Europa-Union Havelland tagt zum Thema China: Europäischer Salon im Falkenseer Kronprinz!

In der Europa-Union finden Menschen aus verschiedenen Parteien zusammen, die überparteilich für den Europa-Gedanken einstehen. Gemeinsam beschäftigt sich die Europa-Union mit den Themen, die zwangsläufig diskutiert werden müssen, wenn es um die EU geht. Am 19. Mai ging es im “Europäischen Salon” um die besonderen Beziehungen der EU zu China. Drei Gäste, die lange Jahre in China gearbeitet haben, sprachen vor 30 Gästen bei Schnitzel und Spargel im Falkenseer Kronprinz über ihre Erfahrungen.

Rainer Ganser, Stadtverordneter in Falkensee, hat über 20 Jahre in der chinesischen Metropole Shenzhen gearbeitet. Er hat hier u.a. eine deutsche Bäckerei aufgebaut und war Produktionsleiter für Wetterstationen. Über China prägte er beim “Europäischen Salon” der Regionalgruppe “Europa-Union Havelland” (www.europa-union-havelland.de) das folgende Bild: “Stellen Sie sich vor, Deutschland fährt mit hundert Sachen links auf der Autobahn. Im Rückspiegel erkennt Deutschland China, das mit über zweihundert Sachen heranrauscht, um dann plötzlich rechts zu überholen.”

China ist ein Land, das kleiner ist als Europa, aber doppelt so viele Menschen beherbergt. Stefan Rosenbohm hat acht Jahre lang für die Deutsche Außenhandelskammer in China gearbeitet – u.a. als Präsident. Außerdem hat er sich um die Fertigung von Sondermaschinen für den Finanzsektor gekümmert – u.a. für das Schreddern von Banknoten: “Als wir im Jahr 2000 nach China gekommen sind, gab es noch kein Knowhow im Land. Wir haben alles mitgebracht, die Leute, die Pläne, das Material und auch unsere typisch deutsche Qualitätssicherung. Am Anfang war das wie im Wilden Westen. Das ging so bis 2010. Die Chinesen haben aber sehr schnell gelernt. Die Absolventen der chinesischen Hochschulen werden immer besser. Inzwischen sind die Chinesen längst dazu in der Lage, eigenständig in die Entwicklung zu gehen. Sie brauchen uns nicht mehr.”

Wie rasant China in der Umsetzung des Gelernten ist, sieht man an Shenzen selbst. Die ehemalige Produktionsstätte ist heute eine der modernsten Glitzer-Metropolen der Welt – u.a. mit selbstständig fahrenden, elektrisch betriebenen Taxis.

Stefan Rosenbohm: “Wir brauchen kein Knowhow mehr nach China zu exportieren. Das können die Chinesen alles selbst. China ist zu einem technologisch führenden Land geworden, das seinen Platz unter den großen Industrienationen einfordert. Auf Augenhöhe.”

Dabei ist das Land weiter im Wandel. China hat es geschafft, den Hunger zu bekämpfen und 1,4 Milliarden Menschen zu ernähren. Gleichzeitig ist eine breite Mittelschicht entstanden – mit Menschen, die sich ein Auto und Urlaubsreisen leisten können. Generalkonsul a.D. Stefan Gallon: “Ich habe noch nie ein Land gesehen, das so auf der Sinnsuche ist wie China. Die junge Generation ist lebenslustig, wissbegierig und stolz auf das Erreichte. Natürlich wird der Kommunismus auf den Parteitagen noch weiterhin gelebt. Aber China ist im Herzen kein kommunistisches Land mehr.”

China engagiert sich in der ganzen Welt, baut die Infrastruktur in Afrika aus und entwickelt eine neue bahngeführte Seidenstraße, die einen schnellen Warenaustausch zwischen vielen Ländern erlaubt. Hat Deutschland da den Anschluss verpasst? Rainer Ganser: “Vieles muss man durchaus kritisch sehen. Wo China sich entlang der Seidenstraße festgesetzt hat, gilt auf einmal chinesisches Recht.”

Stefan Rosenbohm: “Wir Deutschen waren nach dem Krieg die führende Exportnation überhaupt. Das hat uns lange Zeit den Wohlstand gesichert. Jetzt müssen wir uns fragen: Wo liegt denn jetzt für Deutschland und auch für Europa die Zukunft, was ist unsere Strategie?”

Stefan Gallon: “Wenn wir unsere Sicherheit in die USA outsourcen, unsere Energieversorgung nach Russland auslagern und unsere Wirtschaft China überlassen, müssen wir uns schon überlegen: Was bleibt denn da?” (Text/Foto: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 195 (6/2022).