Der Ferdinand: Tabita Kurda aus Falkensee zieht einen Schafsbock groß!
Tabita Kurda stammt aus Falkensee, hat die Europaschule am Gutspark besucht, hat das Abitur am Lise-Meitner-Gymnasium gemacht und möchte nun gern Tierärztin werden. Das Thema Tiere lässt sie aber auch in ihrer Freizeit nie wirklich los. Zurzeit kümmert sie sich um den kleinen Schafsbock Ferdinand, der von seiner Mutter verstoßen wurde, und zieht ihn mit der Flasche groß.
Erzähl uns doch bitte etwas über dich.
Tabita Kurda: „Ich bin in Falkensee aufgewachsen, bin 24 Jahre alt, studiere Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin und werde mich, wenn ich fertig bin, auf Pferde und Wiederkäuer spezialisieren. Besonders die kleinen Wiederkäuer, also Schafe und Ziegen, haben es mir angetan.
Wenn ich nächstes Jahr endlich mit dem Studium fertig werde, möchte ich in einer tierärztlichen Praxis gleich hier in der Nähe arbeiten – und auch meine Promotion im Bereich Nutztierreproduktion an der Uni angehen. Sobald die Doktorarbeit fertig ist, möchte ich gern komplett in der Praxis anfangen.“
Wo kommt denn der Ferdinand her?
Tabita Kurda: „Ferdinand kommt von einem Hobbyzüchter aus der Umgebung von Schönwalde-Glien.“
Wann ist er geboren worden, was ist er für eine Rasse und warum ist er nicht beim Mutterschaf?
Tabita Kurda: „Ferdi ist am 13. Februar 2022 um etwa acht Uhr früh geboren worden. Er wurde direkt nach der Geburt von der Mutter verstoßen. Man hat versucht, ihn einem anderen Mutterschaf ‚unterzujubeln‘, aber das hat leider nicht funktioniert. Die Chance, dass das klappt, ist leider sehr gering, auf jeden Fall aber immer einen Versuch wert. Die Rasse nennt sich ‚Nolana Fleischschaf‘. Diese Rasse gehört zu den Haarschafen, sie haben also einen Fellwechsel und müssen nicht geschoren werden. Ein ausgewachsener Bock kann ein Gewicht von 80 bis 100 Kilo erreichen. Das ‚Nolana Fleischschaf‘ ist damit die größte und schwerste Haarschafrasse.“
Ist Ferdinand nicht viel zu früh in der Saison geboren worden? Die Osterlämmer werden doch jetzt erst geboren.
Tabita Kurda: „Nein, gar nicht! Schafe sind in der Regel saisonal polyöstrisch. Das bedeutet, dass sie vom Licht gesteuert werden. Wenn das Licht im Herbst abnimmt, beginnt der Zyklus (Östrus) des Schafes. Die Tragzeit von Schafen liegt bei etwa 150 Tagen. Das bedeutet, dass Ferdis Mutter im September gedeckt worden ist. Die Lammzeit beginnt schon im Januar und dauert in der Regel bis Ende März. Der Ausdruck Osterlamm beschreibt leider eher das Schlachtdatum.“
Warum hast du Ferdinand zu dir genommen? Und wann? Wie dringend war die Entscheidung?
Tabita Kurda: „Tjaaa. Ich bekam an einem Sonntagmorgen einen Anruf meines ehemaligen Chefs. Er bat mich darum, mich doch einmal umzuhören, ob jemand ein neugeborenes Lämmchen aufnehmen könnte. Oder, und dann kam seine große Idee, ob ich das nicht gleich selbst machen könnte.
Total begeistert und ohne auch nur nachzudenken, habe ich sofort ‚Ja‘ gesagt und mir die Kontaktdaten geben lassen. Und von da an ging alles recht fix. Ich telefonierte mit dem Schäfer und habe erfahren, dass es nicht möglich gewesen ist, dem Kleinen Kolostrum von der Mutter, also die erste Muttermilch, zu geben. Diese ist extrem wichtig, da sie sehr wichtige Antikörper enthält und auch über die Entwicklung und Anfälligkeit des Lämmchens entscheidet, da diese Antikörper maßgeblich für den Aufbau des Immunsystems verantwortlich sind. Da ich gute Verbindungen zu der Tierklinik für Fortpflanzung der FU Berlin habe, war es mir möglich, von dort eingefrorenes Kolostrum zu holen und auch etwas Milchaustauscher für die ersten paar Tage zu besorgen. Nun musste das Kolostrum nur noch so schnell wie möglich in das Lämmchen hinein.
Ich fuhr also zu besagtem Schäfer und holte Ferdinand, so nannte ich ihn dann später, ab. Er war ein kleiner Kämpfer! Dafür, dass es nun schon 13:30 Uhr war und er immer noch keine Nahrung aufgenommen hatte, war er sehr mobil und laut. Ich kaufte ihn für eine kleine Schutzgebühr ab und von da an ging unsere gemeinsame Reise los.“
Ihr hattet in der Falkenseer Familie schon Erfahrung mit verrückten Haustieren?
Tabita Kurda: „Ja, tatsächlich hatten wir echt schon sehr viele Tiere. Meine Mutter ist Biologielehrerin und hatte schon immer große Freude an der Aufzucht von Wildtieren. Von aus dem Nest gefallenen Spatzen über ein Feldhasenjunges oder ein Eichhörnchenjunges haben wir schon so einiges aufgezogen.“
Wie waren die ersten Tage?
Tabita Kurda: „Der erste Tag war natürlich super aufregend. Das erste Mal tränken mit der Nuckelflasche war noch etwas unbeholfen. Auch Ferdinand musste erst einmal lernen, wie er überhaupt trinkt. Beim zweiten Mal ging es schon viel besser und seit der dritten Flasche trinkt er förmlich ohne abzusetzen alles bis auf den letzten Tropfen aus. Das Laufen musste auch gelernt werden. Die Klauen waren noch ganz weich und mussten zunächst aushärten. Sein Geburtsgewicht lag bei ca. 4,5 Kilo und er sollte so etwa 200 bis 300 Gramm pro Tag zunehmen. Die Australien Shepherds meiner Eltern waren super fürsorglich und unsere eine Hündin begann direkt damit, Ferdinand abzulecken und sich zu ihm zu legen. Da ging einem das Herz auf.“
Du hattest Ferdinand bei deinen Eltern in Falkensee Zuhause?
Tabita Kurda: „Nein, ich habe ihn mit zu mir in meine WG nach Steglitz genommen. Er wurde anfangs ja alle zwei Stunden gefüttert. Nachts schlafen die Lämmer übrigens auch und werden nicht getränkt. Und für die Nacht habe ich den Hundekennel meiner Eltern, also eine große Transportbox, genommen. So konnte ich sicher gehen, dass der kleine Mann keinen Unfug machen konnte, während ich schlief. Allerdings hat er mich in der ersten Nacht drei Mal wach gemacht und meinte, er müsste jetzt Halligalli veranstalten.“
Hatte er eine Windel um?
Tabita Kurda: „Ja, die erste Amtshandlung am Montag war es, Windeln zu kaufen. Diese habe ich ihm um den Bauch gebunden, um zu verhindern, dass er überall hin pinkelt.“
Gibt es nicht Hunde bei deinen Eltern?
Tabita Kurda: „Genau, zwei Australien Shepherd Hündinnen. Die Ältere war am Anfang eher zurückhaltend und hatte Respekt. Die Jüngere hat ihn direkt akzeptiert und geputzt. Ich glaube, jetzt denkt Ferdinand manchmal, er ist ein Hund. Im Garten spielen die beiden auch zusammen und rennen los. Dabei bockt Ferdi schon ganz schön rum und springt auch auf sie zu, um sie zum Spielen zu animieren. Mittlerweile hat die Große ihn auch komplett akzeptiert und freut sich, wenn ich mit ihm vorbeikomme. Außerdem wohnen bei meinen Eltern auch zwei Katzen. Die beiden sind sehr neugierig und allem gegenüber aufgeschlossen. So war es auch nicht verwunderlich, die Katzen Nase an Nase mit dem Böckchen zu sehen. Sogar geputzt wurde er von den beiden.“
Wie oft musste Ferdinand gefüttert werden? Wie? Womit?
Tabita Kurda: „Im Internet findet man leider super viele katastrophale Empfehlungen. Wichtig bei der Lämmeraufzucht ist, dass man Milchaustauscher OHNE bzw mit einer sehr geringen Menge Kupfer nimmt. Schafe sind sehr anfällig für Kupferintoxikationen. Völlig ungeeignet sind Milchaustauscher für Kälber. Nachdem das Kolostrum alle war, bekam er also Milchaustauscher. Ich hatte neuen bestellt, dieser hing aber in einer Packzentrale fest, weil das Paket beschädigt wurde. Also wurde teuer vom Bioladen Bio-Schafsvollmich besorgt, die er dann bekommen hat. Er hat das auch super vertragen. Bei der Umstellung von einem aufs andere erwartet man ewig Durchfall. Das ist recht normal. Ich war darauf gefasst. Aber nichts. Ferdi bekam stattdessen Verstopfungen. Daraufhin musste die Flüssigkeitsmenge gesteigert werden und es ging wieder. Man sagt, Lämmer sollen etwa 20 Prozent ihres Körpergewichts an Milch pro Tag zu sich nehmen. Ich habe mich an eine Tabelle für Tränkempfehlungen aus der Klinik gehalten.“
Wie hat sich Ferdinand euch gegenüber verhalten?
Tabita Kurda: „Ferdinand hat sich ganz klar auf mich geprägt. Er denkt, ich bin seine Mama. Er rennt mir hinterher und hört auch relativ gut auf seinen Namen. Generell ist er super verkuschelt und liebt es, mit mir zu rennen.“
Wem vertraut er am meisten? Wie äußert sich das?
Tabita Kurda: „Er vertraut mir am meisten. Wenn ich ihn auf dem Arm habe, entspannt er sich in der Regel sehr schnell und schläft oft auch einfach ein. Bei anderen Menschen kommt es immer darauf an, wie müde er ist. Wenn er nicht will, will er nicht und man hat schnell ein Bein im Gesicht.
Am süßesten ist es, wenn er auf meinem Arm ist und ewig runter will und mit seinen kleinen Beinchen dann an meinem Arm kratzt, um seinen Unmut zum Ausdruck zu bringen.
Wenn ich ihn bei meiner Familie mal kurz abgegeben habe, um etwas zu erledigen, war das Geblöke jedenfalls lang anhaltend und laut.“
Was hat sich in seiner Haltung mit der Zeit verändert?
Tabita Kurda: „Auf jeden Fall äußerlich die Erscheinung und das Gewicht. Der Kopf wurde länger, die Augen größer, die Beine länger. Ansonsten wurde er in jedem Fall eigenständiger und natürlich agiler. Er brauchte mehr Auslastung und Bewegung.“
Was hat Ferdinand alles angerichtet?
Tabita Kurda: „Er hat auf mein Kissen gepinkelt, als ich seine Windel gewechselt habe… tja, doof gelaufen. Ansonsten wollte er überall reinbeißen!“
Hattet ihr Ferdinand nur in der Wohnung? Oder durfte er auch in den Garten?
Tabita Kurda: „Nein, er durfte auf jeden Fall auch in den Garten. In Berlin war ich mit ihm im Park spazieren und auf dem Unigelände durfte er auch laufen.“
Musstet ihr nicht weiter arbeiten gehen?
Tabita Kurda: „Ja, genau! Ich befand mich in der Rotation und arbeitete an der Pferdeklinik der Uni. Ferdi musste zwangsläufig mit und das war der Hit! Er hat in einem alten Untersuchungsraum ein Plätzchen bekommen und hat dort brav unter einer Wärmelampe im Stroh geschlafen, bis ich ihn zum Füttern rausgelassen habe oder in der Pause mit ihm spazieren war. Ferdi hat mich sogar auf meine Nachtdienste begleitet, das hat ihn nicht weiter gestört.“
Hat deine Mutter Ferdinand mit in die Schule genommen?
Tabita Kurda: „Nein. Da Ferdinand in erster Linie mein Schaf ist und auch bei mir rund um die Uhr war, hat sie ihn nicht mitgenommen. Tatsächlich habe ich sie aber mit Ferdinand besucht und war mit in ihren Klassen. Wir haben quasi den Unterrichtsstoff näher an die Schüler herangebracht. Laut den Schülern war das ‚die beste Überraschung, die es geben konnte‘!“
Wie wird es mit Ferdinand weitergehen?
Tabita Kurda: „Da ich momentan in einem Praktikum in Celle bin, ist er unter der Woche gerade in der Reproklinik der Uni. Er bekommt dort sein Fläschchen und lernt andere Schafe kennen und gewöhnt sich an das Leben als Schaf. Am Wochenende hole ich ihn jedoch zu mir. Sobald er mich sieht, fängt er an zu blöken und wackelt mit seinem Schwänzchen wie ein Hund.“
Landet er als Braten auf dem gedeckten Ostertisch?
Tabita Kurda: „Ein ganz klares Nein! Ferdi wird zu Freunden von mir nach Nauen auf eine riesige Wiese zu einer Handvoll anderer Schafe kommen und darf dort sein Leben genießen und hoffentlich sehr alt werden. Ich werde ihn natürlich so oft besuchen, wie ich kann. Er ist immerhin mein Zieh-Schäfchen und wird auch weiterhin mir gehören. Aber erst einmal muss er groß werden. Mit 12 Wochen kann er dann umziehen.“
Kommt er zum Schäfer Kolecki?
Tabita Kurda: „Nein. Olaf Kolecki habe ich dieses Mal nicht zu Rate gezogen. Er ist allerdings ein guter Kunde meiner zukünftigen Praxis und ich kenne ihn schon lange.“
Was war es für eine Erfahrung, Ferdinand aufzuziehen?
Tabita Kurda: „Es war eine wundervolle Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen möchte. Manchmal sind die besten Entscheidungen die, wo man nicht nachdenkt, sondern einfach handelt. Er schenkt so vielen Menschen Freude und zaubert mir jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 193 (4/2022).
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