Auf die Zwölf: Große Boxnacht in Falkensee – mit Protestaktion!
Der Box-Sport hat die Falkenseer Stadthalle für sich entdeckt. Am 9. April lud die Kuc Boxing Promotion aus Spandau zur allerersten Profiboxgala in die umdekorierte Halle ein. Neun Kämpfe fanden genau dort im Ring statt, wo ansonsten die Stadtverordneten tagen. Der Abend hatte alles, um lange im Gedächtnis zu bleiben – harte Kämpfe mit vielen Knock-outs, einen singenden Kampfrichter und einen Nacktauftritt der Femen als Protest gegen einen der antretenden Boxer.
Wann gab es in Falkensee zuletzt richtig großen Boxsport zu sehen? Der serbische Box-Promoter Almin Kuc hatte jedenfalls großes Vertrauen in den Berlin-nahen Standort und lud am 9. April zu einer allerersten “Internationalen Profiboxgala” in die neue Stadthalle ein. An die 500 Zuschauer vor allem aus dem Boxmilieu lösten ein Ticket und freuten sich auf einen schlagkräftigen Abend.
Zunächst standen noch zehn Profikämpfe auf der “Fight Card”. Der Hauptkampf um den vakanten Deutschen Meistertitel des BDB (Bund Deutscher Berufsboxer) im Super-Weltergewicht musste aber leider kurzfristig abgesagt werden. Rico Müller aus Eberswalde wollte eigentlich gegen Florian Wildenhof aus dem bayerischen Altötting in den Ring steigen. Wildenhof musste den Kampf aber wegen Krankheit von der Karte nehmen lassen.
Für die Zuschauer war das schade, aber keine Katastrophe. Schließlich ließ die Kuc Boxing Promotion viele weitere Boxer aus dem eigenen Stall in das Ringviereck steigen. So konnten die Zuschauer in der perfekt beleuchteten Halle spektakuläre Kämpfe in verschiedenen Gewichtsklassen sehen. Mit Anna-Lena Weusmann aus Berlin und Dilar Kisikyol aus Hamburg sollten sogar zwei Frauen den Kampfabend eröffnen.
Der Boxsport an und für sich polarisiert sehr. Wer den Boxsport liebt, mag die damit einhergehende Fitness, das körperliche Schachspielen im Ring, das Fintieren und das Abstrafen eines Fehlers vom Gegner mit einem Schlag, der durch die Deckung geht. Gegner des Sports können dem Boxen nichts abgewinnen, weil es in ihren Augen einzig und allein darum geht, sich im Ring gewalttätig zu verdreschen und sich gegenseitig körperlichen Schaden zuzufügen.
Keine zwei Meinungen gibt es aber darüber, dass ein Boxer keine Frauen schlägt. Viel Aufmerksamkeit zog deswegen schon im Vorfeld der angekündigte Kampf von Tom Schwarz gegen Muhammed Ali Durmaz im Schwergewicht auf sich. Tom Schwarz aus Magdeburg hatte seiner Ex-Verlobten im Jahr 2020 den Kiefer bei einer Streitigkeit gleich drei Mal gebrochen. Der Richter stellte das Verfahren gegen eine Auflage finanzieller Art ein, sodass Tom Schwarz rein rechtlich nicht als verurteilt gilt. Der Ausgang dieses Gerichtsverfahrens wurde innerhalb und außerhalb der Box-Branche sehr hart kritisiert, viele forderten ein Berufsverbot für Schwarz.
Das ausgerechnet ein Kampf mit Tom Schwarz auf der “Fight Card” der ersten Falkenseer Profiboxgala stand, sorgte deswegen für starke Proteste. BILD.de nannte die Begegnung “Deutschlands wohl umstrittensten Boxkampf des Jahres”. Das führte auch dazu, dass am 9. April vor der Halle demonstriert wurde. Etwa 40 Aktivisten der Gruppe “Frauenkampftag SFO” aus Magdeburg, der Berliner Initiative “Keine Bühne für Täter” und sogar der Bewegung “Omas gegen Rechts” zeigten das Plakat “Kein Comeback für Frauenschläger” und forderten laut verteiltem Flugblatt den “Ausschluss Tom Schwarzs von kommerziellen Box- und Sportveranstaltungen”.
Antje Koch (Die Linke) aus Brieselang gehörte mit zu den Demonstranten: “Ein Boxer auf diesem Niveau ist eine lebende Waffe, er muss sich unter Kontrolle haben. Tom Schwarz scheint keinen Respekt vor seinem Sport zu haben. Indem er weiter antritt, zieht er den Boxsport in den Dreck.”
Als die Demonstranten dem Eingang zur Stadthalle zu nahe kamen, musste die Polizei einen lebendigen Block zwischen den emotional aufgewühlten Demonstranten und den Boxern bilden.
In der Stadthalle nahm der Abend hingegen einen professionell inszenierten Verlauf. Der Boxring wurde perfekt ausgeleuchtet. Die Zuschauer konnten rings um den Boxring Platz nehmen und so die fliegenden Fäuste aus nächster Nähe verfolgen. Mit großem Trara und der passenden Einlaufmusik wurden die Boxer in die Halle geleitet. Sie kamen dabei immer wieder direkt an den Zuschauern vorbei, die ihre Favoriten entsprechend feierten. Während der Kampfrunden konnten die Zuschauer aber auch die Ringrichter bei ihrer Arbeit beobachten, den Trainern in den Rundenpausen auf die Finger schauen oder den Cutman bei der Arbeit observieren.
Nur die wenigsten der neun Kämpfe gingen über die volle Rundenzahl. Sehr oft musste der Ringrichter einen Kampf schon in den ersten Runden abbrechen – um einen in die Ecke gedrängten Boxer vor schweren Verletzungen zu schützen oder weil ein schwerer K.O. ein Weiterkämpfen völlig unmöglich machte.
Die Boxer aus der roten Ecke des Promoters dominierten die Kämpfe deutlich. Die Trainer feuerten ihre Boxer immer wieder gut hörbar an: “Dreh die Faust”, “Finte und dann Schlag”, “Bleib groß”, “Und jetzt die Rechte” oder “lange Hände”.
Richtig emotional wurde es im sechsten Kampf, als Sanel Hasanovic aus Serbien seinem deutlich kleineren Gegner Richard Pkhakadze aus Georgien gleich zwei Mal nacheinander mit einem schmerzhaften Tiefschlag erwischte – und auch noch in der unmittelbaren Schmerzphase nachlegte. Da brannten bei Richard Pkhakadze alle Sicherungen durch und man sah dem kräftigen “Wikinger” an, jetzt auf Teufel komm raus einen harten K.O. herbeiführen zu wollen. Am Ende lag er allerdings selbst in der dritten Runde mit einem technischen K.O. in der Ringecke.
Aufgelockert wurde der Abend übrigens vom einzigen singenden Ringsprecher Hawk, der im goldenen Anzug “Wonderful World” intonierte. Aber das war noch vor dem großen Skandalkampf.
Noch in der Pause (in der der TSV Falkensee kurz den Nachwuchs aus dem eigenen Boxstall präsentierte) unkte Heiko Richter, Veranstaltungsmanager der Stadthalle, bei der Getränkeausgabe: “Was ist denn, wenn sich die Demonstranten ganz regulär eine Karte besorgt haben, um vor dem Schwarz-Kampf einen weiteren Protest direkt in der Halle zu starten?”
Genau so kam es dann auch. Kaum betrat Tom Schwarz im schwarz-goldenen Boxermantel die Bühne, rissen sich zwei Vertreterinnen der Femen die Oberteile vom Körper und stürmten oben ohne die Bühne. Auf ihre nackten Körper hatten sie geschrieben: “End male violence.”
Die Frauen wurden vom Sicherheitspersonal “eingefangen” und aus der Halle geführt. Tom Schwarz, der sich 2019 in Las Vegas in einem Kampf gegen den britischen Ex-Weltmeister Tyson Fury seine einzige Niederlage bei 27 Fights einhandelte, ließ sich von diesem Protest wenig beeindrucken. Im Ring sorgte er bereits nach 2:40 Minuten für einen ebenso schnellen wie harten K.O. seines Gegners. Sichtlich emotional vergrub er das Gesicht in den Boxhandschuhen und rief “Ich bin zurück!”
Viele Zuschauer gingen schon nach dem Schwarz-Kampf und verpassten so den Hauptkampf des Abends. Der Bosnier Edin Puhalo aus Sarajewo boxte im Cruiser-Gewicht gegen Nils Schmidt aus Wismar – um den Continental-Gürtel des Boxverbands IBO. Er schickte seinen Gegner in der dritten Runde mit einem so schweren Treffer zu Boden, dass sich der Unterlegene minutenlang nicht mehr rührte und die Rettungssanitäter bereits mit dem Defibrillator-Koffer anrückten.
Almin Kuc war mit seiner Boxnacht, die live ins Internet gestreamt wurde, hochzufrieden: “Wir möchten gern wiederkommen und einmal im Jahr eine große Boxnacht in Falkensee veranstalten – möglichst in der Sporthalle, weil dort mehr Zuschauer möglich sind. Wir wollen vor Ort eine Tradition etablieren – gern schon in diesem September.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 194 (5/2022).
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