckt. Allein in 2022 haben wir 570 Senioren aus Dallgow-Döberitz dazu bewegt, einmal die eigenen vier Wände zu verlassen, um etwas zu unternehmen. So haben wir sie etwa zu einer Dampferfahrt eingeladen oder sind mit dem Bus zur BUGA gefahren. Diese Tagesausflüge sind immer sehr aufwändig zu organisieren. Aber die teilnehmenden Senioren schätzen die Ausflüge sehr.“
Die Arbeit des neuen Seniorenbeirats beginnt nun damit, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie die älteren Bürger in Dallgow-Döberitz eigentlich leben. Wolfgang Biernath: „Zu dem Thema gibt es bereits zahlreiche Statistiken und Umfragen, die freilich für ganz Deutschland gelten. Diese Daten werten wir nun aus und brechen sie auf Dallgow-Döberitz herunter. Im Frühjahr planen wir dazu eine Seniorenversammlung, um die älteren Bürger im Ort gezielter anzusprechen und den Dialog zu suchen. Hier wollen wir von ihren Sorgen und Problemen hören und einen Forderungskatalog erstellen. Ganz wichtig ist für uns dabei schon jetzt die Installation einer generationsübergreifenden Begegnungsstätte. Die Gemeinde soll im besten Fall eine Räumlichkeit schaffen, in der Feste, Treffen, Sprechstunden und andere Aktivitäten stattfinden können. Wir haben eine gute Zwischenlösung finden können, aber auf Dauer sind eigene Räumlichkeiten sehr wichtig für uns. Dallgow-Döberitz hat viel für junge Familien geschaffen und Schulen und Kitas gebaut. Jetzt sind wir Senioren an der Reihe.“
Wolfgang Biernath ist begeistert von der Arbeit des Bürgerbusses in Dallgow-Döberitz: „Aber wie könnten wir die Mobilität für Senioren weiter verbessern? Ich sage, wir müssen die Anzahl der Sitzbänke im Ort erhöhen. Ein dichtes Netz an Bänken schafft mehr Mobilität. Viele Senioren können keine 150 Meter mehr aus eigener Kraft laufen und brauchen dann eine Bank, um zu verschnaufen. Auch sogenannte Mitfahrbänke sind eine tolle Idee. Viele Senioren fahren selbst im hohen Alter noch mit dem Auto, um die eigene Mobilität nicht einzuschränken.“
Ein ganz wichtiges Thema für Wolfgang Biernath ist die Alterseinsamkeit und ein altersgerechtes Wohnen: „In Dallgow-Döberitz kann man die Zahl altersgerechter Wohnungen fast an einer Hand abzählen. Wer sich im Alter verkleinern möchte, muss eigentlich den Ort verlassen. Ich möchte deswegen dafür plädieren, mehr altersgerechte Wohnungen zu bauen oder große Häuser so umzustrukturieren, dass in ihnen mehrere Wohnungen entstehen. Alternativ sind ganz neue Modelle möglich. So bringen wir junge und alte Menschen gezielt zusammen, um auf diese Weise auch etwas gegen die Alterseinsamkeit zu tun. So könnten junge Familien ohne eigenen Garten den Senioren die Gartenarbeit abnehmen. Oder junge Studenten ziehen zu einem Senior, um in Berlinnähe zu wohnen und um gemeinsam den Haushalt zu schmeißen.“
Wolfgang Biernath sucht auch gezielt nach Senioren, die ihn bei den anstehenden Projekten unterstützen möchten. So ist auch die Einrichtung eines Einsamkeitstelefons angedacht: „Wir finden sehr schnell etwas zu tun. Es fehlt bei uns nicht an Ideen, es fehlt an Unterstützung.“
Der Seniorenbeirat macht auch noch auf ein weiteres Problem aufmerksam: die Pflegeversorgung. Wolfgang Biernath: „Viele Senioren sind auf eine häusliche Pflege angewiesen. Die Pflegestellen sind aber ausgelastet. Die ersten Senioren verlassen Dallgow bereits, weil sie hier keine Hauspflege finden können. Da müssen wir schnell etwas tun.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 202 (1/2023).
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