Kino-Filmkritik: Ein Junge namens Weihnacht
“Ein Junge namens Weihnacht” – das ist der Film, der uns in diesem Jahr im Kino auf die besinnliche Weihnachtszeit einstimmen möchte. Wir lernen im Film zunächst eine alte Tante (Maggie Smith) kennen, die in der Weihnachtszeit auf drei kleine Kinder aufpasst, die gerade erst ihre Mutter verloren haben. Den Kindern ist die Tante nicht ganz geheuer. Aber sie schafft es, ihnen eine Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen, die sie nicht mehr loslässt.
Darin geht es um den elfjährigen Nikolas (Henry Lawfull). Er hat ebenfalls seine Mutter verloren und wächst mit seinem Vater in bitterer Armut mitten in den Wäldern Finnlands auf. Sein Leben wird von jetzt auf gleich auf den Kopf gestellt, als der König (Jim Broadbent) seine Untertanen dazu auffordert, die Hoffnung wiederzufinden. Auch Nikolas Vater (Michiel Huisman) zieht los. Er möchte das geheimnisvolle Dorf „Wichtelgrund“ finden, von dem die verstorbene Mutter erzählt hat, es einmal in jungen Jahren besucht zu haben. Nikolas übellaunige Tante (Kristen Wiig) soll derweil auf den Jungen aufpassen. Doch die Tante übertreibt es mit ihren Garstigkeiten – und sorgt so dafür, dass der Junge seinem Vater nachfolgt.
Gil Kenan führt Regie in diesem sehr ungewöhnlichen Weihnachtsfilm, der der Buchvorlage von Matt Haig folgt und sehr zielsicher jenseits der tief ausgetretenen Klischeepfade ähnlicher Filme wandelt.
“Ein Junge namens Weihnacht” verzichtet ganz auf den überbordenden Kitsch und Zuckerguss der bekannten Hollywoodfilme und setzt auf eine starke Geschichte mit tollen Charakteren und immer wieder unerwarteten Wendungen. Fast fühlt man sich an die alten tschechischen Märchenfilme erinnert, die mit Herz und Erzählfreude neue Welten erschaffen haben.
Wer die Weihnachtsgeschichte schon das eine oder andere Mal im Kino erlebt hat, staunt darüber, wie komplett anders die Erzählung hier verläuft.
Zusammen mit seiner sprechenden Maus Miika reist Nikolas durch die karge Schneelandschaft jenseits jeder menschlichen Behausung, um unterwegs nicht nur ein fliegendes Rentier, sondern auch das für Menschen normalerweise verborgene Wichtelgrund aufzuspüren. Hier stößt Nikolas auf eine sehr durchgeknallte Wahrheitselfe (Zoe Colletti) mit einem Hang zur Pyromanie, aber auch auf die verbitterte Anführerin von Wichtelgrund (Sally Hawkins), die nach einem unerfreulichen Kontakt mit den Menschen eine diktatorische Freudlos-Gesellschaft der Wichtel aufbaut.
Bis ganz zum Schluss fragt sich der Zuschauer, wie der Film am Ende wohl noch den Schlenker hinbekommt, aus dem kleinen dünnen Jungen mit der roten Mütze den späteren Weihnachtsmann zu machen? Aber das Unterfangen gelingt – und man muss sich das eine oder andere Tränchen der Rührung verkneifen, wenn Werte wie Hoffnung, Freude und Selbstlosigkeit neu mit Inhalten gefüllt werden.
Keine Frage: “Ein Junge namens Weihnacht” baut endlich einmal wieder auf ein tolles Drehbuch mit pfiffigen Einfällen, das allein den ganzen Film trägt. Die bekannten Schauspieler setzen Akzente, drängen sich aber nicht so sehr in den Vordergrund, dass sie Nikolas Geschichte beeinträchtigen. Henry Lawfull spielt den Nikolas ganz toll – sehr unaufgeregt, authentisch und mit großen Augen.
Ob der Film schon etwas für kleine Kinder ist, müssen die Eltern selbst entscheiden. Es geht sehr viel um Trauer und um den Verlust der Eltern. Das kann schon ein wenig aufs Gemüt gehen. Wir sagen allerdings: Das ist Kino, wie es sein muss. (CS / Bilder: Studiocanal)
Fazit: 5 von 5 Sternen (FSK 6)
Spieldauer: 104 Minuten
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=B0q1noUy2Fo
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 189 (12/2021).
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