Käfer & Kräuter: “Unser Havelland” und Kräuterfee Tina luden zur Naturexkursion!
Das Wissen um unsere Natur geht zunehmend verloren. Angesichts der Tatsache, dass wir uns zurzeit im größten Artensterben der Neuzeit befinden, ist das natürlich fatal, weil dann die Sensibilität für das Verschwinden vieler Pflanzen und Tiere fehlt. Aus diesem Grund laden die Kräuterfee Tina und Insekten- und Spinnenkenner Carsten Scheibe einmal im Jahr zu einer kostenlosen Naturführung ein. Im September war es wieder einmal so weit.
Der 12. September war bei vielen Naturfreunden im Kalender markiert: Eine neue Biologie-Exkursion “auf die grüne Wiese” stand an. In diesem Jahr hatten sich binnen weniger Stunden knapp 50 Teilnehmer angemeldet – so viele waren es noch nie. Viele Familien nutzen den Sonntagnachmittag, um mit sämtlichen Kindern zu einem sehr ungewöhnlichen Feldtrip aufzubrechen.
Carsten Scheibe: “Das in der Presse oft verkündete Insektensterben ist ganz real. Wir haben in den letzten Jahren einen Großteil der sechsbeinigen Biomasse verloren. Dies ist eine direkte Folge davon, dass immer mehr Pflanzen aussterben. Professor Dr. Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens und des Botanischen Museums Berlin, geht von einer Million Pflanzen- und Tierarten aus, die zurzeit vom Aussterben bedroht sind. Tatsächlich kann man sehen, wie immer mehr große Brachflächen mit den verschiedensten Biotopen verloren gehen – in der Regel durch die Bebauung mit Häusern.”
Am Rohrbecker Damm, direkt zwischen Falkensee und Dallgow-Döberitz, gibt es eine uralte Streuobstwiese, die seit vielen Jahren komplett sich selbst überlassen wird. Hier kann man sehr gut sehen, wie viele verschiedene Pflanzen- und Tierarten vor Ort eine funktionierende Gemeinschaft gegründet haben.
Mit Einmachglas und Becherlupe auf in die Biologie-Exkursion
Carsten Scheibe: “Ich hatte mir vor der Exkursion auf die Wiese große Sorgen gemacht: Sehen wir überhaupt irgendetwas? Es hatte an den beiden Vortagen nahezu durchgeregnet, die Temperaturen waren deutlich gefallen. Da verstecken sich gerade die Insekten sehr gern.”
Kräuterfee Tina (www.kraeuterfeetina.de) konnte unbekümmerter in das Naturtreffen durchstarten: “Meine Wildkräuter können ja nicht weglaufen.”
Doch die Sorge war unbegründet. Noch während die Veranstalter auf die letzten Teilnehmer warteten, hatten die Kinder mit viel Humboldt-Forscherdrang bereits so einige spannende Tiere direkt am Wegesrand entdeckt. So etwa Feuerwanzen, die einen Geruch ausdünsten, der andere Insekten vertreibt. Eine lindgrün leuchtende Eichenlaubschrecke, die hoch oben in den Bäumen lebt. Einen knallroten Marienkäfer, der bei Gefahr eine gelbe Lymphflüssigkeit aus den Kniegelenken ausschwitzt, die ein starkes Gift enthält. Und die Garten-Kreuzspinne, die mit dem weißen Kreuz auf den Rücken so gefährlich aussieht, mit ihren “Zähnen” aber gar nicht durch die menschliche Haut kommt.
Auf der Streuobstwiese angekommen, schwärmten die kleinen Forscher aus – und suchten nach weiteren Tieren. Sie fanden einen Mistkäfer, der seine Eier tief unter der Erde in die eingesammelten Hinterlassenschaften von Säugetieren legt. Sie entdeckten eine filigrane Sichelschrecke, bei denen die Weibchen eine Legeröhre aufweisen, die wie ein Säbel geformt ist. So kann die Langfühlerschrecke ihre Eier direkt in die Blätter ihrer Futterpflanze legen. Sie entdeckten viele frisch geschlüpfte Tagpfauenaugen, die sich an den gelben Blüten der Goldrute mit Nektar versorgten.
Für Staunen sorgte die Wespenspinne, die in Kniehöhe im Gras ihr Radnetz spinnt. Die Weibchen, die im September kurz vor der Eierablage stehen, können überraschend groß werden – und sind mit ihrer auffällig farbenfrohen Gelb-weiß-Streifenfärbung immer ein Hingucker. Der ebenfalls aus dem Süden eingewanderte Ammendornfinger wurde auch entdeckt. Die Weibchen spinnen die Köpfe von Gräsern zusammen, um in hühnereigroßen Gespinstglocken ihre Eier zu legen. Dabei bleiben die Weibchen im Nest – und sterben hier mit der Zeit. Die Jungen schlüpfen noch in diesem Jahr und verlassen das Nest, um in Bodennähe zu überwintern.
Spannend war es dieses Mal für die angehenden Hobby-Biologen, sogenannten Pflanzengallen nachzuforschen. Dabei handelt es sich um Geschwulste der Pflanzen nach der Eiablage einer winzigen Gallwespe. Die geschlüpften Larven sondern einen Stoff ab, der das Pflanzengewebe zum Wuchern bringt. So sind die Larven geschützt und finden gleichzeitig Nahrung. Entsprechende Gallen konnten u.a. auf Eichenblättern und Hagebuttensträuchern gefunden werden.
Kräuterfee Tina: Macht euch doch mal einen Giersch-Salat!
Auch um die Kräuterfee Tina scharrten sich sehr schnell viele interessierte Havelländer. Denn wo sonst kann man erfahren, welche Wildkräuter man da gerade aus Versehen platt tritt?
Da ging es u.a. um die Wilde Rauke (schmeckt wie Rucola), die Knoblauchrauke (ergibt ein würziges Pesto), den Breitwegerich (eignet sich als Pflaster und hilft bei Blasen am Fuß) und das Franzosenkraut (sehr lecker).
Eine Lanze brach die Kräuterfee aber auch für den Giersch, der in vielen Gärten wuchert und deswegen nicht immer willkommen ist: “Wenn man den zurückschneidet, wachsen zarte Triebe nach. Diese lassen sich wunderbar als Salat verwenden. Giersch schmeckt wie Petersilie, hat aber zehn Mal mehr Vitamin C. Mit Apfelsaft, Rosmarin und Zitrone ergibt der Girsch die leckerste Limonade, die ich kenne.”
Damit man Wildkräuter nicht mit giftigen Doppelgängern verwechselt, gibt es für jede Pflanze einen Merksatz. Beim Giersch heißt der: “Drei mal Drei und du bist dabei”. Der Giersch hat einen dreieckigen Stiel und hat pro Stiel drei Triebe, die sich in drei Blätter aufteilen.
Kräuterfee Tina: “Wer in der Natur Giersch oder auch Bärlauch erntet, sollte immer nur so viel mitnehmen, dass es für den Eigengebrauch reicht. Und so, dass man anschließend nicht sieht, dass da jemand einzelne Blätter geerntet hat.”
Jelena Stankovic (13) aus Falkensee hatte am Ende viel Spaß an der ungewöhnlichen Doppel-Exkursion: “Das war Biologieunterricht, der einmal so richtig Spaß gemacht hat.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 187 (10/2021).
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