Scheibes Glosse: Meine Bücher
Mein ganzes Leben lang „baue“ ich nun schon an meiner persönlichen Bibliothek – wie das wohl jeder macht. Sie enthält alle Bücher, die mir wichtig sind, in einem 1A-Zustand. Jetzt kommen die Kinder und zerlegen die Bibliothek. Und ich finde das auch noch gut.
Ich lese für mein Leben gern. Ich habe alle Romane von Stephen King, Andrew Vachss, Robert B. Parker, Wolfgang Hohlbein, Dean R. Koontz und Lee Child gelesen. Zugegeben, das ist keine Weltliteratur, aber ich mag sie eben. Um mich selbst zu maßregeln, habe ich mir beim Einzug in unser Falkenseer Haus auferlegt, nie mehr Bücher zu besitzen, als in meine Bücherwand passen. Einmal im Jahr (manchmal auch öfters) sortiere ich deswegen mit blutendem Herzen Bücher und ganze Autoren aus, um die Werke der Stadtbibliothek zu spenden.
Bei meinen Büchern kann man sich immer sicher sein, dass sie stets in einem Topzustand sind. Vor dem Lesen ziehe ich den Schutzumschlag ab. Ich trinke und esse nichts beim Lesen, mache keine Kniffe in die Seite und schlage das Buch nur minimal auf, damit der Buchrücken nicht überdehnt. Meine Bücher sehen aus wie neu. Eine Freundin hat mir mal ein Buch neu gekauft, weil ihr ein Marmeladenbrot hineingefallen ist. Und eine andere Bekannte hat mir ein ausgeliehenes Buch neu gekauft, weil sie es im Streit ihrem Mann an den Kopf geworfen hat. Dabei wurde nicht nur der Mann beschädigt.
Mir ist es sehr wichtig, dass meine Kinder ebenfalls gern lesen. Mein Sohn sich durch „Herr der Ringe“ geschmökert, den gesamten Harry Potter gelesen, Charly Bone verschlungen und die Eragon-Bücher aufgesaugt. Momentan sind der iPod touch und der Computer allerdings spannender. Jetzt überlege ich sehr, wie ich es schaffe, ihn wieder für die Literatur zu begeistern. Zurzeit probiere ich es mit Stephen King. Stephen King steht für Horror – und das finden Teenager ja cool. Ich habe ihm aber „Stand by me – Geheimnis eines Sommers“ untergejubelt. Das ist die wohl schönste Geschichte über Freundschaft unter Kindern, die es gibt. Mal schauen.
Meine Tochter hat das Lesen erst mit den Vampir-Romanen von Stephenie Meyer für sich entdeckt. Inzwischen liest sie gefühlt einen ganzen 700-Seiten-Wälzer – pro Tag. Sie hat sich durch alle Empfehlungen ihrer Freundinnen geschmökert und alles gelesen, was in meinem Schrank zu finden war und das der Bruder noch nicht gelesen hat.
Was hier anders ist: Wenn ich die Bücher von meiner Tochter zurückbekomme, sehen sie aus, als hätten 22 Literaturhasser damit in einem Schlammbad Fußball gespielt.
Die Bücher sehen aus wie Tagebücher ihrer eigenen Lektüre. Ich kann auf jeder einzelnen Seite ablesen, was meine Tochter dabei gegessen hat und ob sie sich an diesem Tag schon die Hände gewaschen hat. Der Schutzumschlag ist ausgerissen und der Buchrücken gebrochen – als hätte man das Buch aufgeschlagen auf den Fußboden gelegt und dann den Kleiderschrank draufgestellt.
Früher hätte mich ein Buch in diesem erbarmungswürdigen Zustand zum Hyperventilieren gebracht. Und mich dann in eine Ohnmacht getrieben. Inzwischen bin ich der Meinung: Ich lese jedes Buch sowieso nur einmal. Mit einer Ausnahme – „Die grüne Wolke“ von A.S. Neill lese ich alle zwei, drei Jahre neu, weil ich einfach nicht davon lassen kann.
Wenn ich also die meisten Bücher nur einmal lese, dann ist es doch auch völlig egal, wie sie aussehen. Und ich sollte froh sein, wenn meine Kinder sie noch einmal lesen, egal, wie sie anschließend auch aussehen. Genau das versuche ich nun zu leben. Obwohl es mir das Herz brechen würde, wenn ich meine Stephen-King-Romane so zurückbekommen würde. (Carsten Scheibe)
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