Zukunftstag 2022: Schüler aus dem Havelland schnupperten für einen Tag in regionale Berufe hinein!
Was will ich denn später einmal werden? Zwischen Trigonometrie, Goethes “Faust” und chemischen Formeln fällt es vielen Schülern schwer, eine Idee von der eigenen Zukunft zu entwickeln. Der “Zukunftstag Brandenburg” erlaubt es den Schülern, für einen Tag in einen für sie interessanten Beruf hineinzuschnuppern. Am 28. April fand der “Zukunftstag” bereits zum 20. Mal statt. Im Havelland haben sich wieder mehrere Betriebe beteiligt – und für die Schüler ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt.
Früher gab es einmal den “Boys Day” und den “Girls Day”. Da konnten Schüler und Schülerinnen an einem Tag einen für sie spannenden Beruf kennenlernen. Bei diesen besonderen Tagen kam zuletzt die Kritik auf, sie würden geschlechterspezifische Berufsfelder verstärken. Der “Zukunftstag” möchte diese Mauern im Kopf nun einreißen – und setzt sich selbst das Motto: “Nutzt den Zukunftstag, um Klischees zu überwinden – es lohnt sich!”
Jugendliche ab der Jahrgangsstufe 7 konnten sich am 28. April einmal mehr bei einem der teilnehmenden Betriebe einfinden – insofern die eigene Schule den Tag als schulische Veranstaltung ansieht oder die Schüler auf Antrag der Eltern vom Unterricht freigestellt wurden.
Der Zukunftstag für Mädchen und Jungen im Land Brandenburg wurde auch in diesem Jahr durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg gefördert. Auf einer extra eingerichteten Homepage (www.zukunftstagbrandenburg.de) konnten sich die Schüler einen der teilnehmenden Betriebe, eine Behörde, eine Kita, eine Kanzlei oder einen Selbstständigen auswählen. Allein aus dem Havelland standen hier 25 Anbieter zur Auswahl, darunter auch die Polizeidirektion West, die Firma Mosolf, die Nagel-Group und PacTech.
Roger Lewandowski unterstützte die Veranstaltung als Landrat des Havellandes sehr, zumal viele Ausbildungsmessen wegen Corona ausgefallen sind: “Die Schülerinnen und Schüler waren in den vergangenen zwei Jahren durch die Corona-Maßnahmen sehr stark gefordert. Umso wichtiger ist es, ihnen aufzuzeigen, wie sie ihre berufliche Zukunft hier im Havelland gestalten können. Die Möglichkeiten dafür sind außerordentlich vielfältig. Der Zukunftstag bietet dabei eine sehr gute Chance, einen praktischen Einblick in die Unternehmen und Betriebe hier im Havelland zu erhalten. Auch die Landkreisverwaltung hat sich beim Zukunftstag beteiligt und Schülerinnen und Schülern einen Einblick in den Verwaltungsalltag gegeben, der sich oft als viel spannender herausstellt als zuvor angenommen.”
Havelbus: Wer möchte gern den Bus lenken?
Havelbus (www.havelbus.de) ist ein kommunales Unternehmen vom Landkreis Havelland mit Standorten in Rathenow, Nauen und Falkensee. 245 Mitarbeiter kümmern sich darum, 104 Busse auf die Straße zu bringen, um am Tag 16.500 Fahrgäste von A nach B zu transportieren. So kommen im Jahr über 6,3 Millionen Fahrplankilometer zusammen.
14 Schüler u.a. aus Hennigsdorf, Schönwalde-Glien und Falkensee hatten sich bei HavelBus in Falkensee angemeldet, um am 28. April mehr über die Ausbildung zum Berufskraftfahrer oder zum Mechatroniker zu erfahren. Eine echte Überraschung – sechs von ihnen waren Mädchen.
Andreas Plessow, bei Havelbus zuständig für die Ausbildung: “Wir haben zurzeit 17 Auszubildende bei Havelbus, im August stoßen zehn neue Auszubildene zu uns, darunter acht für den Beruf des Berufskraftfahrers und zwei für den Beruf des Mechatronikers.”
Den Schülern wurde zunächst in einem Vortrag das Havelbus-Unternehmen vorgestellt. Anschließend ging es in die große Halle. Hier konnten die möglichen Nachwuchstalente den großen Bussen unter die Motorhaube schauen. Sie erfahren, dass so ein Bus in der Anschaffung über 300.000 Euro kostet.
Andreas Plessow: “Als Mechatroniker sorgt man dafür, dass unsere Busse gewartet und repariert werden. Dafür ist auch Physik wichtig, um die verschiedenen Abläufe im Motor verstehen zu können. Und man braucht Chemie, um mit den Treibstoffen, Ölen und Kühlmittel umzugehen. Als Busfahrer hingegen ist die Geografie wichtig, um im Gelegenheitsverkehr zu berechnen, wo ich eigentlich hin möchte, wie viele Kilometer die Strecke umfasst und wie lange die Tour dauert.”
Marc (15) aus Falkensee fühlte sich durchaus abgesprochen: “Mich interessiert die Mechatronik. Das finde ich sehr spannend.”
Havelland Hof Ribbeck: Wer versorgt die Kälber?
Zehn Schüler, darunter fünf Jungen und fünf Mädchen, hatten sich auf dem Havelland Hof Ribbeck (www.havellandhof-ribbeck.de) angemeldet, um mehr über die moderne Landwirtschaft zu erfahren. Peter Kaim führt den Hof, der in vorbildlicher Weise zeigt, wie verschiedene nachhaltige Kreisläufe perfekt ineinander greifen.
Auf dem Hof werden 500 Hektar Acker bewirtschaftet – und zwar in einer Direktsaat, die ein Pflügen vermeidet, sodass die Vielfalt der Lebewesen im Boden erhalten wird. Neben Raps, Weizen, Gerste, Mais und Roggen wird hier auch das Gras angebaut, das zur Fütterung der 150 Milchkühe benötigt wird, die frei entscheiden, ob sie lieber im Stall oder auf der Wiese stehen möchten. Der Kuhmist wird für die hauseigene Biogasanlage verwendet, die Wärme für die Nachbarschaft und Strom für das öffentliche Netz erzeugt.
Peter Kaim: “Der Zukunftstag ist Chefsache für mich. Die Schüler sind hier, weil sie wirklich Interesse am Beruf Landwirt haben. Ich hoffe sehr, dass sich später vielleicht einer der Teilnehmer für die Ausbildung interessiert und sich bewirbt. Der Landwirt ist ein sehr anspruchsvoller Beruf, die Ausbildung dauert drei Jahre. Mit Abitur kann man sie auf zwei Jahre verkürzen.”
Die Schüler konnten in ihrer Zeit auf dem Hof richtig mit anpacken. So durften sie auch die kleinen Kälber versorgen, die erst seit ein paar Wochen auf der Welt sind. Hier mussten sie u.a. neues Stroh als Einlage heranschaffen und die Wassertröge mit frischem Wasser versorgen. Anneke aus Brieselang fand das sehr gut: “Ich hatte gehofft, dass wir nicht nur einen Vortrag hören, sondern richtig mitarbeiten können.”
Laura (12) geht in Falkensee zur Schule und besucht hier die Immanuel Kant. Sie hatte sich den Havelland Hof ganz gezielt ausgesucht: “Das Büro ist nichts für mich, ich möchte gern draußen an der frischen Luft arbeiten. Da Tiere genau mein Ding sind, kann ich es mir durchaus vorstellen, einmal in der Landwirtschaft zu arbeiten.”
Marie-Theres Tögel studiert Landwirtschaft in Bayern und absolviert ein fünfmonatiges Praktikum in Ribbeck. Sie leitete die Schüler mit an und zog ein zufriedenes Fazit: “Die Schüler haben das sehr gut gemacht. Sie waren sehr aufmerksam und haben gut gearbeitet. Gerade den Tieren gegenüber waren sie sehr rücksichtsvoll.”
Bei einem zünftigen Frühstück auf der grünen Wiese stellte sich Peter Kaim den Fragen der Schüler und stellte seine beiden Auszubildenden vor, damit sie etwas aus ihrem Alltag erzählen konnten.
Die Schüler hatten aber durchaus noch ein ganz anderes Interesse. Mattis: “Ich würde mir auch sehr gern einmal die großen landwirtschaftlichen Maschinen ansehen, wenn das geht.”
Natürlich ging auch das. Vorher ging es aber noch einmal auf das große Blumenfeld. Hier dürfen sich Autofahrer, die auf der B5 am Hof vorbeifahren, in einer Pause selbst Tulpen vom Feld pflücken – und 60 Cent pro Tulpe in die Kasse des Vertrauens stecken. Jeder Schüler durfte sich hier einen eigenen Strauß Tulpen pflücken.
Peter Kaim: “Ich war überrascht, dass die Schüler so gern praktisch arbeiten wollten. Ich denke, dass ich den Praxisteil im nächsten Jahr deutlich ausweiten werde. Dann werden wir statt drei Stunden eben fünf Stunden ansetzen.”
wendelmuth – Fachkanzlei für Erb- und Familienrecht: Wir gehen vor Gericht!
Seit Anfang 2013 gibt es die Fachkanzlei wendelmuth (www.wendelmuth.net) in Falkensee. Vor Ort kümmern sich die drei Anwälte Agnes D. Wendelmuth, Dr. Christoph Schäfer und Susanne Marticorena Garcia um ihre Mandanten, die ihre Expertise vor allem in den Bereichen Erb- und Familienrecht nachfragen.
Drei Schüler aus dem Havelland hatten sich vorab für einen Tag in der Kanzlei interessiert. Christoph Schäfer: “Wir dachten, die Schüler würden sich vor allem für die Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten interessieren. Wir waren sehr überrascht – alle drei Schüler möchten stattdessen lieber Jura studieren und dann selbst Rechtsanwälte werden.”
Michelle (14) aus Schönwalde-Glien: “Ich setze mich schon immer immer sehr für die Gerechtigkeit ein. Deswegen finde ich auch Jura sehr spannend. Es war für mich sehr spannend, einmal die Abläufe in einer richtigen Kanzlei kennenzulernen.”
Auch Raphael (13) aus Falkensee wollte seine Arbeitskraft vor allem für die Seite des Guten einsetzen: “Ich weiß noch nicht, ob ich Jura oder lieber Ingenieurswesen studieren möchte. Das Thema Gerechtigkeit ist mir aber ebenfalls sehr wichtig. Ich würde als Anwalt für die guten Menschen da sein oder für die, die in Not sind.”
Die Schüler hatten auf jeden Fall Gelegenheit dazu, das deutsche Rechtssystem bei seiner Umsetzung zu erleben. Zusammen mit Anwältin Susanne Marticorena Garcia fuhren sie nach Nauen, um am Amtsgericht gleich bei drei Schnellverhandlungen mit dabei zu sein. In allen Fällen ging es um das Fahren ohne Führerschein. Und dann auch noch mit Vorsatz! Bei den Wiederholungstätern wurden sogar drastische Strafen ausgesprochen.
Aimée (12) aus Neuruppin fühlte sich da durchaus inspiriert: “Die ganz schweren Verbrecher einzubuchten, das wäre schon mein Ding.”
Rechtsanwalt Christoph Schäfer machte den Schülern bei einer Pizza durchaus Mut, sich für Jura zu entscheiden: “Als ich damals fertig war mit dem Studium, gab es viel zu viele Anwälte. Das hat sich komplett gedreht, inzwischen hat man wieder sehr gute Chancen, eine Arbeit zu finden.”
So ging der 20. Zukunftstag mit vielen neuen Erkenntnissen für die teilnehmenden Schülern zuende. Vielleicht hat sich dabei ja auch der eine oder andere Berufswunsch gefestigt. Landrat Roger Lewandowski: “Überrascht hat mich, dass sich in diesem Jahr mehr Jungen für den Zukunftstag in der Kreisverwaltung angemeldet hatten. In den vergangenen Jahren waren es immer mehrheitlich Mädchen. Grundsätzlich aber sollten Schülerinnen und Schüler immer dazu ermutigt werden, ihre Berufe nach den eigenen Stärken und Interessen zu wählen. Nur so kann man in seinem Beruf später erfolgreich sein und diesen auch gern ausüben.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 195 (6/2022).
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