Scheibes Glosse: Pinkeln im Freien
Natürlich war es eine Frau, die mich darauf hinweisen musste. Sie sagte: „Ihr Männer seid so eklig. Ständig müsst ihr im Freien überall hinpinkeln. Warum macht ihr das?“ „Weil wir es können“, habe ich eingeschnappt geantwortet. Denn ich fand es unverfroren und unverschämt, uns Männern zu unterstellen, dass wir ohne jedes Schamgefühl überall im Straßenbild die Hosen herunterlassen, um uns öffentlich zu erleichern – wie kleine Kinder.
Ja, genau, bestimmt meinte die Kritikerin kleine Grundschulkinder, die Spaß daran haben, Feuerwanzen von einem Linden-Baumstamm herunterzupinkeln.
Ich beschloss aber trotzdem, bei meinen Fahrten durch Berlin und Falkensee einmal besser aufzupassen, um nach Männern Ausschau zu halten, denen es egal ist, ob der Klodeckel oben oder unten ist – weil sie es eh lieber im Freien tun.
Ich muss zur Schande meines Geschlechts zugeben: Es gibt tatsächlich Anlass zur Kritik. Gleich am ersten Tag sah ich direkt neben einer Hauptverkehrsstraße einen Mann, der so freundlich war, einen öffentlichen Baum zu wässern. Nur war das kein Gartenschlauch in seiner Hand. Nur der Strahl war ähnlich kräftig.
Ich muss sehr erstaunt geguckt haben, denn der Baumpinkler nickte mir noch freundlich zu, so ganz unter Kollegen, während ihm langsam die Hose herunterrutschte und seine Kehrseite den Mond aufgehen ließ.
Au weia. Haben wir Kerle so wenig Hemmungen? In der Tat. Fast täglich erwische ich nun wieder jemanden, der direkt an der Straße, im eigenen Garten oder mit einer Hand abgestützt an einem Trafohäuschen den Feuerwehrbefehl probt: „Wasser marsch“.
Je mehr gefeiert wird, umso schlimmer wird es. Nachts vor Falkensees bekanntester Kneipe schreiben die torkelnden Nachhausegänger schon einmal ihren Namen direkt auf das Kopfsteinpflaster der Freimuthstraße – aber ohne Hände!
Auch beim nächtlichen Gassigehen habe ich sie schon erwischt, die Spontanpinkler. Da teilen sich dann Herrchen und Hund den gleichen Baum und man weiß einfach nicht, wer ihn denn nun dominanter markiert hat.
So oder so gibt es bei den öffentlichen Pinklern anscheinend keine Hemmschwelle und kein Schamgefühl. Viele würden den vorbeieilenden Passanten wohl gern noch die Hand zum Gruß geben, wäre sie nicht anderweitig im Gebrauch.
Was sagt eigentlich das deutsche Gesetz zu einer solchen „Alltagssünde“? Es ist „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ und kann wohl mit einem Bußgeld von 20 bis 100 Euro belegt werden.
Das Problem: Wenn die Polizei einen Wildpinkler nicht selbst erwischt, ist es kaum möglich, das Delikt zur Anzeige zu bringen. Ein hochgeschlossener Reißverschluss und der Freilandstrullermeister unterscheidet sich nicht mehr von seinen übrigen, ganz wohlgesitteten Geschlechtsgenossen. (Carsten Scheibe)
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