Kino-Filmkritik: Der Pfad
Ein ungewöhnlich ernster Film kommt aus Deutschland in die Kinos. „Der Pfad“ spielt 1940 – mitten in der schlimmsten Nazizeit. Der kritische Journalist Ludwig Kirsch (Volker Bruch) steht bei den Nazis auf der schwarzen Liste. Er muss mit seiner Familie fliehen, ansonsten droht ihnen der Tod. Die vorgereiste Mutter hat es bereits von Paris aus in die USA geschafft. Doch die Nazis haben Frankreich in der Zwischenzeit eingenommen – und Ludwig und sein Sohn Rolf (Julius Weckauf) müssen sich einen anderen Fluchtweg suchen.
Sie reisen nach Marseille, um sich von hier aus über die Pyrenäen nach Spanien durchzuschlagen. In Lissabon wartet ein Schiff auf die Familie.
Tragische Umstände sorgen dafür, dass Rolf allein über die Berge klettern muss. An seiner Seite – die spanische Waise Núria (Nonna Cardoner) als bezahlte Führerin. Sie hat mit ihren zwölf Jahren früh lernen müssen, sich allein in den Bergen zu behaupten.
Der Film von Tobias Wiemann („Amelie rennt“) basiert auf einem Roman von Rüdiger Bertram, der eine wahre Geschichte für ein jugendliches Publikum niederschreibt. Der Film wurde direkt vor Ort in den Pyrenäen gedreht – mit deutschen und spanischen Schauspielern.
„Der Pfad“ lebt vom direkten Zusammenspiel der beiden Kinder Rolf und Núria. Rolf hat vom Leben noch keinen blassen Schimmer und erscheint ganz als Kind der Zivilisation, in dessen Leben bislang die Eltern alle Entscheidungen getroffen haben. Plötzlich auf sich gestellt zu sein, überfordert Rolf sichtlich. Zum Glück gibt es da die taffe Núria, die ganz genau weiß, wie man Polizisten besticht, Nazi-Patrouillen entkommt und hingebungsvoll in verschiedenen Sprachen flucht.
Wie sich die beiden Kinder aneinander annähern und sich gegenseitig beeinflussen, ist durchaus sehenswert. Wobei Nonna Cardoner eine unfassbare Leinwandpräsenz hat und das deutsche „Wunderkind“ Julius Weckauf locker an die Wand spielt. Von ihr möchte man auf jeden Fall noch mehr sehen.
„Der Pfad“ lebt auch von der rauen Umgebung der Pyrenäen. Es hat sich gelohnt, den Film nicht im Studio zu drehen, sondern nach draußen zu gehen. Wir haben doch tolle Kulissen in Europa, das muss man unbedingt noch viel mehr nutzen.
Von der Spannung her ist „Der Pfad“ – okay. Es fehlt das richtige Mitfiebern, das komplett-in-der-Geschichte-Versinken. Die Geschichte ist leidlich spannend, es finden sich tolle Charaktere (gerade der Papa ist zum Niederknien), aber vom Aufregungsfaktor her plätschert der Film nur von einem kleinen Höhepunkt zum nächsten.
Der Film eignet sich natürlich vor allem sehr gut dafür, gerade den Kindern von heute die Schrecken der Nazizeit näherzubringen. Allerdings wird in diesem Zusammenhang viel zu wenig erklärt. Warum genau der Vater auf der Liste der Nazis steht, was es mit den Partisanen in den Bergen auf sich hat und warum die Amerikaner die deutschen Flüchtlinge aufnehmen – all das wird nur rudimentär behandelt. Aus der Sicht des flüchtenden Kindes wären vielleicht auch gar nicht mehr Fakten bekannt. Trotzdem hat man das Gefühl, als hätte der Film die Chance versäumt, noch mehr wichtige Zusammenhänge aus der Zeit zu vermitteln.
Dabei wäre genau das kein Problem gewesen. Mit 99 Minuten fällt „Der Pfad“ nahezu kurz aus. Gerade das Ende kommt so schnell um die Ecke, dass man kaum blinzeln darf, um nur ja nichts zu verpassen. Schade. (CS / Bilder: Warner Brothers)
Fazit: 3 von 5 Sternen (FSK 6)
Spieldauer: 99 Minuten
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=9hWkMMZP5aM
Dieser Artikel stammt aus „ZEHLENDORF.aktuell“ Ausgabe 95 (2/2022).
Seitenabrufe seit 22.02.2022:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige