Unterwegs mit dem Marion-Etten-Theater: Mit Theodor Fontane durch Ribbeck!

Theodor Fontane ist in Ribbeck ein gern gesehener Gast, schließlich ist sein berühmtes Gedicht “Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand” hier allgegenwärtig. Und manchmal ist der berühmte Dichter auch heute noch vor der Alten Schule anzutreffen. Nämlich immer dann, wenn das Marion-Etten-Theater wieder einmal zu einer ganz besonderen Wanderung durch den Ort einlädt.
Theodor Fontane ist seinerzeit viel durchs Havelland spaziert – mit wachen Augen und beflügelter Feder. Seine Beobachtungen hat er in seinen “Wanderungen durch die Mark Brandenburg” zusammengefasst. Ob er dabei tatsächlich persönlich einmal in Ribbeck gewesen war, weiß niemand so recht. Wenn, dann müsste das im Jahr 1889 gewesen sein.
Da in Ribbeck vieles rund um den alten Kirchenanger noch so aussieht wie anno dazumal, würde es aber keinen modernen Besucher verwundern, würde er vor Ort auf den berühmten Literaten treffen, der erst 2019 seinen 200.sten Geburtstag gefeiert hat und im Schloss deswegen auch mit einer permanenten Ausstellung geehrt wird.
Und tatsächlich. Am 13. August war Theodor Fontane wieder einmal zu Gast in Ribbeck. Gegen die Mittagszeit stapfte er plötzlich aus dem Café der “Alten Schule” (www.alteschule-ribbeck.de) und blinzelte in die Sonne. Merkwürdig war nur, dass Theodor Fontane an diesem Tag nur noch knappe 80 Zentimeter groß war – und an zehn Fäden hing. Er kam nämlich als Marionettenpuppe nach Ribbeck, um etwa ein Dutzend historisch interessierter Gäste durch den Ort zu führen.
Bewegt wurde die Marionette von Hans Serner (67), der mit seiner Frau Claudia (62) das Marion-Etten-Theather (www.marion-etten-theater.de) in Lindenberg führt.
Hans Serner: “Nach der Wende mussten wir uns neu orientieren und haben uns ganz auf das Marionettentheater konzentriert. Seit 1994 sind wir ebenso professionell wie mobil in Deutschland unterwegs – und leben gut von unserer Kunst. Alle unsere 120 Marionetten haben wir übrigens selbstgebaut – an einer Figur sitzen wir etwa einen Monat. Ich kümmere mich dabei um die Mechanik und das Äußere. Meine Frau zieht die Marionetten an. So ist auch Theodor Fontane entstanden.”
Im Rahmen der knapp einstündigen Marionettenführung auf den Spuren von Fontane und derer von Ribbecks, die bei Voranmeldung acht Euro kostet, sucht Theodor Fontane eigentlich nach dem Lehrer Carl Kusserow, der damals in Ribbeck 77 Schulkinder unterrichtet hat, darunter 27 Knaben und 50 Mädchen. Sehr erfolgreich soll der Organist dabei nicht gewesen sein, er war als Säufer und als Spieler bekannt. Kein Wunder also, dass Fontane ihn bei seinem Besuch nicht antrifft.
Claudia Serner: “Stattdessen trifft Fontane auf die Frau des Lehrers, die ihn auf der Suche nach ihrem Mann durch Ribbeck führt. Dabei lernt Fontane mehr über das alte Ribbeck kennen, wird aber auch darüber informiert, was sich in den letzten Jahrzehnten schon wieder alles verändert hat.”
Die Gäste folgen Fontane und der Lehrersgemahlin gemächlich durch den Ort. Von der Alten Schule aus geht es zum Pfarrgarten, zur Alten Brennerei, zum Waschhaus, zur Kirche und schließlich zum Schloss, bevor sich der Kreis vor der Alten Schule wieder schließt – und der säumige Lehrer gefunden wird, mit frisch geleerter Flasche in der Hand.
Unterwegs erfährt der Zuschauer so einiges. Etwa, dass das Fontane-Gedicht vom Birnbaum auf einer alten Sage beruht und dass bereits 1875 Auguste Hertha von Witzleben, Enkelin des Hans Georg Karl Friedrich Ernst von Ribbeck, ein Gedicht vom Birnbaum geschrieben hat. Das war 14 Jahre vor Fontane: Ihr Großvater hatte ihr die Sage vom Birnbaum, als sie ein Kind war, in stillen Dämmerstunden erzählt.
Die Gäste der Führung hörten auch, dass 1960 noch ein Bahnhof hinter der Brennerei anzutreffen war, der von der “Krummen Pauline” angefahren wurde: “Wäre Fontane früher nach Ribbeck gekommen, hätte er wohl mit dem Zug anreisen können.”
Dass Ende des Ersten Weltkrieges noch Kartoffelschnaps in der Brennerei hergestellt wurde, dass 1889 das heute berühmte Schloss Ribbeck noch gar nicht stand und dass es vor dem Schloss einen Stolperstein für den 1945 von den Nazis umgebrachten Hans-Georg Karl Anton von Ribbeck gibt (der die Nazis nicht auf seinen Acker ließ, um hier einen abgestürzten englischen Flieger gefangen zu nehmen) – all das lernen die Gäste der Führung übrigens auch noch. Und natürlich geht es immer wieder um den berühmten Birnenbaum aus dem Gedicht, der 1911 bei einem Sturm zersplitterte: Der originale Stumpf ist heute in der Kirche zu finden, neben der Kirche wächst derweil ein Ersatzbaum heran.
Das Marion-Etten-Theater arbeitet eng mit der Alten Schule zusammen. Gemeinsam ist außerdem die Inszenierung “Die wahre Geschichte vom Birnbaum” entstanden. Weitere Führungen mit Fontane und der Frau des Dorflehrers wird es am 11. September und am 23. Oktober um 12 Uhr geben. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 198 (9/2022).
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