Ärger am Havelkanal: Schönwalder sind gegen Radwanderweg am Kanal!
In Schönwalde-Glien soll der zurzeit noch unbefestigte Weg direkt am Havelkanal ausgebaut werden – und zwar genau zwischen der L20 und der Schleuse. Der geplante neue Radwanderweg verschreckt allerdings viele Bürger aus der Siedlung, die auf einen bereits vorhandenen Radweg zur Schleuse verweisen. Reinhold Ehl hat am 25. August sogar eine neue Bürgerinitiative gegen die Ausbaupläne gegründet – und droht nun mit einem Bürgerbegehren.
Was man wissen muss: Vor 70 Jahren wurde der Havelkanal künstlich angelegt. Nur allzu gern nutzen die Menschen die sandigen Wege auf beiden Seiten des Wassers, um sich die Beine zu vertreten, den Hund auszuführen, joggen zu gehen oder Rad zu fahren. Eins mit der Natur ist man da im Grünen; der Kanal ist ein erstklassiges Naherholungsgebiet. Und wenn man Glück hat, sieht man sogar ein Bötchen.
34 Kilometer lang könnte man so am Kanal entlanglaufen, um auf diese Weise von Hennigsdorf bis nach Ketzin zu gelangen. Mehrere Abschnitte dieser Strecke wurden sogar ausgebaut und “radtauglich” gemacht. Auf einer Länge von zusammengerechnet 16 Kilometer kann man bereits mit dem Rad über eine zwei Meter breite Asphaltdecke fahren. Diese Wege finden sich zwischen Buchow-Karpzow und Falkenrehde und zwischen Nieder Neuendorf und Schönwalde-Glien.
Nun soll die Vision von einem einheitlich ausgebauten Radwanderweg am Kanal ein Stück weiter vorangebracht werden. Die Gemeindevertretung von Schönwalde-Glien hat bereits grünes Licht gegeben für den Ausbau des zurzeit nicht befestigten Weges zwischen der Brücke an der L20 (bei der HEM-Tankstelle) und der Schleuse – und darüber hinaus bis Alt-Brieselang. Hier geht es insgesamt um drei Bauabschnitte. Der mittlere betrifft den Wirtschaftsweg der Wasserstraßen-Schifffahrtsverwaltung (WSV) zur Schleuse. Sein Ausbau könnte zu 90 Prozent von einem Programm des Bundes gefördert werden. Odett Schnegula vom Regionalpark Osthavelland Spandau: “Allerdings muß der Weg logischerweise nach den Vorgaben der WSV errichtet werden – drei Meter breit und mit dem LKW befahrbar.”
Reinhold Ehl ist Bürger von Schönwalde-Glien. Er geht gern am Kanal mit seinem Hund spazieren. Von den Ausbauplänen hält er nichts. Vor allem, weil etwa 60 Bäume – darunter Kiefern, Birken und Buchen – gefällt werden müssen, um Platz für den neuen breiten Weg zu schaffen. Er fragt, für wen dieser Ausbau denn gedacht ist: “Ach ja, für die Radsportler aus Berlin, die so ungemein wichtig sind für unsere Region, die ohne anzuhalten mit Tempo 40 über die Pisten rasen. Da haben Fußgänger und Wanderer nichts mehr verloren.” Er forderte: “Lassen Sie uns gemeinsam gegen diesen Unsinn vorgehen.”
Am 18. August versuchte Reinhold Ehl noch, die Gemeindevertretung von der großen Gefahr zu überzeugen, die beim Übergang der Radfahrer vom zukünftigen Radwanderweg über die stark befahrene L20 hinweg zu beachten sei. Hier wurde es schnell laut – und Reinhold Ehl wurde laut eigenem Bekunden der Örtlichkeit verwiesen. Seine Reaktion: Er lud am 25. August zur Gründung der neuen Bürgerinitiative “Gegen 2. Radweg von Schönwalde-Siedlung bis zur Schleuse” ein – und zwar auf den früheren “Parkplatz” gleich gegenüber der HEM-Tankstelle.
Anscheinend steht Reinhold Ehl mit seiner ablehnenden Meinung zum neuen Radwanderweg nicht ganz alleine da: Über einhundert erboste Bürger aus Schönwalde-Siedlung fanden sich vor Ort ein. Die meisten trugen sich auch gleich als neue Mitglieder der Bürgerinitiative in die bereitstehenden Listen ein.
Reinhold Ehl nutzte die Gelegenheit, um eine Rede zu halten. Er wies darauf hin, dass nur einer der drei geplanten Bauabschnitte eine Förderung vom Bund erhalten würde, die anderen beiden aber nicht. Er machte auf das drohende Abholzen der Bäume aufmerksam. Und er zeigte auf, dass die Schönwalder aus der Siedlung ja bereits den “Alten Wansdorfer Weg” als vorhandenen Radweg zur Schleuse nutzen würden – und dass viele Radfahrer vom Berliner Mauerradweg ebenfalls auf dieser Strecke unterwegs sind. Vor Ort zeigte Reinhold Ehl anschaulich die unübersichtliche Situation auf der L20 auf, die von Radfahrern in Zukunft gequert werden müsste.
Reinhold Ehl: “Ich habe nach dem 18. August an das Landesamt für Straßenwesen geschrieben. Hier wurde mir bescheinigt, dass es noch gar keinen Antrag gibt, der eine Querungshilfe der Radfahrer zum Thema hat.”
Der Ausbau des Kanal-begleitenden Weges soll Ende 2023 abgeschlossen sein, die Baumfällung sind laut Reinhold Ehl bereits für den Oktober diesen Jahres anvisiert. Es eilt also. Die Besucher der Versammlung gaben sich höchst emotional und zum Teil aufgebracht. Mehrfach wurde das Argument vorgebracht, dass Schönwalde-Glien wichtigere Projekte zu finanzieren habe und dass der neue Radwanderweg am Kanal – Förderung hin oder her – auf Kosten der Gemeinde gepflegt und instandgehalten werden müsse.
Immerhin wurden auch die Gegenargumente gehört. Günter Schwudke vom “Innovationsbündnis Havelland” votierte klar für den Ausbau: “In unserem Innovationsbündnis bringen wir fünf Gemeinden in einer Arbeitsgruppe zusammen, um Lösungen für den Lückenschluss im Kanal-begleitenden Radwanderweg finden. Es geht immerhin um ein Naherholungsgebiet für 100.000 Menschen, die am Kanal leben. In Brieselang stehen wir leider noch ganz am Anfang. Schönwalde-Glien ist zu beglückwünschen, dass die Planung hier schon so weit vorangeschritten ist. In ganz Deutschland demonstriert man für neue Radwege – und nur hier dagegen. Ich persönlich bin sehr enttäuscht, ich kann das gar nicht richtig glauben. Da werden leider auch einige Fakten verdreht.”
Die Besucher der Veranstaltung ließen sich davon nicht überzeugen. Reinhold Ehl: “Wir können uns nun an Bäume ketten, eine Petition aufsetzen oder Lichterketten entzünden. Erfolgsversprechender wäre es aber, ein Bürgerbegehren zu starten.”
Ein Bürgerbegehren ist eine starke Waffe. Zehn Prozent der wahlberechtigten Schönwalder Bürger über 16 Jahre müssten ihre Unterschrift hergeben, um die erste Hürde zu nehmen. In einer Wahl müssten anschließend 25 Prozent der Bürger für das Bürgerbegehren “Kein zweiter Radweg” stimmen. Bei Erreichen des Quorums wäre das Bürgerbegehren bindend.
Die Anwesenden ließen sich mitreißen – und hoben fast einstimmig die Hand für das Bürgerbegehren. Entsprechende Unterschriftenlisten wurden umgehend verteilt.
Noch ließe sich das Bürgerbegehren allerdings vermeiden – falls die Gemeinde einlenkt. Das dürfte allerdings kaum der Fall sein. Da kann man nur sagen: Fortsetzung folgt. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 199 (10/2022).
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