Corona-Welpen: Große Nachfrage nach Tieren aus dem Tierheim während Corona!
Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Lockdowns haben dazu geführt, dass die meisten Familien deutlich mehr Zeit Zuhause verbracht haben als üblich. Angesichts von Kurzarbeit, Home-Office und Home-Schooling sind viele Familien auf die Idee gekommen, sich während der Pandemie ein Haustier zuzulegen. Aber wie geht es mit Hund, Katze und Wellensittich eigentlich weiter, wenn alle wieder ins Büro oder in die Schule müssen? „Unser Havelland“ ist dieser Frage nachgegangen.
Stell dir vor, Corona ist endlich vorbei und alle können wieder in die Schule oder arbeiten gehen. Oder stell dir vor, die Corona-Fälle sinken direkt vor den großen Sommerferien plötzlich ins Bodenlose und ein richtiger Urlaub am Meer und in fremden Ländern ist wieder möglich.
Was passiert da eigentlich mit all den Haustieren, die mitunter etwas zu voreilig während der Corona-Pandemie angeschafft wurden, um den Zuhause eingesperrten Menschen Trost, eine Aufgabe und Abwechslung zu garantieren? Halten die Familien an ihren neuen Hunden, Katzen, Kaninchen und Wellensittichen auch dann fest, wenn der Alltag zurückkehrt und die ganze Familie plötzlich nur noch stundenweise in der eigenen Wohnung anwesend ist? Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Kommen die Familien nicht mehr mit ihren neuen Haustieren zurecht, müssten die Tierheime eigentlich überlaufen.
Ein Besuch Ende Juni im Falkenseer Tierheim (www.tierheim-falkensee.de) sorgte für mehr Klarheit.
Dr. Heike Wegner führt aus: „Dass Haustiere – auch auf unserem Gelände – ausgesetzt werden, weil sie nicht mehr in die Familienplanung passen, das ist leider ganz alltäglich, das passiert immer wieder einmal. Die Anzahl dieser Funde ist aber ebenso wie die Höhe der Tierabgaben bei uns in den letzten Tagen und Wochen nicht signifikant in die Höhe gegangen. Wir haben bei Familien, die ein Tier abgeben möchten, auch noch kein einziges Mal die Aussage gehört, dass Corona der Grund sei, warum sie sich von ihrem Tier trennen möchten. Ganz im Gegenteil: Wir haben zurzeit einen besonders niedrigen Tierbestand.“
Die Mitarbeiter haben aber einen ganz anderen Corona-Trend beobachten können. Dr. Heike Wegner: „Während des Corona-Lockdowns ist die Nachfrage bei uns nach zu vermittelnden Kaninchen, Vögeln und Katzen sehr deutlich gestiegen. Während der Lockdowns hätten wir sogar deutlich mehr Tiere vermitteln können, als wir bei uns versorgt haben – die Nachfrage war durchaus vorhanden. Wir schauen uns die Menschen, die unsere Tierheim-Tiere aufnehmen möchten, übrigens sehr genau an – und machen es ihnen auch nicht allzu einfach. Das schreckt vor unüberlegten Handlungen ab. Genau aus diesem Grund rechnen wir auch nicht damit, dass diese Tiere zu uns zurückkehren werden. Wenn wir ein Tier in neue Hände geben, haben wir schon das gute Gefühl, dass der neue Besitzer mit seinem Haustier auch zurechtkommt und verantwortungsvoll mit ihm umgeht. Zurzeit ist die Nachfrage nach Tieren wieder eher gering, was vor den Sommerferien aber auch normal ist. Wir erwarten in Kürze zwei Würfe mit Katzenkitten. Die geben wir in der zwölften Woche ab, das ist nach den Sommerferien. Da rechnen wir wie immer mit einem hohen Interesse.“
Vivien Moedebeck: „Während des Corona-Lockdowns war auch die Nachfrage nach Hunden sehr groß. Besonders beliebt waren hier echte Rassetiere. Vor allem die zurzeit sehr angesagten Französischen Bulldoggen und auch der Mops standen auf der Wunschliste der Leute ganz weit oben. Zurzeit haben wir gar keine Abgabehunde aus Falkensee mehr, sondern nur noch Auslandshunde von befreundeten Organisationen aus anderen Ländern, die ein neues Zuhause suchen.“
Die viele Zeit Zuhause habe aber bei den Corona-Home-Office- und -Kurzarbeitern noch zu einem ganz anderen Phänomen geführt, so Vivien Moedebeck: „So haben die Leute deutlich mehr Einblick in das bekommen, was ihre Nachbarn tun. Oft gab es Anrufe bei uns, dass die Nachbarn ihren Hund nicht gut behandeln. Wir haben in diesem Fall oft gesagt, sie sollen die Situation doch bitte noch ein wenig länger beobachten. Mitunter stellte sich nämlich heraus, dass die Hunde etwa für eine Begleithundeprüfung trainiert wurden. Auch haben wir noch nie zuvor so viele Anrufe bekommen, in denen uns Vogeljunge gemeldet wurden, die aus dem Nest gefallen seien. Das waren aber meist Nestflüchtlinge, für die es eine ganz normale Entwicklungsphase ist, sich außerhalb vom Nest aufzuhalten. Sie werden von den Eltern weiter gefüttert, bis sie irgendwann komplett auf eigenen Beinen stehen. Hier fehlt vielen Menschen leider das nötige Wissen um unsere Natur. Oft werden auch junge Hasen oder Rehkitze angefasst oder gar ‚zur Rettung‘ mit nach Hause genommen, obwohl es bei diesen Tieren ganz normal ist, dass der Nachwuchs ohne Mutter im Freien ausharrt. Wir dürfen übrigens auch nur Heimtiere aufnehmen, keine Wildtiere. Oft wird mit uns in diesem Fall nicht nett umgegangen, wir werden regelrecht unter Druck gesetzt: Dann lassen wir die Tiere eben einfach wieder frei, heißt es.“
Dr. Heike Wegner: „Richtig auffällig ist zurzeit nur eins: So viele Fund-Wellensittiche wie zurzeit hatten wir noch nie. Manchmal sind es gleich mehrere pro Tag. Ob das ein Corona-Trend ist oder ob nur jemand seine Voliere hat offenstehen lassen, das wissen wir aber nicht.“
Vor den Sommerferien stieg auf jeden Fall auch die Nachfrage nach der Möglichkeit, Katzen als Pensionsgäste im Tierheim abzugeben. Dr. Heike Wegner: „Das zeigt immerhin, dass sich die Tierbesitzer schon Gedanken wegen der Ferien machen. Wir sind aber in erster Linie ein Tierheim, auch wenn es bei uns Pensionsplätze gibt. Diese Plätze sind aber schnell belegt.“
Bei einem Tierwunsch: Bitte beim seriösen Züchter kaufen!
Andrea Ehrl betreibt in Dallgow-Döberitz die „Baroua Bosso Hundepension“ (www.baroua-bosso.de). Sie nimmt gern Hunde etwa während der Urlaubszeit in den großen Ferien auf und garantiert den „Feriengästen“ ein normales Familien- und Rudelleben – mit langen Spaziergängen in der Döberitzer Heide. 40 Jahre Erfahrung mit Hunden sprechen für die Dallgowerin.
Andrea Ehrl: „Unsere Pension ist für die Sommerferien bereits sehr gut gebucht, da brauchen wir gar keine Werbung mehr zu machen. Das zeigt aber auch, dass die Hundebesitzer ihrer Verantwortung gerecht werden und sich durchaus um ihre Tiere kümmern, wenn sie nun wieder voller Vorfreude in den Urlaub fahren.“
Die Hundezüchterin treibt allerdings ein ganz anderes Problem um. Viele Familien haben sich während der Corona-Pandemie sehr schnell und sozusagen „von jetzt auf gleich“ ein Haustier gewünscht und wollten lange Wartezeiten beim professionellen Züchter umgehen.
Die Alternative bereitet Andrea Ehrl eine Menge Bauchschmerzen: „Wir haben seit der Pandemie einen echten Hundeboom in Deutschland. Die Familien legen beim Kauf oft großen Wert auf einen Rasse-Welpen, achten dabei aber nicht zwingend auf ordentliche Papiere. Oft haben beide Elterntiere oder zumindest eines von ihnen keine Papiere. Mitunter handelt es sich bei den Züchtern auch nur um Hobbyhalter, die sich mit der Materie nicht wirklich auskennen, die ‚Lust auf einen Wurf‘ hatten oder bei denen es einen ‚Unfall‘ gegeben hat. Für mich sind diese Menschen ‚Vermehrer‘ und keine Züchter. Ohne ordentliche Papiere lässt sich die Abstammung der Welpen nicht klar nachweisen. Viel zu oft werden verwandte Tiere verpaart, oft sind es sogar Geschwister. Echte Züchter hingegen achten akribisch genau darauf, dass die Linien der Elterntiere über viele Generationen keine gemeinsamen Verwandten aufweisen. Auf diese Weise wird der Genpool möglichst groß gehalten. Ich sage immer gern: Lieber ein gesunder Mischling, in dem sich die guten Eigenschaften mehrerer Rassen vereinen, als ein vermehrter Rassehund ohne Papiere.“
Der Kauf eines Welpen von einem Hobbyzüchter kann auch dazu führen, dass bestimmte Vorsichtsmaßnahmen bei der Zucht nicht berücksichtigt werden.
Andrea Ehrl: „Professionelle Züchter setzen nur die Tiere für die Zucht ein, die zuvor erfolgreich einen Wesenstest angelegt haben, also nicht aggressiv oder verängstigt sind. Professionelle Züchter absolvieren immer wieder Fortbildungen und Prüfungen. Professionelle Züchter führen zuchtrelevante Gesundheitschecks wie zum Beispiel das Röntgen in Hinblick auf HD, ED und OCD durch und achten auch auf Zahnfehlstellungen. Professionelle Züchter achten auf das Mindest- und das Endalter der Hündinnen für die Zucht und wissen auch, wie viele Würfe in welchem Abstand sie der Hündin zumuten können.“
Hund Mollie: Familie Ullrich hat 12 Jahre lang mit der Entscheidung gewartet
Familie Ullrich aus Falkensee hat sich mitten im zweiten Corona-Lockdown einen Hund angeschafft. Ist sie damit ein Beispiel für eine Familie, die sich in der Corona-Zeit ganz kurzentschlossen für einen Vierbeiner entschieden hat?
Nina Ullrich (45), die viele auch aus ihrem Ladengeschäft „ilka + nina – stoffe wolle lieblingssachen“ in der Bahnhofstraße 61 kennen: „Bei uns war der Hundekauf alles andere als eine plötzliche Kurzschlussentscheidung. Tatsächlich hat unsere mittlere Tochter ganze zwölf Jahre gebraucht, um uns von den Vorzügen eines Hundes zu überzeugen. Für uns war es immer wichtig, dass der Zeitpunkt stimmt. Im zweiten Corona-Lockdown war meinem Mann und mir klar, dass jetzt dieser perfekte Zeitpunkt gekommen ist. Wir würden wohl nie wieder so viel Zeit haben wie im Corona-Lockdown, um einen Hund auf unsere Familie einzuschwören, ihn zu erziehen und ihn auch darauf vorzubereiten, später mit mir in den Laden zu gehen. Außerdem sind unsere Kinder im Alter von 10, 14 und 15 Jahren bereits so alt, dass sie ansonsten von einem Hund gar nichts mehr mitbekommen würden.“
Die Kinder wurden mit der Entscheidung „pro Hund“ freudig überrascht. Dann ging es plötzlich darum, was für ein Hund denn bei den Ullrichs einziehen sollte. Nina Ullrich: „Wir wollten alle erst ein halbes Pferd haben. Schnell wurde uns aber klar, dass wir einen Hund brauchen, der bei uns im Laden unter den Tisch passt, wenn ein Nähkurs stattfindet, und der zugleich so klein und niedlich ist, dass niemand Angst vor ihm hat. Auch sollte er nicht mit jedem Schwanzwedeln gleich unsere gesamten Wollevorräte neu im Laden verteilen.“
Zuerst wurde ein Hund aus dem Tierheim favorisiert. Hier war aber – anscheinend Corona-bedingt – im Umkreis von einhundert Kilometern kein passender Hund zu finden. Nina Ullrich: „So sind wir nach Thüringen zu einer Züchterin gefahren. Sie hat uns ganz schön in die Mangel genommen und sogar die Kinder interviewt. Erst, als sie sich ganz sicher war, dass wir uns gut um den Hund kümmern werden, haben wir den Zuschlag bekommen. Unser Hund ist ein Bollipoo, das ist eine sehr junge Rasse. Mollie heißt unsere Hündin – und sie ist so pechschwarz, dass man sie glatt mit einem Wollknäuel verwechseln könnte. Sie ist im März zu uns gekommen – und es war Liebe auf den ersten Blick.“
Bei der Erziehung von Mollie scheint Nina Ullrich nicht zwingend die treibende Kraft zu sein: „Ich bin das schwächste Glied in der Kette. Die Kinder sind da sehr militant und richtig streng. Mollie darf so etwa auch nicht aufs Sofa. Noch ist Mollie viel zu Hause, weil mein Mann im Home Office arbeitet und die Sommerferien anstehen. Nach den Ferien wird Mollie oft mit mir in das Geschäft kommen – da freue ich mich schon drauf. Auch für die Nach-Corona-Zeit ist also gesorgt. Ilka nennt Mollie schon jetzt den coolsten Ladenhüter der Welt.“
Fazit: Corona hat zu einem wahren Haustier-Boom geführt. Dass die ersten Tiere nach dem Ende des Lockdowns nun wieder im Tierheim abgegeben werden, hat sich aber nicht bestätigt. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 184 (7/2021).
Seitenabrufe seit 1.12.2021:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige