Die Bahn kommt mit 6 Gleisen nach Falkensee: Projekt i2030 – mehr Schiene für Berlin und Brandenburg!
Die letzten Jahre klagten die Falkenseer immer wieder: „Wir brauchen die S-Bahn, um die Gartenstadt noch besser an Spandau und Berlin anzubinden.“ Die Antwort auf diesen Wunsch war stets die gleiche: „Das ist reines Wunschdenken, das wird nicht passieren. Wo soll das dritte Gleis denn hin?“ Nun kommt auf einmal Bewegung in die eingefahrene Diskussion. Die von der Bundesregierung propagierte „Verkehrswende hin zur Schiene“ sorgt dafür, dass plötzlich neue Konzepte möglich werden.
Unter dem Namen „Projekt i2030“ arbeiten die Länder Berlin und Brandenburg, die Deutsche Bahn und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) am Ausbau der Schiene zwischen Spandau und dem Bahnhof Finkenkrug. Anstelle von zwei Gleisen sind auf einmal sogar sechs in Planung.
Der Ausbau der Schieneninfrastruktur rund um Berlin schließt zurzeit acht Korridore sowie ein weiteres Maßnahmenpaket für die Erweiterung der S-Bahn mit ein. Einer dieser acht Korridore ist die „Hamburger Bahn“ mit der Strecke zwischen Spandau und Nauen. Zu den bestehenden beiden Gleisen sollen zwei Gleise für die Fernbahn und zwei weitere Gleise für die S-Bahn hinzukommen.
Fakt ist: Wenn die Bundesregierung ihr Klimapaket umsetzen möchte, dann ist der Ausbau des Schienenverkehrs eine wichtige Option. Auf den beiden Schienen der Verbindung Nauen – Spandau werden schon jetzt Güter vom Hamburger Hafen bis nach Osteuropa transportiert. Hinzu kommt der Personenverkehr zwischen den beiden Großstädten Hamburg und Berlin. Nicht vergessen darf man auch den stetig zunehmenden Pendlerverkehr aus der Nachbarschaft: Die Menschen aus der Prignitz und aus dem Havelland müssen jeden Tag nach Berlin gebracht werden. Zum Arbeiten. Da kann es auf den beiden Schienen schon einmal eng werden.
Das „Projekt i2030“ ist Teil eines größeren Vorhabens. Der Plan ist es, den Nordsee-Ostsee-Korridor, auf dem die Strecke liegt, stark auszubauen. Denn der Korridor gehört zum transeuropäischen Kernnetz, das für einen starken EU-Binnenmarkt wachsen soll.
Joachim Radünz, Pressesprecher des VBB: „Ab 2022 soll wenigstens jede halbe Stunde ein Fernzug zwischen Berlin und Hamburg fahren. Das gehört zu den Zielen des von der Bundesregierung und den Ländern geplanten Deutschlandtakts, mit dem die 30 größten deutschen Städte noch besser per Bahn miteinander verbunden werden. Die Erweiterung der Infrastruktur ist nötig, damit zukünftig schnelle Fernzüge und langsamere Regionalzüge weitgehend unabhängig voneinander fahren können, Wartezeiten entfallen und der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) insgesamt komfortabler wird.“
Für die Menschen aus dem Havelland ist zunächst einmal das wichtig: Ab Dezember 2022 soll es eine vierte ganztägige Regionalverkehrslinie zwischen Berlin und Nauen geben, um den Pendlerverkehr besser aufzunehmen.
Zusätzlich soll die S-Bahn über den Berliner Stadtrand hinaus rollen und die Haltestellen „Nauener Straße“, „Klosterbuschweg“, „Albrechtshof“, „Seegefeld“, „Falkensee“ und „Finkenkrug“ mit bedienen. Es könnte sogar einen Abzweig ins Falkenhagener Feld geben – mit den Stationen „Seegefelder Straße“ und „Falkenseer Chaussee“.
Das Projekt trägt nicht umsonst die Jahreszahl „2030“ im Namen: Mit einer schnellen Umsetzung ist nicht zu rechnen. Schließlich müsste allein der Bahnhof in Spandau erheblich umgebaut werden, um den zusätzlichen Schienenverkehr bewältigen zu können. Und auch sechs parallel verlaufene Schienen müssen erst einmal gebaut werden.
Joachim Radünz: „Die Vorplanung möglicher Varianten beginnt unmittelbar nach Unterzeichnung des Finanzierungsvertrags für die nächsten Planungsleistungen und wird über das Jahr 2020 hinaus andauern. Ziel ist es, die Konfliktpotentiale herauszuarbeiten und eine verträgliche Lösung für den Ausbau zu finden. Ein Antrag für eine anteilige Förderung der Planungsleistungen durch EU-Mittel im Programm CEF ist eingereicht. Über die Bewilligung wird voraussichtlich Ende 2020 entschieden.“
Viel Planung und Verwaltung steht nun auf der Agenda. Zunächst entsteht eine Vorplanung mit einer Kostenschätzung, dann muss eine Nutzen-Kosten-Untersuchung stattfinden, die zu einer Variantenentscheidung führt. Es folgen eine Entwurfsplanung, eine Kostenberechnung und die ersten Finanzierungsanträge. Weiter geht es mit einer Genehmigungsplanung und der Planfeststellung. Auf die Ausführungsplanung folgt die Ausschreibung. Dann erst kann gebaut werden. Das bedeutet: Bis der Falkenseer auf eine erste Baustelle trifft, können noch Jahre vergehen.
Vertreter der genannten Projektpartner waren bereits Anfang September zu Gast im Falkenseer Stadtentwicklungs- und Mobilitätsausschuss – und haben die Ausschussmitglieder über die Pläne informiert.
Die Ankündigung, dass Falkensee schon bald in ganz neuer Intensität an den Bahnverkehr angeschlossen wird, sorgte bei vielen Betroffenen für Freunde.
Kein Wunder: Insbesondere der Pendlerverkehr ist in den letzten Monaten an sein Limit gekommen. Das kommt nicht von ungefähr: In allen Orten im Havelland wird gebaut, was die Maurerkelle hergibt. Und die meisten der neuen Bewohner, die aus Berlin ins Grüne ziehen, arbeiten weiterhin in der Hauptstadt – und fahren am liebsten mit der Bahn in die Stadt.
Mahnende Stimmen
Aber es gibt auch mahnende Stimmen. Marc-Oliver Wille von der „Bürgerinitiative Schönes Falkensee“ (BISF): „So gut diese massive Kapazitätserhöhung auch klingt, sie bringt doch auch einige Nachteile mit sich. Die Regionalbahn und die S-Bahn werden nicht beide an allen Unterwegsbahnhöfen halten. So wurde im Ausschuss deutlich, dass der Bahnhof Seegefeld künftig nur noch von der S-Bahn angefahren werden würde. Das konterkariert den dort geplanten P+R-Parkplatz und die Verlagerung des Parksuchverkehrs aus dem Zentrum hinaus. Attraktiv für schnelle Verbindungen ins Berliner Stadtgebiet sind in der Regel nur die Regionalbahnen.“
Und er führt weiter aus: “ Auf separaten Gleisen würden die ICE-Züge aus Richtung Hamburg künftig mit Tempo 230 durch Falkensee rauschen – anstatt wie jetzt mit reduzierter Geschwindigkeit. Das wird Lärmschutzwände auf beiden Seiten der breiten Trasse erforderlich machen. Und zwar durch das gesamte Stadtgebiet hindurch und auch an den Bahnhöfen (siehe Ausbau der Dresdner Bahn im Süden Berlins). Falkensee würde durch Lärmschutzwände zerschnitten.“
Auch um den Falkenseer Bahnhof macht sich Marc-Oliver Wille Sorgen: „Sechs Gleise brauchen viel Platz. So müssten alle Unterführungen neu gebaut werden. Auch die gerade neu geschaffenen Fahrradständer am Falkenseer Hauptbahnhof müssten wieder weichen. Selbst der Busbahnhof würde beeinträchtigt werden.“
Marc-Oliver Wille plädiert für nur vier Gleise. Allein, um die mit dem Ausbau einhergehenden Grundstücksprobleme, die Umweltschutzfragen und die komplizierte Bauplanung wegen begrenzter Flächen auf ein Minimum zu reduzieren: „Ansonsten wäre nach meiner Erfahrung nicht vor 2030 mit der Fertigstellung dieses Riesenprojektes zu rechnen. Das heißt, dass die Bürger in absehbarer Zeit nicht von dieser Verbesserung im SPNV profitieren würden.“
Aber auch der Kritiker findet am Ende ein gutes Wort: „Ich begrüße die kurzfristigen Verbesserungen im Regionalverkehr durch Kapazitätserhöhungen, wie sie ab Ende 2022 bei der Regionalbahn vorgesehen sind.“
Die Jugend auf die Schienen
Die Bahn hat noch ein anderes Problem: Immer mehr junge Leute nutzen lieber die preiswerten Busangebote, um von einer Stadt in die andere zu reisen. Die Deutsche Bahn möchte die junge Generation zurückgewinnen. Mit dem „Super Sparpreis Young“ können Teens und Twens im Alter bis einschließlich 26 Jahren bereits ab 12,90 Euro mit dem ICE und Intercity fahren. Die Tickets müssen bis zum 1. November gebucht und bis Ende April 2021 genutzt werden. (Text/Foto: CS / Grafik: VBB)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 175 (10/2020).
Seitenabrufe seit 1.12.2021:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige