Falkenseer Mitte: Bürgerwerkstatt zum Thema Stadtbibliothek und neues Zentrum!

Es ist keine drei Monate her, da überraschte die Verwaltung der Stadt Falkensee die Stadtverordneten mit einer recht gewagten Idee. Wie wäre es denn, wenn man mit der viel zu kleinen Stadtbibliothek in das neu geplante Gebäude an der Bahnhofstraße umziehen würde? Dann könnte man das alte leergezogene Gebäude nach einer Sanierung für verschiedenste neue kulturelle Zwecke zum Wohle der Stadt nutzen. Entsteht so etwa eine ganz neue Qualität im Zentrum? Eine Bürgerwerkstatt am 14. Juni sollte weitere Ideen für eine optimale Nutzung sammeln.
Da gibt es keine zwei Meinungen: Die Stadtbibliothek von Falkensee platzt seit Jahren aus allen Nähten. Um sie der deutlich gewachsenen Einwohnerzahl der Gartenstadt anzupassen, muss sie dringend erweitert werden. Allerdings: Ein barrierefreier Umbau direkt am alten Standort scheint kaum möglich.
Eine mögliche Lösung aus dem Dilemma zauberte Bürgermeister Heiko Müller am 9. März im Bildungsausschuss der Stadt Falkensee erstmals aus dem Hut.
Die alte Stadthalle soll ja abgerissen werden. An ihrer Stelle ist schon seit langer Zeit ein moderner mehrstöckiger Neubau geplant, der von einem privaten Investor zwischen Kirche, Gutspark und Europaschule errichtet werden soll – nach Plänen, über die bereits in einem öffentlich ausgeschriebenen Architektenwettstreit entschieden wurde.
Lange hieß es, als Ankermieter solle neben verschiedenen Gastronomie-Angeboten auch ein Nahversorger in den Neubau einziehen, also ein Supermarkt.
Die Idee der Verwaltung ist nun aber: Was wäre, wenn die Stadt die Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Neubaus anmieten würde, die bislang für den Nahversorger vorgesehen waren, um sie stattdessen für eine “neue” und größere Stadtbibliothek zu nutzen? Dieser Umzug direkt in der Nachbarschaft würde die Fläche der Bibliothek von zurzeit 420 genutzten Quadratmetern auf satte 1.300 verdreifachen. Und man würde die Bibliothek vom gut versteckten Campusplatz lösen und sie direkt in der neuen Stadtmitte gut wahrnehmbar platzieren – sichtbar für alle, die die Bahnhofstraße mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß passieren. Gleichzeitig könnte man die Bibliothek ergänzen und zwar mit einem Literaturcafé, einer weiteren Begegnungsstätte sowie Coworking-Space-Angeboten.
Nach dem Umzug der Stadtbibliothek könnte man außerdem das alte leergezogene historische Schulgebäude (die aktuelle Bibliothek) auf dem Campusplatz sanieren, es mit einem Anbau für Toiletten, einem Treppenhaus und einem Aufzug barrierefrei erweitern und sogar noch das bislang versperrte Dachgeschoss für eine zusätzliche öffentliche Nutzung erschließen. Bürgermeister Heiko Müller: “Wir möchten das auf diese Weise doch noch erhaltene historische Haus gern der Stadt als Begegnungsstätte zur Verfügung stellen. Wir können uns sehr gut vorstellen, dass hier jeden Tag in der Woche verschiedenste Aktivitäten stattfinden werden.”
Nur welche? Denkbar wären etwa Kunst- und Kulturinitiativen, Jugendprojekte, Seniorenaktivitäten oder sogar gastronomische Angebote. Die Entscheidung für oder gegen eine solche Nutzung würde dann allein bei der SVV liegen.
Noch sind diese Tauschpläne aber nicht in Blei gegossen. Heiko Müller: “Auch am Bebauungsplan muss noch gearbeitet werden. Der Investor ist aber sehr kompromissbereit, denn er möchte gern endlich mit dem Bau beginnen.”
Öffentliche Bürgerwerkstatt: „Begegnung, Kultur, Bibliothek“
Um auszuloten, wie die Falkenseer zu den Plänen stehen und ob sie konkrete Vorschläge und Ideen für die weitere Nutzung vor Ort haben, lud das “Büro für Vielfalt” am 14. Juni zu einer öffentlichen Bürgerwerkstatt ein. Unter dem Titel “Begegnung, Kultur, Bibliothek” sollte jeder die Möglichkeit haben, sich einzubringen.
Viele SVV-Mitglieder, ganz normale Bürger sowie Vertreter etwa des Jugendforums, des Seniorenbeirats und des Teilhabebeirats nutzten die Gelegenheit, sich einzubringen – im Rathaussitzungssaal war kein Platz mehr frei.
Einigen Ideen erteilte der Bürgermeister allerdings gleich eine Absage. So empfiehlt eine Handreichung zu Bau und Ausstattung öffentlicher Bibliotheken zwar die Bereitstellung von 60 Quadratmetern Nutzfläche je eintausend Einwohner. Auf Falkensee bezogen wären das aber 2.700 Quadratmeter Fläche. Bürgermeister Heiko Müller: “Eine solche Größe würde den jährlichen Zuschuss, der für die Stadtbibliothek nötig wäre, aufgrund der höheren Anschaffungskosten für die Medien und der Kosten für zusätzliches Personal verdreifachen. Wir möchten aber auch noch ausreichend Finanzspielraum in der Stadt behalten, um etwa unser Museum auszubauen.”
Wie sieht eine Bürgerbeteiligung in Falkensee aus? Nun, die ewig gleichen Aktiven, die man jedes einzelne Mal auf diesen Veranstaltungen sieht, durften sich auf drei Arbeitsgruppen aufteilen, um gemeinsam Nutzungsideen und Vorschläge für die drei Orte “Lesecafé (im Neubau)”, “Begegnungszentrum (im Neubau)” und “Historische Dorfschule (jetzige Stadtbibliothek)” zu sammeln. Dabei ging es um Fragen wie diese: “Welche Funktionen sollen die Räumlichkeiten erfüllen? Welche konkreten Angebote sollte es geben und wer könnte sie durchführen? Was ist bei der Ausstattung der Räume zu beachten und wie sollen sie in die Umgebung eingebunden werden?
Hans-Peter Pohl nutzte die Gelegenheit, um viele der in den letzten fünf Jahren in der “AG Zentrum” gesammelten Ideen für “Falkensees neues Zentrum” auf einem Konzeptblatt zu präsentieren. Demnach gäbe es im Zentrum auch noch Bedarf für ein Repair-Café, eine Medienwerkstatt, digitale Labore, künstlerische Werkstätten und einen “Makerspace”. Darunter versteht man offene Werkstätten, die sich befristet von kleinen Firmen anmieten lassen, um etwa die Fertigung von verschiedensten Produkten zu ermöglichen.
Ingrid Junge nutzte als Stadtverordnete die Möglichkeit, um sich für die zukünftige Nutzung der jetzigen Stadtbibliothek stark zu machen: “Unsere Jugendlichen zeigen uns jeden Tag, wo sie sich wohl fühlen, indem sie vor der Bibliothek auf dem Campusplatz sitzen.” Sie könnte sich gerade in der Außennutzung der sanierten historischen Schule einen Hofmarkt, einen Stoffmarkt, einen Antikmarkt, ein Sommerfest, eine Oldtimer-Ausstellung, ein Schulfest oder ein Oktoberfest vorstellen.
Dass der ganze Bereich zwischen neuer und alter Stadthalle zurzeit nicht wirklich optimal genutzt wird, machte die Falkenseer Bürgerin Sybille Dietrich deutlich: “Das Zentrum von Falkensee ist so unattraktiv, dass wir lieber nach Berlin fahren, um etwas zu erleben. Nur möchten wir das eigentlich gar nicht, wir würden gern in Falkensee bleiben.”
Sven Steller wünschte sich als Stadtverordneter vor allem eins: “Der riesige Campusplatz ist tot, er wird die meiste Zeit nicht genutzt. Ich wünsche mir vor Ort ein Café mit Tischen und Stühlen auf dem Campusplatz, sodass wir hier das ganze Jahr gemütlich sitzen und ein Bier trinken oder ein Stück Kuchen essen können. Eine Erlebnisgastronomie wie das Brauhaus in Spandau wäre toll. Ansonsten bleibt das eine verschenkte Fläche. Ich bin heute hier, um diesen Wunsch aufzuschreiben.”
Zum neuen Gebäude gab der Bürgermeister zu bedenken: “Ich möchte daran erinnern, dass das zukünftige Gebäude einem privaten Investor gehört. Unsere Möglichkeiten hier sind zwar vielfältig, letzlich aber endlich. Die Frage ist am Ende auch, ob die gewünschten Aktivitäten von der Stadt organisiert werden müssen oder ob es vielleicht einen Verein gibt, der das übernimmt. Je mehr Ideen sich selbst organisieren lassen, umso besser. Wir müssen aber jetzt erst einmal die Entscheidung treffen, die angebotenen Räume nutzen zu wollen, bevor wir über Betreibermodelle sprechen können.”
Genau diese Entscheidung muss jetzt getroffen werden, bevor sich die Ideen aus dem Bürgerworkshop nutzen lassen. Denn erst muss die Stadtverordnetenversammlung den Umzugsplänen der Verwaltung zustimmen. Dann muss der B-Plan für das Gelände an der Bahnhofstraße rechtlich gesichert werden. Erst dann ist es möglich, das neue Gebäude zu bauen. Ist anschließend der Umzug der Stadtbibliothek geschafft, muss das alte Gebäude saniert werden. Bis das alles geschafft ist, können leicht mehrere Jahre vergehen. Ob sich dann noch jemand daran erinnern kann, welche Wünsche und Ideen die Bürger im Juni 2022 vorgebracht haben? (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 196 (7/2022).
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