In Brieselang ist eine Straße nach einem Antisemiten benannt
Die Adolf-Stöcker-Straße in Brieselang ist im Hinblick auf den Namensgeber zweifelsfrei negativ belastet. Das haben sowohl Recherchen des American Jewish Committee (AJC) sowie eigene Erkundungen der Verwaltung durch Nico Graubmann offenbart – und zwar deckungsgleich. Demnach handelt es sich bei der Person Adolf Stöcker (1835-1909) um einen ausgewiesenen Antisemiten, wie Fachliteraturbelege klar dokumentieren.
Für Bürgermeister Ralf Heimann, der jüngst mit der Unterzeichnung der Erklärung des AJC ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt hat, indem er sich gegen jegliche Form des Judenhasses positionierte, sind die Belege ein Grund dafür, eine Umbenennung der Straße anzustreben. „Eine öffentliche Diskussion sollte dazu nun geführt werden“, betonte er.
Zahlreiche Kommunen in Deutschland haben den Straßennamen Adolf Stöcker bereits nach Bekanntwerden der Hintergründe zu der Person abgelöst, darunter etwa Bielefeld (1987 Umbenennung in Bernhard-Mosberg-Straße) und Bochum (2007 Umbenennung in Anne-Frank-Straße). Nach Recherchen ist Brieselang bundesweit die einzige Kommune, in der dieser Straßenname nach wie vor existent ist. Schon 2003 hatte die Redaktion des „Brieselanger Kuriers“ in einem Artikel zur Adolf-Stöcker-Straße auf die Problematik deutlich hingewiesen und Stöcker als ausgewiesenen Antisemiten bezeichnet. Damals hieß es: „Er gilt schlichtweg als der Wegbereiter des Antisemitismus in Deutschland. Deutlich wird dies an seinem berühmt berüchtigten Vortrag aus dem Jahr 1879 in dem er sagt: ,Wir bieten den Juden den Kampf an bis zum völligen Siege und wollen nicht eher ruhen, als bis sie hier in Berlin von dem hohen Postament, auf das sie sich gestellt haben, herabgestürzt sind in den Staub, wohin sie gehören.‘ Damit wurde er zum Auslöser einer maßlosen Attacke gegen alles Jüdische. Unerträglich ist es, wenn eine Straße in Brieselang nach solch einem Manne benannt ist.“
Auch das American Jewish Committee, der deutsche Sitz ist in Berlin, hat nach Recherchen eindeutige Hinweise zur Person Stöcker dargelegt. Das Buch „Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 bis 1914“ von Peter G. J. Pulzer (2004) enthält beispielsweise ein eigenes Kapitel zu Stöcker mit dem Titel „Stoecker und die Berliner Bewegung“ (ab Seite 134). Biographische Stationen von Stöcker werden zudem in dem Artikel der Berlinischen Monatsschrift (Heft 3/1999, Autor: Joachim Bennewitz; Adolf Stoecker: Theologe, Politiker und Antisemit), auf den sich auch passagenweise der Artikel im „Brieselanger Kurier“ bezog, aufgezeigt. Darin werden zudem „einige Zitate mit Blick auf Stöckers Antisemitismus wiedergegeben“. Am Ende des Artikels von Joachim Bennewitz sind noch weiterführende Literaturhinweise vermerkt.
Weiterhin sind Reden Stöckers im Internet einzusehen, etwa in der Dokumentation „Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern“ (Band 4. Reichsgründung: Bismarcks Deutschland 1866-1890; Hofprediger Adolf Stöcker thematisiert den Antisemitismus in der Christlich-Sozialen Arbeiterpartei 19. September 1879). Darin heißt es etwa: „In der That erscheint mir das moderne Judenthum als eine große Gefahr für das deutsche Volksleben.“ Der Sprachduktus und das Inhaltliche sind eindeutig. Die Forderungen, die er seinerzeit in einer seinen Reden zum Ausdruck gebracht hat (Quelle: Adolf Stöcker, „Unsere Forderungen an das moderne Judenthum“, in „Das moderne Judenthum in Deutschland, besonders in Berlin“), lassen eine Aufstachelung der Bevölkerung eindeutig erkennen, die in nachfolgenden Worten mündet: „…Einschränkung der Anstellung jüdischer Richter auf die Verhältnißzahl der Bevölkerung; Entfernung der jüdischen Lehrer aus unseren Volksschulen, zu dem Allen Kräftigung des christlich-germanischen Geistes; das sind die Mittel, um dem Ueberwuchern des Judenthums im germanischen Leben, diesem schlimmsten Wucher, entgegenzutreten.“
Und: Stöcker Stoecker war einer der Erstunterzeichner der „Antisemitenpetition“ prominenter Judengegner, wie Nico Graubmann für die Verwaltung zudem im Hinblick auf einen wissenschaftlichen Aufsatz von Michael Lausberg (Grundzüge des Antisemitismus in Deutschland 1871-1933) noch herausfinden konnten. Darin heißt es: Stoecker betrachtete sich als ,Begründer‘ und ,Vater der antisemitischen Bewegung‘. (…) Er trug maßgeblich zur Verbreitung des Antisemitismus in Politik, Kirche und Gesellschaft, vornehmlich aber im Protestantismus und in den konservativen Parteien bei. Er brüstete sich damit, ,die Judenfrage aus dem literarischen Gebiet in die Volksversammlungen und damit in die politische Praxis eingeführt‘ zu haben.“
„Die Fakten sprechen für sich, die Recherchen wurden unabhängig voneinander bestätigt“, sagt Bürgermeister Ralf Heimann. „Es bleibt kein anderer Schluss, als die Straße umzubenennen. Es wird Zeit, dass wir ein Zeichen setzen.“ Der Verwaltungschef selbst will nun im Verbund mit der Gemeindevertretung eine politische Entscheidung herbeiführen, so sein Anliegen. Heimann hat auch schon eine Reihe von Vorschlägen, wie eine Umbenennung aussehen könnte, jedoch will er den Gremien nicht vorgreifen, sondern eine Diskussion in Gang setzen. „Vor dem Hintergrund, dass wir kaum Straßen nach Frauen benannt haben, könnten wir etwa Helene Stöcker (1869-1943) als Alternative anbieten. Sie ist eine deutsche Frauenrechtlerin, Philosophin und Publizistin.“ Der Bürgermeister spricht sich aber auch für einen lokalen Bezug aus, sofern nach Diskussion gewünscht. „Wir können natürlich die Straße auch nach verdienten Bürgern benennen: Willy Funke, Gründer der Kirmes in Brieselang noch vor der ,Gemeindewerdung‘, Paul Freitag, erster Feuerwehrführer der Gemeinde Brieselang 1923, Otto Storch, Gründer Siedlerverein in Brieselang, oder aber G. Dittbrenner, einer der drei ersten Lehrer in Brieselang, Alfred Manker, 1925 erster Gemeindevorsteher, Herr Weihe, erster Schulleiter, oder Otto Lindemann, erster Herbergsleiter. Natürlich müssten auch in diesen Fällen Recherchen erfolgen.“ Die Meinungsbildung kann nun beginnen, ehe eine Beschlussvorlage eingebracht wird. Ob noch weitere Straßennamen belastet sind, wird übrigens weiter recherchiert. (Text: Gemeinde Brieselang / Fotos: AJC, Rachner/Gemeinde Brieselang)
Dies ist eine Pressemitteilung, die der Redaktion zugeschickt wurde, und die wir zur Information der Bürger in der Region Havelland unredigiert übernehmen.
Seitenabrufe seit 1.12.2021:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige