Scheibes Glosse – 13er Putzlappen
Es gibt so kleine, fiese Späße, die kann man sich als Kollege einfach nicht verkneifen, sobald junge und noch ahnungslose Azubis im Unternehmen auftauchen. Man schickt sie dann gern einmal los, um das verschollene WLAN-Kabel zu suchen. Jede Branche hat dabei so ihre ganz eigenen Initiationsriten. Wir haben ihnen einmal nachgespürt.
Viele Unternehmen, Betriebe und Behörden suchen nun wieder nach Auszubildenden, um freie Arbeitsplätze zu besetzen.
Auch wenn es zurzeit alles andere als einfach ist, den Nachwuchs aufzuspüren und zum Unterschreiben der Azubi-Verträge zu verleiten: Klar ist schon jetzt, dass die Neulinge im Rahmen ihrer Lernkurve durchaus auch etwas leiden müssen.
Denn zum Initiationsritus gehört es nun einmal dazu, dass die Azubis verarscht, veräppelt und hochgenommen werden. Die meisten Neulinge kennen eben all die vielen neuen Fachbegriffe noch nicht, die zu ihrer anvisierten Tätigkeit gehören. Da kann man sie doch in der Eingewöhnungsphase wunderbar auf den Arm nehmen.
Das gelingt vor allem im Handwerk sehr gut. Da lässt man die Azubis Holzschweißdrähte besorgen, Knackblättchen für den Drehmomentschlüssel holen, einen Rückwärtsschraubendreher suchen oder Feilenfett organisieren. Die Azubis werden ausgeschickt, um einen Eimer Pressluft zu holen, Kolbenrückzugsfedern zu besorgen oder ein rechtwinkliges Augenmaß heranzuschaffen. Es ist wahrlich verwunderlich, wie viel Schabernack sich alleine mit einer vermeintlich defekten Wasserwaage treiben lässt. Der Azubi kann nach den benötigten Gewichten für die Wasserwaage suchen, mit dem Auffüllen des Wassers beauftragt werden oder eine neue Luftblase aus der Zubehörkiste fischen. Und dann gibt es da ja auch noch den Getriebesand.
So eine Ausbildung auf dem Bau dauert seine Zeit. Da gehen den Ausbildern die Scherze so schnell nicht aus.Glücklich ist da der, der nur Bier holen muss. Die Kollegen werden nämlich ansonsten gern schon einmal ausgeschickt, um eine Wasserstrahl-Biegezange, den Froschhaar-Pinsel oder einen 13er Putzlappen zu organisieren. Ganz sicher kann der Azubi auch sein, dass er weder die Tüte mit den Fertigfugen für die Fliesen noch die Dose mit dem Bohrlochentferner findet.
Vor allem im Finanzamt scheinen viele Ausbilder mit einem leicht schrägen Humor zu sitzen. Sie fragen beim Nachwuchs schon einmal nach der Gewerbesteuermesslatte, dem Hypothekenbeschwerer, dem Steuerhinterziehungsformular, der Schere für den Buchungsschnitt oder nach den Blanko-PDFs. Und wenn zu eifrig gestempelt wird, braucht der Vorgesetzte vielleicht auch einen ordentlichen Stempelkissenentfeuchter.
Wer Koch werden möchte, sollte auch schnell damit beginnen, Vokabeln zu pauken. Manchmal reicht es aber auch, das eigene Hirn anzuwerfen. Denn gibt es in einer Restaurantküche wohl eine Sauerkraut-Trocknungsleine, einen Speckhobel oder eine Rosinenflinte, mit der man Rosinen ins Brötchen schießt? Eher nicht. Es ist auch ganz bestimmt ein Scherz im Anrollen, wenn die Azubis aufgefordert werden, Mehl mit dem Messer feinzuhacken. Und – es gibt auch keinen Faden zum Soßenabbinden. Selbst der Blätterteig wird nicht aus einzelnen Blättern zusammengesetzt. Ehrlich.
Deutlich makabrer geht es zu, wenn man sich im Umfeld eines Krankenhauses ausbilden lässt. Wer losgeschickt wird, um einen Patienten aus dem Pathologie-Aufwachraum abzuholen, erlebt eine schockierende Überraschung. Das große Venensuchgerät ist auch noch nicht erfunden worden – ebenso wenig wie der Hämorrhoidenhalter oder das Gerät zur Darmgasanalyse. Wer im Labor arbeitet, kann loslaufen, um einen Eimer Benzolringe zu holen. Er wird ihn nicht finden.
Viel Spaß haben die Ausbilder auch im KFZ-Umfeld. Wo Autos auf die Hebebühne kommen, darf durchaus auch einmal herzhaft gelacht werden – gern auf Kosten der armen Azubis im Blaumann. Ob es wohl eine Blinkerflüssigkeit gibt, die ausgetauscht werden muss? Gibt es eine Auspuff-Innenwand-Tapete? Oder eine Vergaserinnenbeleuchtung? Und wie ist es um den Windschutzscheibenausbeulhammer bestellt? Hmm, Sie ahnen es sicherlich schon. Auch diese Wörter stehen nicht im KFZ-Duden!
Es gibt ganz bestimmt kein Berufsumfeld, das nicht seine eigenen Begrifflichkeiten erfunden hätte, um Azubis zu veräppeln. Im Sport wurde dafür das Volleyball-Torwart-Trikot erfunden, das gewaschen werden soll. Bei der Polizei fehlen das Blaulichtwasser und die Melodiekarte für das Martinshorn. Und in der Luftfahrt wird ein Wolkenschieber gesucht.
Wir hier in der Redaktion lassen die Azubis lieber die Festplatten der Computer auswuchten – mit Dateien, in denen besonders leichte oder aber schwere Literatur gespeichert ist. (CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 199 (10/2022).
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