Havelland: Kontroverse Diskussion über den European Deal
Am 20. September trafen sich auf Einladung der Europa-Union-Havelland der Europaabgeordnete Dr. Christian Ehler (CDU), der Wissenschaftler Prof. Dr. Liebich (TU Berlin), Landtagsabgeordneter Heiner Klemp (Bündnis 90/Grüne) sowie Michael Koch (CDU), Dezernent Umwelt, Landwirtschaft und Veterinärwesen beim Landkreis HVL. Es entfachte sich eine heiße Diskussion über eine drohende Deindustrialisierung und deren Folgen.
„Wir tun so, als hätten wir noch Zeit. Die haben wir aber nicht! Die zentrale Frage lautet: Was müssen wir tun, um die Umwelt zu retten? Das muss der Rahmen für die Wirtschaft sein.“ Mit diesem Apell forderte Prof. Dr. Liebich von der TU Berlin eindringlich mehr Tempo bei der Umsetzung der Klimaziele und ein Abrücken vom Primat der Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund bezeichnete er die aktuelle Gasknappheit sogar als „eigentlich gut, denn sie beschleunigt die notwendige Transformation“.
Bis dahin waren sich die Diskutanten hinsichtlich der Ziele des Green Deals – der Klimaneutralität bis 2050 – vollkommen einig. An dem Punkt, an dem es um konkrete Maßnahmen und der Folgen ging, gingen die Ansichten auseinander und die Debatte wurde hitzig. Moderator Dr. Tom Schaak hatte einiges zu tun. Er lenkte die Diskussion jedoch äußerst sachlich und geschickt, sodass die Teilnehmer bei allen Emotionen doch immer wieder auf die Kernpunkte zurückkamen.
Deindustrialisierung Europas?
Zentraler Streitpunkt war die aktuelle Belastung der Wirtschaft. Während Dr. Christian Ehler betonte, dass die drohende Deindustrialisierung zu Instabilität und Rückschritt führen könne, bezeichnete Prof. Liebich dies als Kampfbegriff. „Deindustrialisierung heißt eben nicht Rückschritt, sondern neue Industrien entwickeln.“ Dafür brauche es die richtigen politischen Rahmenbedingungen sowie politischen Willen. Dieser hätte beispielsweise bei der Solar- und Windenergiebranche gefehlt. Sie seien einst „hoch profitabel“ gewesen. Wegen mangelnder politischer Unterstützung sei die Produktion dann aber nach China abgewandert.
An dieser Stelle widersprach Dr. Christian Ehler deutlich. Die Solarbranche sei die am höchsten subventionierte Branche gewesen und dennoch hätte China – ebenfalls dank staatlicher Unterstützung – deutlich billiger produzieren können. Er bat darum, den Green Deal nicht als reines Umweltprogramm misszuverstehen. Es handele sich vielmehr um ein Wirtschaftsprogramm, mit dem das Wachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werden soll. Das Ziel sei Decarbonisierung – nicht Deindustrialisierung.
In vielen Bereichen gäbe es Zielkonflikte, bei denen Kompromisse geschlossen werden müssten, um die Bevölkerung in diesem enormen Transformationsprozess nicht zu verlieren. Als Beispiel nannte er die Landwirtschaft, die die Versorgungssicherheit gewährleiste. Diese Notwendigkeit kollidiere häufig mit Natur- und Artenschutzzielen.
Landkreis Havelland
Michael Koch, Dezernent Umwelt, Landwirtschaft und Veterinärwesen beim Landkreis HVL, schilderte die Herausforderungen des Landkreises. Während das Havelland 114% seines Strombedarfs aus alternativen Energiequellen – hauptsächlich Windkraft – produziert, liegt die Quote bei der Wärme nur bei 10 %. Auch er sprach von Zielkonflikten. So stünden viele Liegenschaften des Landkreises unter Denkmalschutz und könnten nicht gedämmt oder mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet werden. Auch in der Landwirtschaft gäbe es solche Zielkonflikte. So liegen 80 % der landwirtschaftlichen Fläche des Landkreises in Schutzgebieten. Unter solchen Voraussetzungen sei es nicht einfach, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dies sei aber notwendig, um lange Transportwege zu vermeiden.
Klimaplan und Energiestrategie
Heiner Klemp (Bündnis 90/Grüne), Mitglied des Landtages und im Europaausschuss lobte ausdrücklich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass sie mit dem Green Deal das Thema Klimaschutz in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt. Er rief alle Ebenen bis hin zu den Privathaushalten dazu auf zu überlegen, was man tun könne – auch ohne Gesetze.
Das Land habe einen Klimaplan sowie eine Energiestrategie 2040 aufeinander abgestimmt und verabschiedet. Im nächsten Schritt sollen die ehrgeizigen Ziele mit Maßnahmen untersetzt werden. Hier werde die Förderkulisse des European Green Deals helfen.
Spitze gegen Landesregierung
Einig waren sich alle Diskutanten über die herausragende Rolle Europas. Eine Transformation in dem Ausmaß könne nur mit größtmöglicher Abstimmung gelingen. Auf keiner anderen Ebene sei so eine Beteiligung und Transparenz möglich wie im Gesetzgebungsverfahren der EU. Von Beginn an können Bürger, Kommunen und Landesregierungen Stellungnahmen abgeben. „Von diesem Recht macht allerdings keine Regierung weniger Gebrauch als die Landesregierung von Brandenburg.“, stellte Dr. Ehler lapidar fest.
Info: Das ist der European Green Deal
Der European Green Deal, der im Dezember 2019 in Brüssel vorgestellt wurde, soll die europäischen Volkswirtschaften in den kommenden 30 Jahren umkrempeln und unabhängig von fossilen Brennstoffen machen. Die Maßnahmen erstrecken sich über alle Bereiche der Gesellschaft. Bis 2050 soll Europa klimaneutral werden, also netto keine Treibhausgasemissionen mehr in die Atmosphäre ausstoßen. Alle 27 EU-Mitgliedstaaten haben sich in diesem Zuge dazu verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Dafür sollen 25% des EU-Haushalts sowie zahlreiche Fördergelder und Eigenmittel zur Verfügung stehen. Bis 2030 sollen für die Maßnahmen des European Green Deal rund 1.000 Milliarden (eine Billion) Euro zur Verfügung stehen.
Europa-Union-Havelland: Neue Mitglieder herzlich willkommen!
Die Europa-Union Deutschland (EUD) ist die größte Bürgerinitiative für Europa in Deutschland. Unabhängig von Parteizugehörigkeit, Alter und Beruf engagieren sich die Mitglieder für die europäische Einigung. Die Europa-Union Kreisverband Havelland e.V. ist die lokale Untergliederung der Europa-Union Brandenburg und der Europa-Union Deutschland. Der Verein macht die EU für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar, informiert über die aktuelle Europapolitik und fördert Dialog und Begegnung. Dazu organisiert die Europa-Union Havelland zahlreiche Veranstaltungen wie Diskussionsrunden, Empfänge oder Seminare.
Wenn Sie sich einbringen möchten, können Sie sich auf www.europa-union-havelland.de informieren. Oder Sie wenden sich direkt an den Vorsitzenden: Stefan Rosenbohm, Tel.: +49 (0)176 85249655, E-Mail: stefan.rosenbohm@europa-union-havelland.de. (Text: Georg Baumann / Foto: Valentin Schaak)
Zum Foto: von links: Moderator Dr. Tom Schaak, EU-HVL; Prof. Dr. Robert Liebich, TU Berlin; Michael Koch, Landkreis HVL; Heiner Klemp, MdL; Dr. Christian Ehler, MdEP; Stefan Rosenbohm, Vorsitzender EU-HVL
Dies ist eine Pressemitteilung, die der Redaktion zugeschickt wurde, und die wir zur Information der Bürger in der Region Havelland unredigiert übernehmen.
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