Scheibes Glosse: Wortsalat
Unsere Sprache verändert sich ständig. Bereits vor einem Jahr wiesen wir an dieser Stelle auf über 1.200 neue Vokabeln und Redewendungen hin, die im direkten Zusammenhang mit der Corona-Pandemie standen. Dieses Wörterbuch muss längst fortgeschrieben werden. Wer neue Begriffe erfindet, darf aber auch die alten Wörter nicht ganz vergessen. Und so brechen wir eine Lanze für angestaubte Worte, die die jüngste Generation oft schon gar nicht mehr kennt.
Not macht erfinderisch. Das merkt man in aller „Deutschlichkeit“, seitdem das Corona-Virus flächendeckend für Panik sorgt. Das löst anscheinend etwas im Sprachzentrum der Menschen aus. Bereits im März 2021 meldete das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache die ersten 1.200 komplett neuen Corona-Begrifflichkeiten. Das Vokabelheftchen dürfte sich seitdem von den Einträgen her fast verdoppelt haben.
Etwa um jede Menge Zahlenmathematik. Sind wir nur deswegen aus der Alkoholkonsumverbotszone und dem Kreißsaalverbot herausgekommen, um uns dank neuer Mutationslage in eine 2G-Plus – oder 3G-Bevölkerung zu verwandeln? Müssen wir uns weiterhin dem Homeofficegesetz beugen, einen abgespeckten Lockdown fürchten oder viel zu viel Zeit in der Abstrichkabine verbringen?
Das Reisen wird jedenfalls auch im neuen Jahr schwierig bleiben. Denn trotz Boosterimpfung kommt es im Hochrisikogebiet immer wieder zu Mutationen beim Virus. Dann sorgen aerosollastige und atemintensive Begegnungen schnell dafür, dass es dank Risikorückkehrern zu einer Durchbruchsinfektion mit einer Escapevariante kommt. Da nützt dann auch keine Eindämmungsverordnung und keine Verdachtsquarantäne mehr etwas. Wer aber ansteckungsarm bleibt, kann immerhin eine Freitestung beantragen – und wieder am normalen Leben teilnehmen. Um dann endlich wieder die ultimative Grußformel aussprechen zu können: Bleiben Sie gesund!
Insbesondere im Umfeld der Gender-Befürworter wird ja immer wieder argumentiert, dass Sprache im stetigen Wandel ist und sich durchaus verändern darf.
Aber: Man muss aufpassen, dass bestimmte deutsche Wörter, die ein klein wenig angestaubt und mit der Patina von vielen Jahrzehnten belegt sind, nicht über den Tellerrand rutschen und in den Tiefen des Dudens verschwinden. Aus diesem Grund muss man eine Lanze für sie brechen. Etwa für das coole Wort schwofen. Das macht auf einen Tanzevent mit möglichst engem Körperkontakt aufmerksam. Mitunter kann man bei so einem Tanz auch eine Hupfdohle verorten. Denn das ist eigentlich eine aufgedonnerte Tänzerin. Und das ist keine Schnurre, echt nicht. Schnurre? Das ist eine Geschichte, die nicht ganz glaubwürdig klingt. Vielleicht wird sie ja von einem Lüftling erzählt. Das ist jemand mit einem sehr leichtsinnigen, ja luftigen Lebenswandel. Auch als Luftikus bekannt.
Kennt jemand noch den Fidibus? Das war ein Holzspan, mit dem man früher das Feuer im Kamin angezündet hat. Hokus, Pokus, Fidibus – schon brennt das Feuer. Beim Brummerling handelt es sich um eine Wespe, beim Klinkenputzer um einen Vertreter und Hausierer, der an der fremden Haustür an die Klinke fasst.
Schön ist die Geschichte vom Wort blümerant. Das kommt vom französischen bleu-mourant, wörtlich übersetzt „sterbendes Blau“. Die Damen fielen damals dank zu eng geschnürter Korsagen reihenweise in Ohnmacht, ihnen wurde blümerant. Heute würde man sagen „schwarz vor Augen“. Damals war es eben noch ein „blau“.
Manche Wörter entbehren heute bereits jeder Grundlage. Früher wusste jedes Kind, was ein Bandsalat ist. Da hat der Kassettenrekorder das Magnetband aus einer Tonbandkassette gezogen, sodass man es mit dem Bleistift wieder eindrehen musste. Und wer abkupfert, kopiert etwas ohne eigene Leistung. Das Wort kommt von den früheren Kupferstechern, die Abbilder von Texten oder Bildern in eine Kupferplatte gestochen haben. Tatsächlich muss heute niemand mehr wissen, was eine Wählscheibe ist, da es entsprechende Telefone gar nicht mehr gibt.
Wenn man aber das Deutsche Schimpfwörterlexikon von 1838 in die Hand nimmt, wird einem schnell klar, dass wir bereits viele wunderschöne Wörter verloren haben, die auch heute noch jede Beleidigung verschönern würden.
Und so lohnt es sich unbedingt, unliebsame Menschen als Bauchpfaffe, Bratwurstmaul, Buttermilchgesicht, Dirnenjäger, Fintenmacher, Freudenstörer, Glotzbock, Hasenkanzler, Ofenpudel, Pantoffelritter, Schwindelhirn oder Talglümmel zu beschimpfen. Wer macht mit? Ansonsten hätten wir auch Auswürfling, Bettbrunzer, Bierhausschwätzer und Milchsuppengesicht im Angebot. (CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 193 (4/2022).
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