Dreh die Kurbel: Festival der Drehorgelspieler in Brieselang!
Mit Detlef Luther (64) hat Brieselang einen Kümmerer, der sich mit vollem Einsatz um die bemüht, die allein für sich keine Lobby mehr haben – krebskranke Kinder und einsame Senioren. Mit der Drehorgel zieht er bei Wind und Wetter los, um Spenden zu sammeln. In der Adventszeit lud er zum allerersten Drehorgelfest in Brieselang ein. Alle dabei gesammelten Spenden kamen der „Kolibri Hilfe für krebskranke Kinder“ zugute.
Detlef Luther ist in den vergangenen Jahren zu einer bekannten Persönlichkeit in Brieselang geworden.
Alles begann so richtig mit seiner Facebook-Gruppe „Brieselang hilft“, die inzwischen 290 Mitglieder stark ist, und die über sich sagt: „Wir sind eine Gruppe von Brieselangern, die unbürokratisch und ohne Eigennutz Menschen in Brieselang, Zeestow und Bredow helfen möchte. Geholfen wird in fast allen Bereichen, wo Hilfe benötigt wird.“
Alle Aktionen, die bislang von dieser Gruppe ausgingen, führten am 12. Juni 2021 dazu, dass im Gemeindehaus der evangelischen Kirche der offizielle Verein „Brieselang hilft e.V.“ (https://brieselang.info/brieselang-hilft.htm) gegründet wurde – Pfarrer Rudolf Delbrück ist hier als zweiter Vorsitzender fest mit an Bord. Die Arbeit der Facebook-Gruppe soll natürlich fortgeführt werden.
Das bedeutet für Detlef Luther in der Regel, dass er mit der eigenen 70 Jahre alten Drehorgel loszieht, um kräftig zu kurbeln und Spenden zu sammeln. So ging der Brieselanger im Juli 2021 mit seiner Drehorgel gar auf Deutschlandtour, um Geld für den 13-jährigen Julian aus Brieselang zu sammeln. Der Junge kämpft gegen den Krebs. Linderung verspricht eine Hyperthermie-Therapie, die allerdings nicht von der Kasse bezahlt wird. Die Reise führte den Drehorgel-Spieler durch Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. So kam viel Geld für Julian zusammen.
Lebendiger Adventskalender: Festival der Drehorgelspieler
Wann lässt es sich besser helfen als in der Vorweihnachtszeit? „Brieselang hilft“ hat deswegen im Dezember 210 Geschenktüten für einsame Senioren und 27 Großpakete für die Tafel gepackt. Detlef Luther: „Wir wissen, dass es einige bedürftige Brieselanger gibt, die es sich nicht trauen, zur Tafel zu gehen. Auch sie haben wir besucht, um ihnen eine Überraschung vorbeizubringen.“
Die Brieselanger haben sich außerdem dafür eingesetzt, als „Wunscherfüller“ die Herzenswünsche von Brieselanger Kindern zu erfüllen, die ansonsten kein Geschenk bekommen hätten.
Der Höhepunkt der gebündelten Hilfsaktionen war aber sicherlich das Festival der Drehorgelspieler, das am 14. Dezember als Höhepunkt des „lebendigen Adventskalenders der Gemeinde Brieselang“ veranstaltet wurde. Ab 15 Uhr konnten die Besucher auf dem Kirchengelände der Gemeinde Brieselang den Klängen gleich mehrerer Drehorgelspieler lauschen.
Detlef Luther: „Es gibt nicht mehr besonders viele Drehorgelspieler in Deutschland. Man kennt sich, es gibt sogar eine gemeinsame Whats-App-Gruppe. Als die Kollegen gehört haben, dass es um Spenden für krebskranke Kinder geht, sind sie alle ohne Gage angereist.“
So auch Detlef und Vera Strecker aus der Gegend um Königs Wusterhausen: „Wir spielen auf einer historischen und auf einer modernen Drehorgel. Die historische wird noch über Rollen mit dem Liedgut bestückt. Die Rollen weisen Löcher in langen Papierstreifen auf, die die Ventile der Orgel öffnen und so den Klang bestimmen. Oft befinden sich gleich mehrere Lieder auf einer Rolle. Jede Rolle spielt so etwa zwölf bis dreizehn Minuten Musik. Die moderne Drehorgel steuert die Ventile elektrisch. Auf ihr sind etwa 300 Lieder hinterlegt.“
Aus dem Löwenberger Land stammen Bert und Kerstin Rudolf. Sie spielten auf einer historischen Drehorgel der Firma Raffin, die noch Register zum Ziehen hat – wie eine Orgel in der Kirche. Kerstin Rudolf: „Wir spielen sonst auf Stadtfesten oder in Altersheimen. Gern sind wir auf Drehorgelfesten unterwegs und reisen dabei bis nach Norwegen oder Ungarn. Ich habe als Kind viel gesungen, schaffte es aber nicht, ein Musikinstrument zu erlernen. Da ist die Drehorgel perfekt. Man muss nur aufpassen, dass man die Kurbel im richtigen Tempo dreht, sonst leiert die Musik. Das Wort ‚Leierkasten‘ ist deswegen auch eher ein Schimpfwort für uns.“
Detlef Luther eröffnete das Festival mit „Ave Maria“, anschließend spielten auch die anderen Drehorgeln. Eine Premiere war dabei der Auftritt von Vera Luther, die das allererste Mal öffentlich an der Kurbel stand: „Ich hätte nie gedacht, dass man einmal im Alter zum Hobby kommt, Leierkasten zu spielen. Aber wenn der eigene Mann so verrückt ist, was soll man denn sonst machen?“
Für die Besucher gab es auch noch einen Auftritt des Pianisten Francois Planiol. Sie konnten außerdem einen riesigen begehbaren Weihnachtsbaum samt Sitzbank und Krippe im Inneren bestaunen. Und es gab gegen Spende auch noch Weihnachtsschmuck zu kaufen. Detlef Luther: „Am Ende kamen 566,81 Euro zusammen.“ Das Geld ging an den Verein „Kolibri Hilfe für krebskranke Kinder Deutschland e.V.“.
Woher nimmt Detlef Luther seine Motivation zum Helfen? Dazu sagte er: „Mir wurde in meinem Leben nie geholfen. Ich weiß, wie schwer es ist, in schlimmen Zeiten etwas allein schaffen zu müssen. Helfen kommt aus meiner Biografie.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 190 (1/2022).
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