Erntegespräch: Landwirte aus dem Havelland ziehen Erntebilanz!

Die Landwirte im Havelland sind schwer gebeutelt. Ein besonders nasses und zwei extrem trockene Jahre haben die Ernteerträge stark fallen lassen. Es wird also dringend ein gutes Jahr benötigt, das deutlich mehr Korn für den Verkauf auf dem Markt hervorbringt. Am 31. August trafen sich die Landwirte im Gut Markee (Nauen), um auf Einladung des Landtagsabgeordneten und Geschäftsführers des Kreisbauernverbandes Havelland e.V. Johannes Funke vor der Presse Bilanz zu ziehen.
Denn das Winter- und das Sommerkorn sind eingebracht, nur der Mais und die Sonnenblumen stehen noch zum Teil auf den Feldern.
Dörte Wernecke, Leiterin des Amts für Landwirtschaft, Veterinär und Lebensmittelüberwachung, verlas die aktuellen Ernteerträge für das Havelland: “Die Ernte 2020 ist gar nicht so schlecht ausgefallen. Wir liegen leicht über dem 5-Jahres-Durchschnitt. Wir kommen aber auch nicht an die Rekordernten von 2013 und 2014 heran.”
Die Zahlen für Winterweizen, Winterroggen, Wintergerste, Winterraps, Sommergerste, Sommerhafer, Süßlupine und Dinkel fallen durchwachsen aus. Bei manchen Saaten wurden mal mehr oder mal weniger Dezitonnen pro Hektar erwirtschaft als im vorangegangenen Jahr. Dörte Wernecke: “Auch beim konventionellen und beim ökologischen Anbau gab es Gewinne und Verluste, ohne dass ein klarer Gewinner feststeht.”
Der ökologische Anbau wird im Havelland immer wichtiger, wie die Anbauzahlen zeigen. Hält der Ökolandbau in Brandenburg einen Anteil von 12 Prozent an der gesamten Landwirtschaft, so liegt er im Havelland bereits bei 19 Prozent. Das ist fast ein Fünftel.
Allerdings hat er auch ein echtes Problem, wie Dirk Peters von der Agro-Farm Nauen und Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Havelland ausführte: “Die Ernten im ökologischen Anbau sind gut. Es gibt allerdings ein echtes Absatzproblem. Alles, was man nicht vor der Ernte kontraktiert, also per Vertrag bereits vorab verkauft hat, lässt sich nicht mehr losschlagen. Diese Erträge mussten zu Preisen wie im konventionellen Anbau verkauft werden.”
Und noch ein Problem sieht Dirk Peters: “Wir sprechen viel über Erträge, wir müssen aber auch über die Qualität sprechen. Beim Nahrungsweizen müssen wir mehr Protein in den Weizen bekommen, sonst droht eine Abstufung von der A- in die B-Qualität. Irgendwann darf unser Weizen nur noch als Tierfutter eingesetzt werden. Die neue Düngeverordnung legt allerdings fest, dass wir nicht mehr so viel Stickstoff in den Boden bringen dürfen. So lassen sich aber keine vernünftigen Proteinwerte im Weizen erzielen. Ich prophezeie, dass wir im Havelland auf lange Sicht nur noch Futtermittel produzieren und nicht mehr zur Ernährung der Bevölkerung beitragen.”
Das große Problem war auch in diesem Jahr wieder: Zu wenig Wasser. In Nauen fielen im März nur 20 Liter Wasser, im April waren es 12 Liter. Dirk Peters: “Das reicht nicht.”
Enrico Voigt von der Agrargenossenschaft Gülpe eG aus dem Westhavelland: “Wir haben einen schlechteren Boden als im Osthavelland. Da bekommen wir es viel mit Sand und einer Kiesunterlage auf dem Feld zu tun. Dieser Boden kann das Wasser nicht halten. Ein großes Problem in diesem Jahr war auch der Spätfrost am 13. und 14. Mai. Er hat bei der Gerste und bei der Triticale dafür gesorgt, dass die Hälfte der Ähren leer blieben. Ein Problem für uns sind auch die Wildgänse. Wir sind im Herbst und im Frühjahr größter Drehpunkt für ihre Vögelzüge, bis zu 150.000 Tiere stehen dann auf unseren Ackern. Gerade im Herbst fressen sie bei der Gerste die jungen Haupttriebe ab. Die Nebentriebe, die anschließend noch heranwachsen, bringen nicht mehr den gleichen Ertrag.”
Enrico Voigt unternimmt nun in Zusammenarbeit mit dem Landkreis langfristige Klimastudien, wie es denn wohl am besten gelingen könne, auf den kargen Böden wieder eine Humusschicht zu etablieren, die das Wasser hält. Die Humusschicht sei in den letzten hundert Jahren durch das tiefe Pflügen und eine intensive Landwirtschaft verloren gegangen.
Er sieht aber ebenfalls das Problem der neuen Düngeverordnung: “Ich darf nur passend zum Ertrag düngen, den ich durchschnittlich in den letzten fünf Jahren hatte. Aus diesem Korsett komme ich nicht mehr heraus. Hatte ich bedingt durch das Wetter schlechte Erträge, so darf ich auch in Zukunft nur für diese Erträge düngen.”
Neben dem ewigen Thema Düngeverordnung haben die Landwirte die zweite Ernte-Stellgröße Wasser fest im Blick. Thomas Große Rüschkamp vom Gut Markee stellte seinen Betrieb vor: “Wir sind ein reiner Ackerbaubetrieb. Wir haben zu einem Drittel sehr gute Böden auf der Nauener Platte, das freut uns. Ohne Wasser fahren aber auch wir keine Ernte ein. Ich schätze mal, dass 85 Prozent der Ernte am Niederschlag hängen.”
Und er ging ins Detail: “Ohne Regen bildet das Getreide keine Nebentriebe aus. Dann habe ich zwar volle Ähren, aber davon nicht genug. Bei der Wintergerste war die Bestockung mit den Nebentrieben bereits im Winter durch, deswegen gab es da eine gute Ernte. Bei den Sommergetreiden hatten wir bei uns im April nur sechs Liter Wasser im Monat gemessen, davor fand der letzte nennenswerte Regen im Februar statt. In der zweiten Maihälfte kamen noch einmal 43 Liter Wasser pro Quadratmeter vom Himmel herunter. Das hat immerhin dafür gesorgt, dass wir dicke Körner bekommen haben. Wir sind aber zufrieden und freuen uns nach drei schwierigen Jahren über gute Erträge.”
Die Frage ist natürlich: Reicht die aktuelle Ernte, die nur etwas über dem Durchschnitt liegt, um finanzielle Glückseligkeit zu erreichen? Dirk Peters: “Es reicht zum Durchatmen. Aber wir können noch nicht acht Stunden in Ruhe durchschlafen. Die Erzeugerpreise sind nicht die, die wir uns wünschen. Ich höre auch gerade, dass die russischen Landwirte in diesem Jahr eine nie dagewesene Rekordernte einfahren. Da weiß ich doch schon jetzt, wo die Preise im nächsten Jahr liegen werden.”
Thomas Große Rüschkamp: “Wir Landwirte in Deutschland bitten um eins: Die Rahmenbedingungen müssen in der ganzen EU gleich sein, sonst arbeiten wir unter unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen. Wenn in Frankreich und in Polen erlaubt ist, was in Deutschland verboten ist, dann ist das Wettbewerbsverzerrung.”
Die Landwirte im Havelland sind durchaus geneigt, neue Kulturen auszuprobieren. Dirk Peters: “Wir brauchen ja eine wechselnde Fruchtfolge und probieren Verschiedenes aus. Wir haben vor fünf Jahren probeweise Soja angebaut, vor vier Jahren auch. Das brachte 20 Dezitonnen pro Hektar ein. Die Sojabohnen liegen seitdem bei uns in der Scheune – die will niemand haben. Würde man das Soja an die Rinder verfüttern wollen, müsste man die Bohnen vorher toasten. Da gibt’s in Deutschland gar keine bezahlbare Technik für. Wir machen daraus jetzt nach und nach Sojaöl, das wir in unserem Hofladen verkaufen. Zurzeit experimentieren wir mit verschiedenen Hirsezüchtungen und schauen, welche am besten zu unserem Boden passt.”
Wie geht es für die Landwirte weiter? Für ein Verschnaufen bleibt keine Zeit. Thomas Große Rüschkamp: “Nach der Ernte ist vor der Ernte.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 175 (10/2020).
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