Bauerngespräch mit Ernteprognose: “Wir brauchen Regen für eine gute Ernte!”

Nach vier fürchterlichen Jahren mit erst viel zu viel und dann deutlich zu wenig Regen freuen sich die Landwirte aus dem Havelland in diesem Jahr auf eine solide und damit durchschnittlich gute Ernte. Traditionell lud Johannes Funke vom Kreisbauernverband Havelland e.V. wieder zu einem Vor-Ernte-Gespräch mitten aufs bestellte Feld ein. Der Tenor: Das aktuelle Jahr sieht bislang ganz gut aus, für die Zukunft fehlt es aber an Perspektive.
“Ich habe uns einmal den Ventilator angemacht”, scherzte Anke Meißner von der Anke Meißner und Peter Nowak GbR aus Nauen-Markee. Damit meinte sie das große Windrad, das mitten auf ihrem Kornfeld in der Nähe des Havelländer Ortes Wernitz steht. Direkt unter diesem Windrad schmorten die Teilnehmer des traditionellen Vor-Ernte-Gesprächs am 11. Juni bei knapp 30 Grad in der Sonne. Da kam jeder Windstoß gerade recht.
Anke Meißner stellte ihren Betrieb kurz vor: “Seit 1992 sind wir auf der Nauener Platte in der Landwirtschaft tätig und verstehen uns als Ackerbetrieb ohne eigene Tierhaltung. Bei uns kommen etwa 820 Hektar unter den Pflug. Dabei setzen wir auf Getreide und auf den Raps, in der Fruchtfolge kommt auch die Erbse dazu.”
Für die Landwirte ist der Niederschlag so wichtig wie kaum etwas anderes. Aus diesem Grund betreiben die Landwirte sogar eine eigene Wetterstation. Anke Meißner: “Unsere Analysen der letzten 21 Jahre zeigen, dass wir im Durchschnitt 554 Millimeter Regen im Jahr auf unseren Feldern haben. Da fehlt uns im aktuellen Jahr leider noch etwas. Bis zum Mai war alles super. Der Juni war aber bislang viel zu trocken. Normalerweise fallen im Juni um die 60 Millimeter Regen. Bis zum 11. Juni hatten wir aber erst 1,8 Millimeter. Das ist zu wenig. Der Regen ist jetzt wichtig für die Kornentwicklung. Die Gerste färbt sich bereits. Trotzdem: Wenn nicht noch ein schwerer Hagel kommt, dann gehe ich von einer normalen Ernte aus. Die fünf bis zehn Prozent Ernteverlust, mit denen jetzt noch zu rechnen ist, die gleichen wir finanziell aus, weil wir im Winter sehr gute Kontrakte abschließen konnten. Da waren die Preise so gut wie noch nie. Wer im Winter nicht zugeschlagen hat, hat nun das Nachsehen.”
Anke Meißner weiß, dass die Landwirte in der Kritik stehen. Vor allem wegen der Pflanzenschutzmittel. Sie sagt: “Ich kann den Bürger insofern beruhigen. Pflanzenschutzmittel sind richtig teuer. Wir setzen immer nur so viel ein wie nötig und nie so viel wie möglich.”
Eine “normale” Ernte, das bedeutet für die Meißner/Nowak GbR, dass die Kosten gedeckt werden und dass am Ende noch ein Gewinn für anstehende Investitionen übrig bleibt. Denn der Betrieb schafft alle drei Jahre neue Drescher und Schlepper an. Das ist wichtig: Bei älteren Gerätschaften würden anstehende Reparaturen schnell in die Unwirtschaftlichkeit führen.
Anke Meißner: “Unser größtes Problem neben den Niederschlagmengen ist die aktuelle Agrarpolitik. Sie gibt uns keine Ruhe und wir erkennen keine klare Strategie. Auch können wir keine fünf Jahre in die Zukunft planen. Die vielen Richtlinien und Vorschriften treiben uns um.”
Sohn Florian Meißner folgt trotzdem in die Fußstapfen der Eltern – und bereitet bereits den Generationswechsel vor. Er hat gerade seinen Master abgeschlossen und hat in seiner Arbeit die im elterlichen Betrieb gemessenen Niederschlagsmengen mit den entsprechenden Ernteerträgen korreliert. Er schaut positiv in die Zukunft: “Ich bin kein Pessimist. Die Landwirtschaft hat auch in der Zukunft einen Platz in Deutschland. Sie muss allerdings umgestaltet werden – allerdings langsam und mit Bedacht.”
Dirk Peters, Chef der Agro-Farm Nauen, vor allen Dingen aber Vorsitzender des Kreisbauernverbandes, fasste die Ernteprognose für die Betriebe im Havelland wie folgt zusammen: “Nach vier Jahren Katastrophen erwarten wir für dieses Jahr endlich einmal eine normale Ernte. Wir fahren keine Rekorde ein, müssen aber auch keine Missernte beklagen.”
Detlef Evert sprach für die Agrargenossenschaft Stölln. Sie betreibt eine gut sanierte DDR-Milchviehanlage weiter: “Wir kümmern uns um 1.600 Rinder, davon sind die Hälfte Milchkühe. Zusätzlich bewirtschaftet die Genossenschaft 1.200 Hektar Fläche. Ein Großteil davon entfällt auf natürliches Grünland. Das ist wichtig, denn so hatte der Betrieb auch in schlechten Zeiten immer ausreichend Futter für die Tiere, zumal auch Futtermais angebaut wird. Raps und Getreide kommen ebenfalls zur Aussaat.”
Die größte Sorge von Detlef Evert ist die desolate Entwicklung des Milchpreises, der schon viele Milchbetriebe im Havelland zur Aufgabe gezwungen hat: “Wir hatten im Winter einen Milchpreis von 33 Cent pro Liter. In den ersten Monaten des aktuellen Jahres fiel er auf 32,5 Cent, jetzt liegt er wieder bei 33,5 Cent. Meine Prognose ist, dass der Preis bis zum Ende des Jahres auf 35 Cent steigen wird. Allerdings wird diese Steigerung durch den Anstieg des Mindestlohns und weitere Kostenexplosionen wieder aufgefressen. So sehe ich unsere Rentabilität nicht besser als im letzten Jahr. Wir fahren auf Sicht, haben in der Agrargenossenschaft seit 2015 zwei Millionen Euro verbrannt und konnten seit 2006 keinen Euro mehr in der Milchwirtschaft investieren. Solange ich Geschäftsführer bin, wird es auch keine Investitionen geben – wir können es uns einfach nicht leisten. Irgendwann wird der Investitionsstau so groß sein, dass wir nicht mehr weiterarbeiten können. Ich bin Realist: Ich sehe nicht, dass wir in Ostdeutschland in zehn Jahren noch eine Milchproduktion haben.”
Johannes Funke ist Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Havelland, aber auch Mitglied des Landtags in Brandenburg: “Die GAP-Reformen haben alle nur noch ein Ziel: Welchen Beitrag leistet die Landwirtschaft, um Kohlenstoff zu speichern? Zurzeit kommen in Deutschland acht Prozent der Klimagase aus der Landwirtschaft. Wenn wir hier kein eigenes Klimarezept umsetzen, wird dieser Wert sogar noch steigen, weil die Emissionen in den anderen Sparten sinken.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 184 (7/2021).
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