Falkensee: Ikarus hört auf!
Ikarus – den Namen kennt in Falkensee so gut wie jeder, vor allem die Leute, die abends gern einmal Party machen. Eigentlich heißt der Name ja korrekt “Diskothek Ikarus” – und dahinter steht der Ur-Falkenseer Lutz Rohmann (53). Aber wie es manchmal so ist, manchmal verselbstständigen sich Namen und nun ist nur noch von Ikarus die Rede.
Ikarus legt Platten auf – und das bereits seit dem 1. Mai 1979.
Lutz Rohmann: “Mit 16 habe ich zum ersten Mal im Volkshaus Dallgow aufgelegt. Da gab es die Jugenddisco von 17 bis 21 Uhr. Damals waren wir noch zu zweit, aber Joachim Krause ist 1992 ausgestiegen. Er hatte sich um die Technik gekümmert, ich um die Platten. So um die 200 Vinyl-Scheiben hatte ich damals, die meisten davon dank guter Beziehungen aus dem Westen. Status Quo, Deep Purple und so etwas haben wir gespielt. Ich war damals der jüngste DJ im Bezirk Potsdam. Um Platten spielen zu dürfen, brauchte ich aber in der DDR eine ‘staatliche Spielerlaubnis’. Also habe ich einen Lehrgang zum ‘Schallplattenunterhalter’ absolviert. Da ging es um Sprecherziehung, um Musikdramaturgie und um den Programmaufbau. Apropos. Fest vorgegeben war, dass wir 60 Prozent Musik aus der DDR oder aus dem sozialistischen Ausland spielen mussten. Da haben wir uns aber nie dran gehalten. Zum Glück hat man uns aber nicht auf die Finger geklopft – anderen schon.”
Ikarus bespielt bereits die vierte Generation Musikfreunde. Längst setzt der eingefleischte Rammstein-Fan auf CDs. Den MP3s von der Festplatte traut er vom Klang her nicht: “Ich habe etwa 2.000 CDs in meinem Musikzimmer zu Hause. Wenn ich einen Auftritt habe, suche ich so etwa 300 bis 400 aus und nehme sie mit. Was ich spiele, entscheide ich vor Ort. Bei mir wird kein fest vorgegebenes Set gespielt. Ich habe das Glück, dass ich mein Publikum regelrecht lesen kann. Und so entscheide ich aus dem Bauch heraus, welche Songs gerade passen – zur Stimmung, zum Publikum und zur Uhrzeit. Dabei verwende ich sehr gern CDs, weil mir jedes Cover sofort eine Geschichte erzählt und ich oft schon vom Anschauen weiß, welchen Song ich von der CD spielen muss.”
Lutz Rohmann hat “mittendrin” ein paar Jahre aufgehört mit seiner Diskothek. Er hat in Elstal Triebfahrzeugsschlosser gelernt – Horke war damals sein Lehrling. Dann hat er umgesattelt und arbeitet nun schon viele Jahre lang für die Berufsfeuerwehr in Spandau.
In den letzten Jahren hat Lutz Rohmann vor allem auf den Veranstaltungen von Heiko Richter und Sven Gädecke aufgelegt: “Da haben sich ein paar Verrückte gefunden, das passt wie Arsch auf Eimer.” Die Diskothek Ikarus war so immer beim Vatertag mit dabei, beim Osterfeuer, beim Partyzelt und beim schräädecke Oktoberfest. Im April hat er die “Schlagerparty mit Ikarus und Cora” in der Stadthalle gefeiert, im November erst war er mit Stargast Harpo auf der Bühne.
Und nun das: Ikarus hört auf. Am 10. Dezember steigt die große Abschiedsparty mit ihm in der Falkenseer Stadthalle. Dann legt er noch einmal auf und verabschiedet sich von seinen vielen Fans.
Warum? Eine schwere Krankheit hat ihn zum Umdenken gezwungen: “Ich habe bei der Feuerwehr dank Schichtdienst ständig wechselnde Arbeitszeiten. Wenn ich mit der Diskothek auftrete, bleibt für mich kaum noch ein Wochenende übrig. Ich fahre selbst mit dem Notarztwagen. Wenn der aber selbst plötzlich zu einem kommt und man auf der anderen Seite der Linie steht, zwingt einen das schon zum Nachdenken. Ich schaffe mir jetzt Freiräume – für mich. Man soll halt gehen, wenn es am schönsten ist.”
Einen Ikarus II wird es nicht geben, es wird kein offizieller Nachfolger vorgestellt. Lutz Rohmann: “Eine Kopie funktioniert nie, man muss authentisch sein und kann nicht einfach jemanden kopieren. Die Zukunft wird zeigen, wer in diese Fußstapfen hineinwachsen wird. Ich bin ja nicht aus der Welt. Aber ich werde die Partyszene in Falkensee einmal aus einer neuen Perspektive kennenlernen – als Gast. Ich möchte mich bei meinem Publikum für die Treue bedanken, ohne Euch hätte ich das niemals so lange gemacht.” (Text/Fotos: CS)
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